Aus Verantwortung für das Land

19. Dezember 2017


Nach einem vielversprechenden Anfang haben die Jamaika-Parteien nicht zueinander gefunden, auch nicht in der Wohnungspolitik. Welcher Couleur die künftige Bundesregierung auch immer sein wird, sie muss sich einem Ziel unterordnen: Mehr Neubau. Klientelinteressen haben die beteiligten Parteien zurückzustellen.

Von Jürgen Michael Schick, IVD-Präsident

 

Vor einem Monat habe ich an dieser Stelle geschrieben, dass mit einer Jamaika-Koalition die Chance da sei, die deutsche Wohnungspolitik auf ein neues Fundament zu stellen. Und der Anfang der Sondierungen zwischen Union, FDP und Grünen machte ja durchaus Mut. Die ersten Verhandlungspapiere, die an die Öffentlichkeit drangen, behandelten das Thema Wohnen als zentrales Anliegen. Mit der Zeit ging dieses Anliegen aber immer mehr verloren. Wenn ich mir nun das finale 61-seitige Sondierungspapier anschaue, das Mitte November als letzter Stand publiziert wurde, dann muss ich sagen: Gut, dass die FDP die Notbremse gezogen hat.

Bei Jamaika sind keinerlei Ansätze von einer Zusammenführung der Programme, von einer gemeinsamen Idee zu erkennen gewesen. Die Gestaltung einer neuen Wohnungspolitik war in dieser Verhandlungsrunde offensichtlich nicht möglich. Nun stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Es sieht so aus, auch wenn noch sehr viel passieren kann, als laufe alles auf eine abermalige Große Koalition hinaus. SPD-Chef Martin Schulz hatte das eigentlich zwar ausgeschlossen, mit der völlig korrekten Begründung, die Große Koalition sei abgewählt worden. Doch wenn der Bundespräsident an die staatstragende Verantwortung der Genossen appelliert, dann liegt es nicht in der Natur eines Sozialdemokraten, sich dem in den Weg zu stellen.

Sollte sich die Große Koalition wiederholen, darf das aber nicht bedeuten, dass sich auch die rückwärtsgewandte Wohnungspolitik der vergangenen Legislaturperiode wiederholt. Der Koalitionsvertrag, der vor ziemlich genau vier Jahren unterzeichnet wurde, war im Bereich Wohnen stark sozialdemokratisch geprägt. Die darin festgezurrte Regulierungspolitik hat jedoch kein einziges Problem auf dem Wohnungsmarkt gelöst — warum sollte dann eine Regulierungspolitik 2.0 irgendein Problem lösen?

Es hilft alles nichts: Neue Wohnungen müssen her. Das ist in Politik und Wirtschaft theoretisch Konsens, nur findet diese Erkenntnis in der politischen Praxis bisher noch keinen Niederschlag. Das muss sich unter der nächsten Bundesregierung ändern, in welcher Konstellation auch immer sie sich zusammenfinden wird. Selbst die Jamaika-Parteien haben das ausnahmslos erkannt. Einer der wenigen Sätze im Sondierungspapier, auf den sich Union, FDP und Grüne zum Thema Wohnen einigen konnten, ist der folgende: „[…] Dabei sehen wir die Notwendigkeit, verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen so zu setzen und Investitionen so anzustoßen, dass in den nächsten vier Jahren 1,5 Mio. neue Wohnungen gebaut werden.“ 1,5 Millionen neue Wohnungen: Das ist ein klares, unumgängliches Ziel, das Priorität haben muss und dem sich Parteibefindlichkeiten unterzuordnen haben.

Den Jamaika-Parteien ist das offensichtlich nicht gelungen. Zu hoffen ist, dass der nun erhöhte Druck, nach Wochen und Monaten des Stillstands eine funktionierende Bundesregierung auf die Beine zu stellen, der Unterordnung dieses Ziels dienlich ist. Das gilt auch, wenn die neue Bundesregierung wie die alte schwarz-rot gefärbt ist. Die Verantwortung, dass sich eine potenzielle Große Koalition dem Neubau-Ziel unterordnet, wird bei der Union und ganz besonders bei der Bundeskanzlerin liegen — die 1,5 Millionen neuen Wohnungen stehen im Wahlprogramm von CDU und CSU. Wohnen muss Chefsache werden, diese Forderung des IVD und der Wohnungswirtschaft strahlt im Zuge möglicher Verhandlungen zwischen Union und SPD mit ganz neuer Kraft.

„Alle in den Bundestag gewählten politischen Parteien sind dem Gemeinwohl verpflichtet, sie dienen unserem Land“, hat der Bundespräsident in seiner Ansprache nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen betont. Das ist auch ein Aufruf, keine Klientelpolitik zu betreiben und die Interessen der Partei nicht über die Interessen des Landes zu stellen. Sondern bestehende Probleme zu lösen und Deutschland für die Zukunft zu rüsten.