„Auf lange Sicht können wir nur gemeinsam erfolgreich sein.“

7. Dezember 2022


Durch die veränderte Lage an vielen Immobilienmärkten in Deutschland ist die Vertriebsarbeit anspruchsvoller geworden. Vor allem im Neubaugeschäft entstehen neue Herausforderungen. Die Immobilienunternehmerin Bärbel Falkenberg-Bahr aus Holzgerlingen (Kreis Böblingen) erklärt im AIZ-Interview, warum gerade beim Neubauvertrieb Gemeinschaftsgeschäfte und Partnerschaften mit Kollegen wichtig geworden sind.

Interview von Hans-Peter Koschwitz

AIZ: Bei Hybridmaklern wie Homeday und McMakler sind als Folgen der Marktwende gerade viele Makler entlassen worden. Bei Ihnen ist es gerade anders herum: Sie könnten viel mehr Vertriebspower gebrauchen und arbeiten mit Kollegen bundesweit zusammen. Woran liegt das?

Bärbel Falkenberg-Bahr: Deutschlandweit gibt es aktuell den Trend, dass mehr Immobilien an den Markt kommen. Das ist bei uns auch nicht anders. Im Gegenteil: Es ist extrem. Wenn eine Unternehmensgruppe wie unsere jahrzehntelang gute Arbeit gemacht hat, dann steigt in einer Phase, in der viele Immobilien in den Markt gebracht
werden, unser Workload gewaltig. Viele, vor allem ältere Eigentümer, die noch vor einigen Monaten gezögert haben, beauftragen uns gerade mit dem Vertrieb von Bestandsimmobilien. Dazu kommt aber, dass wir in den letzten Jahren erfolgreich Grundstücke eingekauft und die Flächen in Bauprojekte konvertiert haben. Aus diesem Grund vertreiben wir gerade circa 200 fertige Neubau-Einheiten und haben momentan noch 500 Einheiten im Bau. Diese und zusätzlich die Bestandsimmobilien müssen alle bearbeitet werden. Und es ist viel mehr Expertise gefragt: Die Welt ist im Bauträgervertrieb komplexer geworden. Gerade in Zeiten wie diesen, wo in der Presse viel Verunsicherung und Ängste gestreut werden und ein Neubau ESG-Normen und einer Vielzahl von Verwaltungsvorschriften ausgesetzt ist, müssen unsere Vertriebsmitarbeiter viel mehr beraten und Verunsicherungen auflösen. Die Kommunikationszeiten sind als Folge massiv angestiegen.

Die Presse spricht abwechselnd von massiven Preisnachlässen und am nächsten Tag von Kaufpreissteige-
rungen. Verwirrt das die Nachfrager?

Ja, weil die Zahlen oft auch nicht stimmen oder nicht belegt werden. Was mich in der aktuellen Debatte um Neubauimmobilien stört, ist, dass immer von den massiv gestiegenen Immobilienpreisen gesprochen wird. Viele lassen aber außer acht, dass es beim Neubau auch um mindestens 35 bis 40 Prozent mehr Leistung geht. An
Immobilien werden mehr Anforderungen gestellt: Klimaschutzmaßnahmen, neue Technik, gestiegene Kundenanforderungen. Kein Produkt hat sich in dieser Form so sehr verändert

Liegt momentan nicht auch gerade eine große Chance im Wohnungsneubau, weil man beim Bau die Heizsysteme — beispielsweise Luftwärmepumpe — schon berücksichtigen kann, sodass man dann nicht mehr in der Abhängigkeit fossiler Brennstoffe ist?

Ja, natürlich. Aber die perfekte Lösung gibt es da auch nicht, denn die propagierte Luft-Wärme-Pumpe ist nur dann sinnvoll, wenn sie mit einer Photovoltaik-Anlage und Speicher kombiniert wird. Fehlen diese Bausteine, entsteht Abhängigkeit zum Strompreis, der ja ebenfalls steigt, wie wir in den letzten Wochen gelernt haben. Es gibt aber auch viele profanere Herausforderungen, an die kaum gedacht wird, zum Beispiel, dass die KW-Leistung in der Straße nicht ausreichend sind. Der Trend zum SUV zum Beispiel. Es gibt immer mehr und größere Autos. Das heißt, du musst die Tiefgaragen größer machen, was die Kosten einerseits erhöht, aber auf ein Bedürfnis der Käufergruppen zurückzuführen ist. Es steckt — von vielen unbemerkt — viel mehr Anforderung in den Leistungsbeschreibungen.

