Aus der Reihe tanzen lohnt sich

10. April 2018


Wer heute im Gedächtnis bleiben möchte, der muss auffallen. Doch wie kann das gelingen? Laut Christian Artopé, Geschäftsführer der Marketingagentur GUD.berlin und Mitverantwortlicher der BVG-Kampagne „weil wir dich lieben“, basiert erfolgreiche Markenbildung vor allem auf Authentizität und Persönlichkeit. Entscheidend für den Erfolg einer Marke ist auch der regelmäßige Austausch mit den Kunden, denn diese bestimmen die Marke mit.

Interview von Julia Ceitlina

Wie schafft man es als Kleinunternehmer zu einer lokalen Marke zu werden?

Christian Artopé: Ich glaube nicht, dass die Unterscheidung zwischen Klein-, Mittel- oder Großunternehmer entscheidend ist, was eine Marke ausmacht. Es ist tatsächlich die Stimme der Menschen, die dahinter stehen und die Produkte oder Dienstleistungen. Deswegen ist jeder Kleinunternehmer, auch wenn es nur eine Person ist, per se eine Marke, solange er oder sie authentisch ist.  Sowie, und das ist neu: die Kunden, die sich mit der Marke beschäftigen, sie nutzen. Sie sind elementarer Teil jeder modern geführten Marke.

Kann man Marken tatsächlich immer wieder neu erfinden?
Innovation bedeutet, nicht immer den klassischen, ausgetretenen Wegen zu folgen, sondern sich zu hinterfragen und mutig zu sein, neue Wege zu gehen und bereit sein, Fehler machen zu können. Innovation ist vor allem immer dann sinnvoll und erfolgreich, wenn ich etwas nicht alleine mit mir ausmache, sondern wenn ich zum Beispiel gemeinsam mit Kunden oder Mitarbeitern ein Projekt angehe und es anschließend auswerte.

Haben  Sie ein Beispiel für innovatives Marketing, dass Sie selbst schon einmal realisiert haben?

Die Band U2 in der Berliner U-Bahnlinie 2 (also der U2) spielen zu lassen, war als Idee schon länger in unseren Köpfen. Dass es tatsächlich realisierbar ist, haben wir eigentlich nicht für möglich gehalten. Und ich glaube, das gehört zum innovativ sein dazu: Vor einer teilweise völlig verrückten Aufgabe oder Herausforderung zu stehen, die auf den ersten Augenblick nicht zu bewältigen ist und dennoch versuchen, diese umzusetzen. Es hat geklappt, weil viele Menschen an ihre Grenzen gegangen sind und Ausnahmen gemacht haben. Eine Kollaboration über unterschiedliche Unternehmen hinweg mit Fachkräften aus verschiedensten Bereichen. Das Resultat war ein weltweites Medienereignis, welches allen Beteiligten hohe Aufmerksamkeit und viel positive Resonanz verschafft hat.

Was bedeutet eigentlich „Marke“?

Für mich ist eine Marke eine Persönlichkeit. Mit Zielen und Visionen. Das alles steckt in einer Marke. Das was die Marken von heute von den Marken von vor zehn oder zwanzig Jahren unterscheidet, ist, dass diese Marken kommunizieren. Aber nicht nur in eine Richtung kommunizieren, sondern auch viel zuhören müssen und eben auch bereit sein müssen, sich wie normale Personen anzupassen und zu verändern.

Wie macht man eine Marke erlebbar?

Indem ich die Menschen, die Kunden, dazu einlade, mit mir viel auszutauschen. Dann erleben sie mich ja.

Deswegen setzen Sie oft auf humorvolle Kampagnen?

Humor ist sicherlich nicht die Lösung für alles. Die BVG-Kampagne spielt mit Humor. Das ist eine bewusste, strategische Grundsatzentscheidung gewesen. In der Vorbereitung der Kampagne haben wir uns bereits darauf eingestellt, dass viele Berliner unsere Liebeserklärung „weil wir dich lieben“ fast schon als Provokation sehen werden. Und sagen: „ihr könnt mir nicht gleichzeitig mit einem Bus vor der Nase wegfahren und mir sagen, „wir lieben dich“. Deswegen können wir das Ganze nur mit einer gewissen Selbstironie kommunizieren. Mit Herz und Berliner Schnauze.

Welche Rolle spielt Social Media beim Aufbau einer Marke?

