Antje Tillmann: „Leistungsträger unserer Gesellschaft dürfen nicht ständig weiter belastet werden“

29. März 2019


Die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillman, spricht im AIZ-Interview über die Koalition mit der SPD und Maßnahmen, die die Bundesregierung ergreifen will, um Immobilieneigentümer und -käufer weiter zu entlasten.

Interview von Heiko Senebald

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AIZ: Geht die SPD mit ihrem Linksruck auf Konfrontationskurs mit ihrem Koalitionspartner CDU/CSU?

Antje Tillmann: Das sehe ich nicht so. Seine eigene Position zu benennen, ist Voraussetzung für einen Kompromiss. Der Bürger braucht auch Informationen über die Meinung der einzelnen Parteien.

Was halten Sie von den SPD-Reformplänen?

Mit dem zum Jahresbeginn in Kraft getretenen Rentenpaket haben wir bereits Verbesserungen für Rentnerinnen und Rentner erreicht. So haben wir die Mütterrente für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren worden sind, um einen halben Rentenpunkt erhöht. Zudem haben wir Verbesserungen für krankheitsbedingte Frührentner geschaffen und eine doppelte Haltelinie für Rentenniveau und Beitragssatz eingeführt. Geringverdiener werden bei den Sozialabgaben ohne Einbußen beim Rentenanspruch entlastet.

Die Rentenkommission soll bis März 2020 einen Bericht vorlegen, wie sowohl die Beiträge als auch das Rentenniveau auch nach 2025 stabil gehalten werden können.

Darüber hinaus haben wir mit der SPD eine Grundrente verabredet, die Rentnern mit niedrigen Einnahmen helfen soll: Mit der Grundrente wollen wir konkret Menschen helfen, die mindestens 35 Jahre an Beitragszeiten zur Rentenversicherung oder Zeiten der Kindererziehung bzw. Pflegezeiten aufweisen. Wir waren uns in den Koalitionsverhandlungen einig: Es soll zielgenau den Menschen geholfen werden, die trotz längerer Erwerbstätigkeit im Alter auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.

Diese Grundrente muss auch von künftigen Generationen bezahlbar sein. Das ist das von der SPD vorgestellte Konzept nicht. Wir haben bereits heute einen Anteil im Bundeshaushalt an Sozialausgaben in den Primärausgaben von 56 Prozent im Jahr 2019 und 57 Prozent im Jahr 2020. Dieser Anteil ist nicht unbegrenzt steigerbar.

Bei der ganzen Diskussion kommt die Mitte der Gesellschaft zu kurz. Wie kann sie entlastet werden?

Wir entlasten die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler schon jetzt. Wir haben zum 1. Januar mit dem Familienentlastungsgesetz den Grundfreibetrag und den Kinderfreibetrag erhöht und heben das Kindergeld in diesem Jahr um 10 Euro pro Monat und Kind an. 2021 erhöhen wir das Kindergeld nochmals um 15 Euro. In diesem Jahr spüren die Menschen in ihren Geldbeuteln eine Entlastung von 4 Mrd. Euro, die im nächsten Jahr auf jährlich 10 Mrd. Euro steigt.

Ganz besonders kann die Mitte der Gesellschaft aber durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlages entlastet werden. 90 % der Solidaritätszuschlag-Zahler werden dann um 5,5 % entlastet, in absoluten Zahlen eine Entlastung um weitere 10 Mrd. Euro im Jahr. Unser Ziel bleibt die komplette Abschaffung. Deshalb halte ich es für wichtig, auch den zweiten Schritt, den Abbaupfad zur kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlags im selben Gesetzgebungsverfahren verbindlich zu regeln. Wir werden das intensiv mit dem Koalitionspartner beraten.

Auch müssen wir uns dem Tarifverlauf widmen. Beim starken Anstieg der Steuerbelastung im unteren Bereich — dem sogennanten Mittelstandsbauch — muss der Tarifverlauf deutlich gestreckt werden. Leider ist der Koalitionspartner zu Veränderungen nur bereit, wenn gleichzeitig der Spitzensteuersatz angehoben wird. Das ist mit uns nicht zu machen.

Die SPD-Sozialstaatsreform soll mit höheren Steuern für „Reiche“ finanziert werden. Aber wer sind die „Reichen“? Und ist das gerecht?

Leistungsträger unserer Gesellschaft dürfen nicht ständig weiter belastet werden. Die oberen 20 Prozent (Einkommen über 57.000 Euro) tragen bereits heute zu mehr als 70 % des gesamten Haushaltsaufkommens bei. Das sind aber offensichtlich nicht wirklich Reiche, sondern Tarifangestellte der oberen Vergütungsstufen. Wir wollen den Spitzensteuersatz deshalb künftig erst bei einem zu versteuernden Einkommen von 60.000 Euro ansetzen lassen. Ob das in das Gerechtigkeitsgefüge der SPD passt, ist noch nicht klar.