Wenn Ihr eigener Vertrieb personell an die Grenzen kommt, sind Gemeinschaftsgeschäfte mit Kollegen also eine Ventil? 

Ja, denn wenn wir beispielsweise ein Mehrfamilienhaus in einer strukturstarken Region wie unserer bauen, ist das für Investoren und Vermieter hochattraktiv. Wir sind hier im direkten Umfeld von den Hauptsitzen von Daimler, Porsche, Bosch, IBM mit ihrem neuen Quantencomputer und vielen anderen innovativen Unternehmen mit großem Wachstum, die auch eine prognostizierte Rezession überstehen werden und bereits an der Energiewende aktiv mitwirken. Das ist für einen Investor in Hamburg genau so interessant wie für ein Family Office oder große Bestandshalter in München und Berlin. Wir rechnen damit, dass die Mieten im Raum Stuttgart auch in den kommenden Jahren deutlich steigen werden und neuer Wohnraum wie unserer, der bereits energie-effizient gebaut wurde, hochattraktiv ist, weil die Nebenkosten dort deutlich niedriger ausfallen werden als im Bestand. Wenn sich Käufer vom Eigenheim ab- und den Mietmärkten zuwenden, wandelt sich der Markt von einem Selbstnutzer- zum Kapitalanlegervertrieb.

Das heißt, der Druck auf den Immobilienmärkten wird weiter steigen?

Klar, wir wollen nicht vergessen: Die Bundesregierung möchte, dass jährlich 400.000 neue Wohnungen gebaut werden — ein Bedarf, der für Deutschland ermittelt wurde und der nach wie vor da ist. Anderseits aber werden die energetischen Vorgaben für Neubau verschärft und gleichzeitig die KfW-Förderprogramme gestoppt. Dadurch ist bei vielen Bauträgern die Situation entstanden, dass sie zwar Baugenehmigungen haben, sie den Bau aber im Moment zurückstellen.

Sie aber bauen weiter. Wie geht das?

Ja, genau, wir haben gebaut und wir bauen — nachhaltig und in einer wirtschaftlich starken Region möchte ich betonen. Und diese Immobilien müssen vertrieben werden. Da ist natürlich die Kommunikation gefordert.

Wie wichtig ist für Sie unter der veränderten Marktlage die Zusammenarbeit mit Maklerkollegen?

Mal ein Beispiel: In den USA setzen Immobilienmakler schon lange auf Multi-Listing-Services (MLS), in denen Makler beim Vertrieb von Immobilien zusammenarbeiten. In Deutschland konnte sich das aus unterschiedlichen Gründen — die Märkte sind wie sie sind, die Rechtslage ist wie sie ist — noch nicht etablieren. Also Gemeinschaftsgeschäfte, die Zusammenarbeit der Makler ist viel selbstverständlicher als bei uns. In unserem Fall ist die Situation zwar etwas anders, weil es nicht um „von Makler zu Makler“ geht. Sondern als Bauträger sind wir in diesem Fall quasi der Auftraggeber. Das ist ein anderes Vertragsverhältnis. Da sich — wie schon gesagt — der Selbstnutzer- zum Kapitalanlegervertrieb wandelt, war unser erster Gedanke, dass wir bundesweit andere Maklerkollegen mit ins Boot holen. Dazu will ich sagen, während wir auch die Vermietung mit übernehmen, setzen wir bei der Verwaltung auf die Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern. Aber um die Frage zu beantworten: Die Zusammenarbeit mit Maklerkollegen halte ich für sehr wichtig. Eine Renaissance des Gemeinschaftsgeschäfts würde ich sehr positiv sehen. In den letzten Jahren hat das kaum einer gemacht. Vor allem im Neubau sehe ich Chancen für eine Renaissance des Gemeinschaftsgeschäfts. Unsere Branche, also von Maklern wie auch Bauträgern, sieht sich ständig neuen Herausforderungen gegenüber. Ob das jetzt sich verändernde Märkte sind oder ein schwierigeres regulatorisches Umfeld. Von daher denke ich, dass wir auf lange Sicht nur gemeinsam erfolgreich sein können.

Foto: © Bärbel Falkenberg-Bahr