„Als Gutachter wird man ganz anders wahrgenommen“

15. April 2022


In der letzten AIZ-Ausgabe beschrieb Arne Pistoor die Vor- und Nachteile, zugleich Immobilienmakler und -verwalter zu sein. In dieser Ausgabe berichtet Olaf Jochberg über seine mehr als 30-jährige erfolgreiche Tätigkeit als öffentlich bestellter und vereidigter Gutachter, Makler und Verwalter in Bremen und welche Synergien sich aus dieser dreifachen Tätigkeit ergeben.

Interview von Adrian M. Darr

Wie hilft Ihnen Ihre Tätigkeit als Sachverständiger für Ihre Tätigkeit als Makler und Verwalter und umgekehrt? Welche Synergien ergeben sich?

Olaf Jochberg: Bei der Tätigkeit als Sachverständiger gibt es Kunden, beispielsweise institutionelle Kunden, die eine Immobilie erben und — um die Immobilie rechtssicher, auch dem Finanzamt gegenüber, in ihre Unterlagen aufnehmen zu können — wissen müssen, wie viel die geerbte Immobilie wert ist. Wenn wir dann das Gutachten erstellt haben und die Entscheidungen durch deren Gremien gelaufen sind, ob also die Immobilie in den Bestand kommt oder verkauft wird, kommt es ab und zu vor, dass man uns auch mit dem Verkauf der Immobilie beauftragt. Gleichzeitig hebt die Bezeichnung „öffentlich bestellter und vereidigter Gutachter auch das Renommee. Aussagen über eine Immobilie werden — meiner Erfahrung nach — ernster genommen, da einem ein höherer Sachverstand zugeschrieben wird. Man wirkt auf die Kunden glaubwürdiger.

Als Anekdote dazu: Wenn man sich als Makler zu einem Termin verspätet, beispielsweise wegen eines Staus oder ähnlichem, dann ist das oft eine Situation, gegen die der Makler sehr stark ankämpfen muss, denn von einem Makler erwartet man Pünktlichkeit. Beim Sachverständigen ist die Reaktion fast immer: „Schön, dass Sie es geschafft haben. Wir freuen uns, dass Sie da sind.“ Also als Gutachter wird man ganz anders wahrgenommen.

Als Verwalter sind Sie ja auch nah am Eigentümer. Sind Sie dadurch näher an der Wertschöpfungskette? Also generieren Sie hier auch Aufträge für die Makelei?

Ja, das ist völlig richtig. Allerdings ist es so, dass Sie als Makler darauf hinweisen sollten, dass Sie zum Beispiel bei einer Eigentumswohnanlage auch Verwalter sind. Das müssen Sie kenntlich machen, weil Sie als Verwalter die Eigentümergemeinschaft vertreten. Und jeder Eigentümer, der Sie beauftragt, ist Teil dieser Eigentümergemeinschaft. Hier kann es einen Interessenskonflikt geben, wenn Sie als Verwalter dem Kaufvertrag zustimmen müssen, den Sie als Makler selbst vermittelt haben. Gleichzeitig gehen Sie in Ihrer Doppelfunktion als Makler und Verwalter ein erhöhtes Risiko ein. Denn Sie haben eine wesentlich höhere Aufklärungspflicht. Kaufinteressenten müssen Sie über eventuelle Probleme in der Eigentümergemeinschaft informieren, wie beispielsweise Diskussionen, ob das Dach marode ist und erneuert werden muss, auch wenn darüber noch kein Beschluss vorliegt. Als Makler haben Sie davon oftmals gar keine Kenntnisse — als Verwalter natürlich schon.

Für die Hausverwaltung ist die Tätigkeit als Sachverständiger ebenfalls sinnvoll, wenn man bei Neuvermietungen die ortsübliche Vergleichsmiete ableiten und erörtern kann. Denn in Bremen haben wir bisher — in zwei Jahren wird das nicht mehr so sein — die Situation, dass wir keinen Mietpreisspiegel haben. Somit ist bei Neuvermietung aus dem Bestand die ortsübliche Vergleichsmiete eine wichtige Bezugsgröße.

Was ist die größte Herausforderung in Ihrer dreifachen Tätigkeit als Gutachter, Makler und Verwalter?