Heutzutage ist das sicherlich ein wichtiges Kommunikationsmittel, um einfach mit den Nutzern in Interaktion zu treten. Und dementsprechend sind natürlich die Kommunikationsanforderungen an die Unternehmen gestiegen. Ich muss mich da anders aufstellen und anders orientieren, als das früher der Fall war, wo ich mit einer Pressestelle immer nur Informationen nach außen gegeben habe in eine RiChtung. Heutzutage muss ich auch in der Lage sein, zeitnah Antworten zu geben, weil das von den Nutzern erwartet wird. Deswegen ist es aus unserer Sicht eine wichtige Rolle, die in einem normalen Marketing-Mix ganz selbstverständlich dazugehören sollte.
Warum ist Markenkommunikation mit den Kunden überhaupt so wichtig?

Weil die Kunden ganz entscheidend die Marke mit definieren. Wenn wir große Marken, wie beispielsweise Adidas oder Nike ansehen, dann setzt sich deren Persönlichkeit aus allen Nutzern zusammen. Und wenn die Nutzer kreativ mit einem Produkt umgehen, wie das zum Beispiel bei Lego der Fall ist, dann verändert das komplett die Marke und hat nichts mehr mit dem zu tun, was sich früher mal jemand in irgendwelchen Marketingabteilungen im stillen Kämmerlein überlegt hat. Sondern dann muss das eben aktiv aufgenommen und integriert werden. Alles andere wäre völlig vertan und nicht mehr zeitgemäß.

Was wollen Sie den Besuchern des Deutschen Immobilientages vermitteln? Sie halten dort ja einen Vortrag.

Ich hoffe, ich kann ihnen eine gute und unterhaltsame Geschichte erzählen und den einen oder anderen Denkanstoß für ihre eigene Arbeit mitgeben.

Dann haben wir ja hier die Schnittstelle zu der Immobilienbranche. Wie kann ein Immobilienunternehmer eine lokale Marke aufbauen?

Ich glaube nicht, dass sich das von einem Fleischer oder einem Agenturchef oder einem Getränkehersteller unterscheidet. Wichtig ist, dass er sich darüber bewusst ist, was ihn ausmacht, was seine Haltung ist und für welchen Service er einsteht. Und das soll er so klar und natürlich wie möglich kommunizieren. Dann wird es mit Sicherheit Menschen geben, die das entsprechend auch honorieren.

Wie geht man das am besten an?

Im ersten Schritt sollte ich mir im Klaren sein, wer bin ich. Wie sehe ich aus? Wie fühle ich mich an? Wie spreche ich? Mit welcher Tonalität? Das sollte zentral die erste Frage sein. Wenn ich das weiß, kommuniziere ich, wie ich diese Marke erlebbar machen kann. Zum Beispiel macht es sicherlich nicht für jedes Unternehmen Sinn, auf Facebook zu sein. Facebook ist großartig für den B2C-Bereich geeignet. Und da, glaube ich, auch fast für jede Marke Pflicht. Im B2B-Bereich wäre ich vorsichtig. Es ist wichtig herauszufinden, worum es im Geschäft geht und wer die Zielgruppe ist.  Entsprechend müssen die passenden Kanäle besetzt werden.

Wie kann man sich von der Konkurrenz abheben?

Indem man über den Tellerrand guckt und sich vielleicht auch von anderen Branchen inspirieren lässt. Und indem man mutig und innovativ neue Wege beschreitet.

Was macht eine lokale Markenbotschaft aus?

Ich glaube, die Markenbotschaft  ist gar nicht mehr das Entscheidende. Ich sollte mich nicht so sehr auf meine Botschaft versteifen, sondern vor allem auch bereit sein, zuzuhören, was die Leute über meine Marke erzählen. Und dann sollte ich natürlich versuchen, thematisch einen Dialog zu starten, indem ich mir etwas überlege, was bei den Leuten auf Resonanz stößt.

Was ist der Markenkern von Immobiliendienstleistern?

Wahrscheinlich die Vermittlung von Immobilien. Aber ich glaube, die Frage, die sich jeder stellen sollte, ist: Was ist das Besondere, was ich biete? Immobilien vermitteln wahrscheinlich viele. Entscheidend ist, was mache ich besonders? Und darüber sollte ich sprechen.

christian
Christian Artopé Geschäftsführung GUD.berlin GmbH