Arbeit samt Mietvertrag vom neuen Chef

15. September 2017


In Ballungsregionen mit hohen Mieten haben es Unternehmen schwer, Fachkräfte und Azubis zu gewinnen. Die ersten Firmen steuern dagegen und errichten Werkswohnungen für ihre Mitarbeiter.

Von Susanne Trösser

Betriebswohnungen haben in Deutschland eine lange Tradition. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts errichteten vor allem Industriebetriebe wie Alfred Krupp Mietshäuser für tausende Arbeiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg bauten Konzerne wie Volkswagen oder Die Bahn Wohnungen für ihre Betriebsangehörigen. Seit den 1980er Jahren trennten sich die meisten Unternehmen von ihrem Bestand. Es wurde damit argumentiert, dass zum einen der Wohnungsmarkt entspannt sei und zweitens Firmen sich auf ihre Kernbereiche konzentrieren sollten. Das Bereitstellen von Wohnraum gehöre nicht dazu. Zwischen 2001 und 2008 verkaufte alleine der Chemiekonzern Bayer über 5.000 Wohnungen.
Seit wenigen Jahren findet aber in den Köpfen einiger Firmenlenker ein Umdenkungsprozess statt. In Ballungsregionen mit hohen Immobilienkosten kann es ein Alleinstellungsmerkmal für die Gewinnung von Mitarbeitern und Auszubildenden sein, neben dem Arbeits- auch einen Mietvertrag zu bieten. Dabei prescht ausgerechnet ein Digitalkonzern, nämlich Facebook, vor. Das Unternehmen plant für seine Beschäftigten in Kalifornien eine Siedlung mit 1.500 Wohnungen.

Auch die deutschen Firmen sind wieder aktiv. In München wollen die Stadtwerke in den nächsten Jahren 550 Werkswohnungen errichten. Die Stadtwerke Köln mit einem Bestand von 1.844 Einheiten bauen gerade 60 Neubauwohnungen. Die Bayerische Hausbau will bis Anfang 2020 in München 30 Werkswohnungen bauen. Die Hannoverschen Verkehrsbetriebe investieren ebenfalls in Betriebswohnungen.

Besonders interessant ist diese Wohnform auf Grundstücken, die den Firmen gehören, aber nicht (mehr) benötigt werden. So entfallen Baulandkosten. Oft verfügen kommunale Gesellschaften, wie Verkehrsbetriebe über solche Areale. Zu prüfen ist, ob auf diesen Gewerbegrundstücken der Bebauungsplan Wohnungsbau erlaubt. Die Unternehmen sollten jedoch bedenken, dass sich die Ansprüche der Mitarbeiter geändert haben: Diese wollen nicht unbedingt mit Blick auf ihre Produktionshalle wohnen. Es reicht, wenn ihr Arbeitsort per Fuß oder ÖPNV erreichbar ist.
Steuerliche Besonderheiten bei Mitarbeiterwohnungen und deren Miethöhe

Unternehmen, die in den Wohnungsbau investieren, können ihre Ausgaben ebenso wie private Investoren steuerlich geltend machen. „Das heißt, Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit mindestens zwei Prozent per anno ansetzen“, erläutert Steuerberater Markus Chriske aus Köln. Ferner können Finanzierungs- und laufende Kosten sowie Instandhaltungsarbeiten steuerlich angerechnet werden. Je nach Fall (Beitragsbemessungsgrenze des Arbeitnehmers) ist zu prüfen, ob Arbeitgeber und Angestellter besser fahren, wenn der Chef die Wohnung kostenfrei zur Verfügung stellt oder seinem Mitarbeiter die Bleibe zu einer günstigen Miete überlässt.

Der gegebenenfalls entstehende geldwerte Vorteil orientiert sich an der ortsüblichen Miete. Ist hierbei eine Spanne angegeben, muss nicht der Mittelwert, sondern kann die günstigste Miete verlangt werden. Ändert sich der Mietspiegel, müsse möglicherweise die Miete angepasst werden, so Chriske.

Eine Besonderheit gilt, wenn der Vermieter nicht nur an Beschäftigte, sondern in ähnlichem Umfang weitere Wohneinheiten — zu einer höheren Miete — an Firmenfremde vergibt. Dann kann der Rabatt-Freibetrag (1.080 Euro) angewendet werden. Dabei orientiert sich der geldwerte Vorteil der Mitarbeiterwohnung nicht an der ortsüblichen Miete, sondern an 96 Prozent der Kaltmiete, die die Betriebsfremden entrichten. Geldwerter Vorteil ist dann der Betrag pro Jahr, der 1.080 Euro übersteigt.

Für Werkswohnungen gelten außerdem Besonderheiten beim Kündigungsrecht. So darf der Arbeitgeber zum Ende des Arbeitsverhältnisses auch die Wohnung kündigen. Generell kann er den Mietvertrag bis zum dritten eines Monats mit Wirkung zum Ende des übernächsten Monats aufheben. Bei Wohnungen, die wegen ihrer besonderen Lage zum Dienstort für einen Nachfolger benötigt werden, auch zum Ende des laufenden Monats. Gerade Arbeitgeber mit einem großen Wohnungsbestand ermöglichen es ihren Arbeitnehmern auch als Rentner in der Werkswohnung zu bleiben.