Abschaffung der Abgeltungsteuer wäre unsozial

29. März 2018


CDU/CSU und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Abgeltungsteuer abzuschaffen. Das wäre unsozial, weil sie vor allem die Kleinsparer treffen würde, die ihr Geld nicht in Aktien und Immobilien, sondern in Lebensversicherungen oder auf Festgeldkonten angelegt haben.

Von Hans-Joachim Beck 

Der Plan geht auf die Forderung aus dem Wahlprogramm der SPD zurück. Die Sozialdemokraten möchten die Abgeltungssteuer abschaffen, da sie es für ungerecht halten, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen höchstens mit 25 Prozent versteuert werden, während alle übrigen Einkünfte mit dem persönlichen — tariflichen – Steuersatz besteuert werden, der bis zu 47,475 Prozent betragen kann.

Dieser Vorschlag sorgt jedoch für Unruhe und Verwirrung, weil Gewinne aus der Beteiligung an Kapitalgesellschaften bereits auf der Ebene der Kapitalgesellschaft mit Körperschaft- und Gewerbesteuer vorbelastet sind. Die Steuerbelastung würde deshalb insgesamt mehr als 63 Prozent betragen.  Die CDU/CSU hatte in ihrem Wahlprogramm klargestellt, dass eine Abschaffung der Abgeltungssteuer beim Anleger nicht zu Nachteilen führen soll, soweit Kapitalerträge einer steuerlichen Vorbelastung unterlegen haben (Zeilen 1281 – 1285).

Der Koalitionsvertrag enthält in dem Kapitel über Finanzen und Steuern folgende Formulierung: „Die Abgeltungssteuer auf Zinserträge wird mit Etablierung des automatischen Informationsaustausches abgeschafft; Umgehungstatbestände werden wir verhindern.“
Dadurch wird klargestellt, dass die Abschaffung der Abgeltungssteuer sich nur auf Zinsen beziehen soll und nicht auch auf Dividenden. Der Satz ist jedoch insofern widersprüchlich als den Bürgern versprochen wird, dass es nicht zu einer Erhöhung der Steuern kommt. Die Abschaffung der Abgeltungssteuer wird jedoch für alle Bürger zu einer Steuererhöhung führen, deren Durchschnittssteuersatz mehr als 25 Prozent beträgt. Dies dürften zwar diejenigen gerecht finden, deren Steuersatz niedriger ist, eine Steuererhöhung ist es aber trotzdem.

Die Abschaffung der Abgeltungssteuer soll „mit Etablierung des automatischen Informationssystems“ einhergehen. Dies beruht darauf, dass die Abgeltungssteuer seinerzeit vor allem wegen des sogenannten „Vollzugsdefizits“ eingeführt wurde, weil es als Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung empfunden wurde, dass viele Bürger ihre Kapitaleinkünfte nur unvollkommen erklärten und die Finanzämter keine Möglichkeit hatten, die Kapitaleinkünfte zu ermitteln. Daher sah der Gesetzgeber sich vor die Wahl gestellt, entweder ein umfassendes Kontrollsystem einzuführen oder auf eine individuelle Erklärung der Kapitaleinkünfte zu verzichten und diese „pauschal“ durch einen Steuerabzug an der Quelle zu besteuern (Nach dem Motto: „Besser 25 % von x als 45 % von nix“).  Am 30. September 2017 hat jedoch der automatische Informationsaustausch über Finanzkonten zwischen Deutschland und 49 Staaten und Gebieten nach dem Meldestandard der OECD begonnen. Weitere Staaten und Gebiete werden zum 30. September 2018 folgen. Dadurch ist die Finanzverwaltung in der Lage, Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen, so dass nach Ansicht der Union und der SPD die Notwendigkeit einer Abgeltungssteuer entfällt.
Die Abschaffung der Abgeltungssteuer für Zinseinkünfte ist jedoch unsozial, weil sie vor allem die Kleinsparer trifft, die ihr Geld nicht in Aktien und Immobilien, sondern in Lebensversicherungen oder auf Festgeldkonten angelegt haben. Die derzeitige Niedrigzinsphase hat zur Folge, dass die Inflationsrate höher ist als die Zinsen, die man für Spargeld bekommen kann, und Geldsparer auch ohne Berücksichtigung von Steuern zurzeit enteignet werden. Demgegenüber spart der Staat viel Geld, weil er für die von ihm aufgenommenen Schulden so gut wie keine Zinsen zahlen muss. Die Haushaltsüberschüsse, die die zukünftige Regierung verteilen möchte, beruhen fast ausschließlich auf den Zinsersparnissen des Staates. Diese ersparten Zinsen müsste der Staat eigentlich den Kleinsparern zurückgeben, anstatt diese stärker zu besteuern. Gerechterweise sollten Zinsen daher solange von der Einkommensteuer freigestellt werden, wie die Zinssätze niedriger sind als die Inflation. Praktisch könnte man dies dadurch regeln, dass der Sparer die Inflation auf sein Sparkapital wie Werbungskosten von den Zinsen abziehen darf. Würde man die Abgeltungssteuer beibehalten, könnte diese Berechnung von den Banken übernommen werden.

Die der Abgeltungssteuer in einer Zeit abzuschaffen, in der die Zinsen niedriger sind als die Inflationsrate, würde letztlich eine verfassungswidrige Besteuerung der Substanz darstellen.