Arbeitskräfte aus der Crowd

21. Dezember 2017


Im Zuge der Digitalisierung verändert sich unsere alltägliche Arbeit in zunehmendem Maße und lässt darüber hinaus neue Geschäftsmodelle sowie Formen digitaler Arbeit entstehen. Als eine besondere Form von Arbeit ist Crowd Work in der Schnittmenge von digitaler und bezahlter Arbeit angesiedelt.

Von Jan Marco Leimeister

Crowd Work umfasst eine Form der digitalen Erwerbsarbeit, welche einerseits auf dem Crowdsourcing-Konzept basiert und andererseits unter signifikantem Einsatz digitaler Werkzeuge verrichtet wird. Hierbei erstellt eine undefinierte Menge von Mitwirkenden (sogenannte „Crowd Worker“) digitale Güter ausgehend von einem offenen Aufruf. Die Arbeit findet dabei auf IT-basierten Plattformen statt. Durch die zunehmende Vernetzung interner und externer Prozesse, haben sich in der Praxis verschiedene Spielarten von Crowd Work herausgebildet. Grundsätzlich wird zwischen der externen und der internen Crowd Work unterschieden. Vereinzelt haben sich zuletzt auch ein paar hybride Formen etabliert, bei denen externe und interne Crowd über eine gemeinsame Plattform gesteuert werden.

Für die Mehrheit ist das Arbeiten in der externen Crowd ein Nebenverdienst

Im Rahmen der externen Crowd Work besteht die Crowd aus beliebigen Individuen, welche nicht mit dem Unternehmen in Verbindung stehen müssen. Es handelt sich somit primär um unternehmensexterne Personen, weshalb theoretisch jeder mit einem Internetanschluss und einem Computer als externer Crowd Worker tätig werden kann. Als Beispiel dient hierbei die Plattform Testbirds.de, auf der über 250.000 externe Crowd Worker als Tester für diverse Software oder Apps agieren. So haben große Unternehmen wie Audi, DHL oder Henkel bereits verschiedene Anwendungen von der externen Crowd bei Testbirds.de testen lassen. Aus Sicht der externen Crowd Worker ist das Arbeiten in der Crowd primär eine zusätzliche Einnahmequelle. Dies ist ein Grund dafür, weshalb immer mehr Menschen die unterschiedlichsten Aufgaben in der Crowd erledigen und somit neben- oder hauptberuflich als Crowd Worker agieren. Im Rahmen des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekts „Crowd Work — Arbeiten in der Wolke“ konnten wir erste Daten zur Verteilung der Crowd Worker in Deutschland erheben. Demnach ist das Arbeiten in der externen Crowd für die Mehrheit der Befragten ein Nebenverdienst (79 Prozent), während es für immerhin 21 Prozent die Haupteinnahmequelle darstellt. Das effektive Einkommen unterscheidet sich hingegen deutlich. Während die nebenberuflichen Crowd Worker im Schnitt ca. 326€ im Monat verdienen, nehmen die Hauptberuflichen durchschnittlich 1.503€ im Monat mit der Arbeit in der Crowd ein. Gute Verdienstmöglichkeiten haben in diesem Zusammenhang insbesondere spezialisierte sowie erfahrene Crowd Worker. Darüber hinaus profitieren die externen Crowd Worker von einer höheren Selbstbestimmung durch Selbstselektion in Bezug auf die ausgeschriebenen Aufgaben. Jeder Crowd Worker kann seine Aufträge frei wählen und selbst bestimmen, in welcher Reihenfolge er diese erledigt. Zudem ergeben sich neue Freiräume dadurch, dass der Crowd Worker selbst entscheidet, an welchem Ort und zu welcher Zeit er die Aufgaben bearbeitet. Hieraus resultiert eine gewisse Autonomie sowie Flexibilität in der Gestaltung der eigenen Arbeit.

Interne Crowd Work bringt mehr Abwechslung in den Job

Im Gegensatz dazu fungiert bei interner Crowd Work die unternehmensinterne Belegschaft als Crowd. Hierbei kann quasi jeder Mitarbeiter eines Unternehmens unterschiedliche Aufgaben über eine IT-Plattform wahrnehmen. Im Rahmen der internen Crowd Work profitieren die Mitarbeiter (agieren als interne Crowd Worker) zunächst von den neuen Beschäftigungsmöglichkeiten durch die Bearbeitung unterschiedlichster Aufgaben und können so mehr Abwechslung im Job erfahren. Ein weiterer Vorteil entsteht durch ein kollaboratives Verhalten der internen Belegschaft. Hierbei arbeiten die Mitarbeiter im Kollektiv an einem oder mehreren Projekten über eine unternehmensinterne Plattform und verfolgen somit ein gemeinsames Ziel abseits der eigenen Kerntätigkeiten. Diese neuen Möglichkeiten interner Crowd Work können positive Effekte auf das Selbstvertrauen der Mitarbeiter haben und darüber hinaus zu mehr Eigenverantwortung führen.
Der Chemiekonzern Evonik hat beispielsweise eine interne Crowd Work-Initiative zur Generierung von Ideen implementiert. Hierbei wurden die Mitarbeiter aufgerufen, Ideen auf eine interne Plattform zu stellen, wobei die besten Vorschläge in konkrete Projekte umgewandelt wurden. Insgesamt haben bei dieser internen Crowd Work-Initiative 219 Mitarbeiter 78 Ideen zu 5 vorgegebenen Themengebieten eingereicht.

Abschließend bleibt jedoch festzuhalten, dass interne und externe Crowd Work jeweils sowohl für Crowd Worker als auch für Crowdsourcer gewisse Chancen und Risiken birgt. Insgesamt existiert jedoch noch viel Forschungsbedarf, insbesondere auf Ebene des arbeitenden Individuums, um letztlich eine gute Arbeit in der Crowd gestalten zu können.