Arbeitgeber muss System zur Arbeitszeiterfassung schaffen

14. März 2023


Im Jahr 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Entscheidung zur Arbeitszeiterfassung getroffen, die bei vielen Arbeitgebern und Arbeitnehmern für Verwirrung sorgt. Der EuGH urteilte, dass Unternehmen die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter mithilfe eines Systems erfassen müssen. Hinsichtlich des Systems machte das Gericht nur vage Vorgaben. Es müsse objektiv, verlässlich und zugänglich sein. Keine Angaben machte der EuGH zu der Frage, bis wann die Mitgliedstaaten der EU dieses Urteil in nationales Recht überführen müssen. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb der deutsche Gesetzgeber das Thema bisher auch nicht angegangen ist. Ein Stück weit ist dem Gesetzgeber nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) zuvorgekommen.

Von Dr. Christian Osthus

Das „Wie“ bleibt offen

Das BAG sieht nun eine Pflicht zur Zeiterfassung über die Überstunden und sonstige Fälle hinaus (vgl. § 16 Absatz 2 Arbeitszeitgesetz), die bisher genau geregelt sind. Das BAG stützt sich bei seiner Entscheidung vom 13. September 2022, deren Begründung seit dem 3. Dezember 2022 vorliegt, auf § 3 Absatz 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz. Dieses sieht vor, dass der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung von Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten bei der Arbeit für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen hat. Dabei hat er sich an der Art der Tätigkeiten und der Anzahl seiner Beschäftigten zu orientieren.

Im Kern fordert das BAG zum Schutz der Arbeitnehmer eine tatsächliche Aufzeichnungspflicht mithilfe eines Zeiterfassungssystems. Dabei muss es nicht unbedingt ein elektronisches System sein, das vom Arbeitgeber vorgehalten werden muss. Der EuGH stellte insoweit die Objektivität und Verlässlichkeit heraus, was letztlich auch eine Aufzeichnung auf Papier bedeuten kann. Eine Excel-Tabelle dürfte wegen der Möglichkeit der Manipulation durch die Beteiligten oder — freundlich ausgedrückt — wegen der Veränderbarkeit der Daten mit dem Kriterium der Verlässlichkeit nicht vereinbar sein. Wird aus der Excel-Datei aber regelmäßig ein unveränderbares PDF hergestellt, dann sollte das Kriterium der Verlässlichkeit gewahrt sein. In Betracht kommt aber auch einfach eine Tabelle auf Papier, solange die Daten nicht verändert werden können.

Mögliche Systeme:

  • Elektronisches Zeiterfassungssystem
  • Excel-Tabelle mit regelmäßiger Speicherung als unveränderbares PDF
  • Handschriftlich ausgefüllte Tabelle (Bleistift eher ungeeignet)

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber die Erfassung auf die Arbeitnehmer delegieren. Wichtig bei alledem ist, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich auf ein System und eine Vorgehensweise verständigen, insbesondere solange noch keine gesetzliche Regelung besteht.

Vertrauensarbeitszeit nicht gefährdet

Kritiker der Entscheidung sehen dabei die Vertrauensarbeitszeit in Gefahr. Doch so muss es nicht kommen, wenn man unter Vertrauensarbeitszeit versteht, dass Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten eigenverantwortlich planen und dafür sorgen, das mit ihrem Arbeitgeber vereinbarte Zeitvolumen tatsächlich zu erfüllen. Die Flexibilität der Vertrauensarbeitszeit bleibt damit bestehen, aber das Vertrauen wird um eine Dokumentation der Arbeitszeit ergänzt. Für viele Arbeitgeber, die nichts dagegen haben, wenn Arbeitnehmer zur Erreichung ihrer persönlichen Ziele auch eine hohe Bereitschaft zu Überstunden haben, dürfte das ziemlich euphemistisch klingen.

Ministerium will Vorschlag für Zeiterfassung machen

Trotz der vom BAG geschaffenen Klarheit ist es notwendig, dass der Gesetzgeber nun tätig wird. Das liegt daran, dass die Entscheidungen des EuGH und des BAG noch einen Interpretationsspielraum zur konkreten Arbeitszeitdokumentation lassen, etwa zu Veränderbarkeit der Daten. Diesen muss der Gesetzgeber nun so weit wie möglich klären, um für alle Beteiligten Rechtssicherheit zu gewähren. Im ersten Quartal 2023 wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach eigenen Angaben einen praxistauglichen Vorschlag für die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz machen. Dennoch sollten Arbeitgeber bereits heute damit anfangen, entsprechende Vorkehrungen zu treffen beziehungsweise eine Arbeitszeiterfassung zu organisieren.

Eine solche Zeiterfassung ist im Übrigen nur für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse notwendig. Handelsvertreter oder freie Mitarbeiter, wie sie oft in Immobilienbüros vorzufinden sind, sind hiervon ausgenommen.

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