Akquise neu denken: Vormarkt, Vormarkt, Vormarkt

26. November 2019


Wer erfolgreich Immobilien akquirieren möchte, kann sich nicht mehr nur auf altbewährte Methoden verlassen. Denn ein großer Teil des geringen Immobilienangebots wird derzeit unter dem Radar verkauft. Immobilien werden immer öfter direkt unter Nachbarn, Bekannten und Freunden gehandelt. Damit wird der Makler bei Transaktionen regelmäßig übersprungen. Höchste Zeit also, Akquise neu zu denken.

Von Jan Kricheldorf

Nicht nur Immobilienmakler leiden unter mangelnder Auftragslage. Wenn wir Schlüsse ziehen wollen, wie wir unsere eigenen Akquisemethoden verändern wollen, lohnt sich der Blick über den Tellerrand hinaus. Zum Beispiel in die Fahrdienstbranche. Vielen Taxifahrern fällt es zunehmend schwerer, die Umsatzzahlen zu halten. Bislang beschränkten sich Verdiensteinbußen noch auf einzelne Fahrdienstleister. Für nächstes Jahr prognostiziert aber der Datenanalyst Statista erstmals seit Jahren einen Umsatzrückgang im Taxigewerbe. Was die Zukunft angeht, sind die Aussichten für Taxifahrer jedoch deutlich schlechter als für Immobilienmakler. Denn die neuen Wettbewerber in der Taxibranche sind keine Kleinunternehmer oder Startups mit einer fixen Idee, sondern heißen Car2Go, Drive Now, Uber und WeShare. Disruptoren mit milliardenschweren Gesellschaftern wie Daimler, BMW und VW im Hintergrund. Die suchen nach den selbstverursachten Skandalen der letzten Jahre und dem verpennten Wandel zur Elektromobilität nach neuen Märkten.
Inzwischen stehen Carshare-Autos dieser Firmen in den Metropolen an jeder Straßenecke. Der Nutzer hat die Qual der Wahl. Warum also ein Taxi buchen, wenn man sich selbst nach Hause fahren kann und dazu noch weniger bezahlt. Kommt eines Tages tatsächlich noch das autonome Fahren dazu, wird es die Taxibranche sehr, sehr schwer haben, weiter zu existieren. Überraschung? Keineswegs. Denn in der vergleichsweise kurzen Geschichte der kommerziellen Mobilität kam es durch technische Neuerungen immer wieder zu starken Veränderungen an den Märkten. Nicht unbedingt zum Nachteil der Dienstleister. Denn als die Droschke vom Auto abgelöst wurde, blieb das Fahrgeschäft ein Fahrgeschäft, das von Menschen für Menschen erledigt wurde. Droschkenfahrer mussten im Grunde nur umschulen, um ihre Dienstleistungen weiter anbieten zu können. Das Beispiel zeigt aber, wie stark die Abhängigkeit der Taxifahrer zur Technik ist und wie stark Neuentwicklungen von Technologien Erlösmodelle beeinflussen. Die Digitalisierung macht viele Dienstleistungen, die von Menschen erledigt wurden, entweder verzichtbar oder die Mehrwerte der Leistungen werden von den Auftraggebern nicht mehr erkannt.

Immobilienmakler sind keine Taxifahrer

Auch die Immobilienbranche ist durch neue Technologien einem starken Veränderungsprozess ausgesetzt, vor allem im Bereich der Immobilienvermittlung. Angebot und Nachfrage zusammenzubringen, ist ausgerechnet etwas, was sich sehr gut digitalisieren lässt. Dennoch beißen sich die digitalen Unternehmen wie Portale, Leadhändler und Online-Makler bislang die Zähne daran aus. Wäre das Geschäft skalierbar und die Branche leicht zu stören, wäre der Markt innerhalb kürzester Zeit bereits auf dem Kopf gestellt worden. Zwar ist die digitale Präsenz und Stärke unverkennbar, doch die Modelle Homeday und McMakler sind längst noch nicht dort angekommen, wo sich die Unternehmen selbst sehen. Der deutsche Immobilienmarkt ist zickig und regional höchst unterschiedlich. Digitales Makeln lässt sich optimieren, vereinfachen und rationalisieren aber am Ende muss doch noch mit Menschen gesprochen werden, die Sorgen und Nöte haben.