Was kommt nach dem Baukindergeld? Gibt es schon Konzepte, wie Wohneigentum dauerhaft gefördert werden kann?

Mit dem Baukindergeld haben wir einen wichtigen Schritt getan, um gerade Familien den Weg in Wohneigentum zu erleichtern. Wir wollen daneben zusätzlich die Vermögensbildung gerade in jungen Jahren anregen. Deshalb werden wir die Wohnungsbauprämie als Anreizinstrument weiter verbessern und attraktiver gestalten. Dazu wollen wir die Einkommensgrenzen an die allgemeine Einkommens- und Preisentwicklung anpassen und den Prämiensatz erhöhen. Denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass diese Form des Sparens gerade von jungen Leuten verstärkt genutzt wurde.

Langfristig ist die Anhebung der Normal-AfA von 2 auf 3 Prozent die bessere Motivation für Investoren als zeitlich befristete Sondermaßnahmen, weil dadurch die Bauindustrie ihre Kapazitäten geordnet aufbauen kann und es nicht zu Preissteigerungen aufgrund von Einmaleffekten kommt.

Wann wird das KfW-Bürgschaftsprogramm kommen und wie könnte es aussehen?

Ziel ist, mit dieser Bürgschaft einen Teil des Kaufpreises bzw. der Baukosten selbstgenutzten Wohneigentums abzusichern. Dadurch kann das beim Erwerb notwendige Eigenkapital gesenkt werden. Die Bürgschaft soll für 20 Jahre gelten.

Um das Thema voranzubringen, hat sich die Fraktion kürzlich an den Finanzminister, den Wirtschaftsminister und den Bauminister gewandt, da eine Änderung der KfW-Verordnung notwendig wäre. Antworten stehen hier noch aus. Wir wollen es auf jeden Fall in dieser Legislaturperiode umsetzen.

Im Koalitionsvertrag steht, dass Freibeiträge bei der Grunderwerbsteuer geprüft werden sollen. Wann wird das passieren?

Die Ertragshoheit der Grunderwerbsteuer liegt bei den Ländern. Wir sind daher auf eine Zustimmung der Länder angewiesen. Wir wollen für Familien beim erstmaligen Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums Freibeträge einführen. Zeitlich stehen die Arbeiten im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Vermeidung von missbräuchlichen Share Deals. Die daraus gewonnenen Mehreinnahmen sollen zur Gegenfinanzierung genutzt werden. Allerdings kann ich derzeit nicht erkennen, wann das Bundesministerium der Finanzen hier mit Vorschlägen kommen wird.

Zum Thema „Reform der Grundsteuer“: Wie steht die Union zu dem Kompromissmodell?

Es gibt noch keinen Kompromiss. Es gibt einen Vorschlag des Bundesfinanzministers, der aus unserer Sicht bürokratischer ist, als es erforderlich wäre. In einem ersten Aufschlag ist es uns gelungen, wenigstens das Nebeneinander von Listenmiete und tatsächlichen Mieten zu verhindern. Wir wollen weitere Vereinfachungen, zum Beispiel beim Altersabschlag oder im Hinblick auf einen einzigen Bodenrichtwert für größere Zonen. Beim Sachwertverfahren ist der Entwurf leider noch so vage, dass wir ihn noch nicht richtig überprüfen können. Es ist daher zwingend, dass jetzt bald konkreter beraten werden kann.

Wir haben immer klar gemacht, dass wir ein bürokratiearmes, einfaches Verfahren wollen, das das Aufkommen sichert, große Belastungsverschiebungen im Einzelnen verhindert und das Hebesatzrecht der Kommunen nicht in Frage stellt. Das sind unsere Leitlinien, an denen wir verhandeln. Entsprechend können wir uns ein modifiziertes Flächenmodell gut vorstellen.

Was wird aus der Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau?

Der Deutsche Bundestag hat die befristete Sonderabschreibung in Höhe von jährlich 5 Prozent am 29. November 2018 beschlossen. Nunmehr sind die Bundesländer im Bundesrat am Zug, ihren Beitrag zu leisten und die gemeinsamen Vereinbarungen aus dem Wohngipfel umzusetzen. Wir erwarten, dass der Bundesrat das Vorhaben bald auf die Tagesordnung setzt und zustimmt. Viele Investoren warten mit ihren bereits in Planung befindlichen Vorhaben auf diese Abschreibung.

Hält die Koalition über die Europa- und Kommunalwahlen hinaus?

Daran habe ich keinen Zweifel.

 

Foto: © Antje Tillmann