In der Gutachterei gibt es Herausforderungen, wenn es sich zum Beispiel um Gewerbeobjekte handelt, die nur für eine bestimmte Nutzung geeignet sind. Wenn beispielsweise bei Mietverträgen steuerliche Gesichtspunkte eingeflossen sind, dann muss dieser Vertrag mit marktüblichen Vereinbarungen abgeglichen werden. Für manche Sachverhalte gibt es keine Literatur. Selbst bei komplexen Objekten können Details wichtig werden. Bei mancher Beauftragung habe ich am Anfang noch gar keine Ahnung, wie ein Problem anzugehen ist. Das kann schon spannend sein.

Was ist denn Ihr Hauptstandbein? Sind Sie heute eher Gutachter, Makler oder Verwalter?

Also man kann sich nie von den anderen Bereichen frei machen. Unser Umsatzbringer Nummer eins ist aber die Gutachterei. Aber die Gutachterei macht mir auch Spaß, auch vor Gericht. Am Anfang meiner Tätigkeit als Gutachter hatte ich mit vielleicht zehn Gutachten im Jahr gerechnet. Aber das hatte sich sehr schnell verselbständigt, so dass ich im ersten Jahr 30/40 Gutachten erstellt habe, ohne irgendeine Werbung dafür gemacht zu haben. Dadurch ist die Gutachterei unser Haupttätigkeitsfeld geworden. Regelmäßig erstellen wir 80 bis 140 Gutachten im Jahr, natürlich abhängig von der Größe der Immobilien. Demgegenüber musste die Maklerei etwas zurücktreten. Also hier überlegen wir uns genau, welches Objekt für uns rentabel ist, sodass wir etwa zehn bis 20 Immobilien im Jahr vermitteln. Die Hausverwaltung hatte damals angefangen, indem wir ein kleines Anlageobjekt verkauft hatten. Der neue Eigentümer sagte zu mir: „Jetzt zeig uns, dass deine Entwicklungsprognose auch stimmt!“, und bat mich, das Mehrfamilienhaus zu verwalten.

 

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Eule

Sie haben damals also mit einem Objekt in der Verwaltung angefangen? Würden Sie sagen, dass das heute auch noch so möglich wäre?

Nein. Das war auch damals eigentlich nicht möglich. Bei mir war das ein Glücksfall, dass ich, bevor ich als Makler allein tätig wurde, in einem anderen Unternehmen arbeitete und von da das Know-how des Verwalters mitbrachte. Und aus diesem Unternehmen kam die Mitarbeiterin auf mich zu, die dort für die Hausverwaltung verantwortlich war, weil sie einen neuen Job suchte. Die brachte also auch das nötige Know-how mit.

Auch die nötige Software war damals noch relativ günstig. Das ist so heute nicht mehr möglich. Wer heute als Verwalter tätig werden möchte, müsste eine Firma mit einem Umsatz von — ich würde sagen — 100.000 Euro übernehmen, wo die nötigen Strukturen vorhanden und die Daten gut gepflegt sind. Damit wird man vermutlich auch nicht reich, aber man kann damit anfangen.

Was würden Maklern oder Verwaltern raten, die auch Gutachter werden wollen?

Wer öffentlich bestellter Gutachter werden möchte, dessen Qualifikation wird ja geprüft. Das ist schon eine Prüfung, bei der man sich mit der Gutachterei sehr gut auskennen muss. Durch Verteidigung des eigenen Gutachtens wird simuliert, wie man möglicherweise vor Gericht auftritt, denn als Gutachter muss man vor Gericht nachvollziehbar vortragen können.

Kriterien für die Tätigkeit als Gutachter sind: fünf bis zehn Jahre Berufserfahrung sowohl in Gutachterei, als auch Maklerei und Hausverwaltung; ebenfalls empfehle ich bei der Deutschen Immobilien Akademie (DIA) oder bei der Europäischen Immobilienakademie (EIA) berufsbegleitend den Abschluss zum Diplom Sachverständigen zu machen. Denn ich denke, es ist wichtig, dass man mal mit allem konfrontiert wurde, also auch den theoretischen Ansätzen, und damit umzugehen weiß.

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