Genau aus diesem Grund sind Persönlichkeitsfaktoren immer noch die Geheimwaffe bei den Akquiseinstrumenten. Diese Komponente wird von Disruptoren regelmäßig unterschätzt und kann auch nur schwer digital vermittelt werden. Der Faktor Mensch lässt sich mit Algorithmen eben nicht vollends beherrschen. In der Immobilienvermittlung ist der Mensch aber eine Komponente, der größte Bedeutung zukommt und die über Verkauf oder Nichtverkauf maßgeblich entscheidet. Menschen, die eine Immobilie verkaufen, lassen sich nicht auf eine simple Transaktion reduzieren. Wer verkauft, ist meist starken Emotionen ausgesetzt, die Verkaufsursachen sind immer individuell und die Customer Journey, also der Zeitraum, der vergeht, bis eine Immobilien verkauft wird, unterschiedlich lang. Fast immer ist bis zum Verkaufszeitpunkt eine erhebliche Veränderung der Lebenssituation vorausgegangen. Die Kundenreise von Menschen, die für ihre Immobilie zu alt geworden sind, dauert länger als die von Menschen, die finanzielle Probleme haben, Familienzuwachs bekommen haben oder wegen eines beruflichen Wechsels in eine andere Stadt ziehen müssen.

Der Makler als Berater

Wer im Digitalzeitalter erfolgreich akquirieren möchte, muss sich deswegen vor allem mit diesen Verkaufsursachen beschäftigen und eine hohes Maß an Empathie für seine Auftraggeber aufbringen. Es heißt immer: Jede Immobilie ist individuell. Noch viel mehr trifft das für den Verkaufsgrund zu. Das Akquirieren war in nachfrageärmeren Zeiten viel einfacher. Es genügte die Frage: „Möchten Sie Ihre Immobilie verkaufen?“. Angesichts der hohen Nachfrage erscheint vielen Menschen diese Formulierung dann doch etwas aufdringlich und viele glauben auch, dass sie den Verkauf im Bekanntenkreis selbst organisieren können. Eigentümer, die privat anbieten, erkennen die Mehrwerte eines Maklers nicht und reagieren zunehmend genervt auf die immer selben Werbeaussagen wie „Junge Familie sucht genau Ihre Immobilie“. Viele Verkäufer sind der Ansicht, dass der Makler den Verkauf unnötig verteuert und dass sie das Einstellen der Immobilie in ein Portal auch selbst hinbekommen. Schätzungen zufolge bietet mehr als die Hälfte der Immobilien­verkäufer privat an. Diese Quote könnte niedriger liegen, wenn Makler deutlich mehr als jetzt als Marktexperten und Berater wahrgenommen werden. Der so genannte Vormarkt, also die Phase, in der ein Eigentümer noch unentschieden ist, wann und ob er verkauft, enthält enorme Potentiale. Wer diese Potentiale für sich nutzbar machen möchte, muss viel Energie investieren und seine gewohnten Akquisewege verändern. Vor allem in der Kommunikation. Um im Vormarkt erfolgreich sein zu können, braucht es deutlich mehr Berührungspunkte mit der Zielgruppe als bisher. Denn ein Expertenstatus erarbeitet sich nicht durch Behauptungen, sondern durch Belege und Referenzen.

Dem Eigentümer muss schon im Vormarkt klar werden, worin der Mehrwert eines Maklers liegt. Das ist in Anbetracht von sich ändernden Lebensabschnitten nicht schwer. Denn die Verunsicherung des Eigentümers ist groß. Er hat andere vordergründige Probleme, um die er sich kümmern muss. Zeitdruck vergrößert immer das Risiko, etwas falsch zu machen oder Vermögensverluste in Kauf nehmen zu müssen. Erscheint hier der Immobilienmakler nicht als reiner Vermittler, sondern als Berater und Wegbegleiter, der die Bedürfnisse des Anbieters erkennt und immer wieder in Erscheinung tritt, wird der Verkäufer nicht einmal mehr Google befragen müssen, um einen Makler zu suchen. Denn er hat ja bereits einen gefunden. Bezeichnend war kürzlich der Anruf eines Schulfreunds, der wegen Nachwuchs ein neues Haus gekauft und die alte Wohnung verkauft hat: „Jan, wozu brauche ich nochmal einen Makler?“

Genau hierbei offenbaren sich die größten Defizite von Immobilien-Kleinunternehmern. Sie sind im operativen Geschäft gefangen und fühlen sich verständlicherweise von der Aufgabe überfordert, nun auch noch zum Kommunikationsprofi werden zu müssen. Anders als in der Taxibranche aber ist die Digitalisierung in dieser neuen Lage nicht der Feind, sondern hält viele Instrumente und Möglichkeiten bereit, um Aufgaben zu erledigen, die vorher nur Mittelständler leisten konnten. Selbst ein Einzelkämpfer, der früher seinen Markteinstieg noch bei einem Franchise-Unternehmen begonnen hat, kann sich heute innerhalb kurzer Zeit Marktchancen verschaffen und mitmischen. Ohne Automatisierung lässt sich das Beackern des Vormarkts kaum bewältigen, wenn man keine eigene Marketingabteilung hat.

Akquise mit Strategie

Dank intelligenter Email-Marketing-Software wie Clever Reach, Get Response oder Mail Chimp aber schon. Aber auch immer mehr Hersteller von Makler-Software bieten Automatisierungsfunktionen, mit denen Geschäftsprozesse und Kommunikation gesteuert werden kann. Was für das Unternehmen letztendlich den Erfolg bringt, hängt stark davon ab, ob beim Akquirieren strategisch gehandelt wird. Wie immer ist die Mischung entscheidend. Nur digitale Methoden allein werden genauso wenig bringen wie das krampfhafte Festhalten an analogen Akquisemethoden. In meiner langjährigen Praxis als Berater bin ich vor allem der Sprunghaftigkeit vieler Kleinunternehmer begegnet. Verständlicherweise stehen viele kleine Immobilenmaklerbüros unter Druck, weswegen unter Verzicht jeglicher Strategie wild rumprobiert und oft voreilig aufgegeben wird. Kommen neue Akquiseinstrumente auf den Markt, wird alle Hoffnung genau in dieses Instrument gelegt und vernachlässigt, dass der Akquiseerfolg auch von vielen anderen Faktoren und einer ganzheitlichen Betrachtung abhängt.

Selbsternannte Online-Marketingexperten klopfen an der Bürotür und versprechen Aufträge oder zumindest Kontakte. Oft gelingt es ihnen auch, zumindest zeitweise Traffic auf eine Landingpage zu bringen. Betrachte ich den eingerichteten Facebook-Funnel dann etwas näher, fallen fundamentale Fehler auf: Nicht DSGVO-konform, keine bestätigte Erlaubnis zur Kontaktaufnahme, kein Double-Optin-Verfahren angewandt, i-Frames statt nativ installierter Leadmaschinen. Ja, es ist einfacher, bereits vorhandene Lösungen per Klick & Play in ein bestehendes System zu integrieren. Nachhaltig ist das aber nicht. Und es schafft neue Abhängigkeiten zu Dritten, statt die eigenen Akquisemittel zu stärken. Das perfekte Akquise-Rezept gibt es derzeit nicht. Auffällig ist aber, dass sich genau die Unternehmen bei angespannter Marktlage durchsetzen, die eine Strategie oder ein System verfolgen und sich nicht durch Trends von diesem Weg abbringen lassen. Sie sind omnipräsent im Vormarkt, spielen die komplette Klaviatur der Akquisefaktoren Ortsverbundenheit, Persönlichkeit, Expertise immer wieder aus und scheuen keine Anstrengungen, ihren Zielgruppen permanent nah zu sein. Digital wie analog. Eben crossmedial.

Foto: © a_talga / IVD