Baumkontrolle in Grünanlagen

9. Mai 2019


Schwere Stürme, extreme Gewitter, Orkane und Windhosen, diese Klimaextreme werden wohl in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Für die Grünanlagen mit ihren hochgewachsenen, windanfälligen Gehölzen bedeutet dies teilweise enorme Belastungen, die nur wirklich gesunde Bäume mit einer günstigen Statik überstehen können (die Windlast auf einen großen Baum kann hierbei 100 kN betragen, das entspricht 10,2 t).

Von Jürgen Kutscheidt

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Aber nicht nur bei Sturm kann es zu Schäden kommen, sehr häufig sterben im Laufe der Jahre Äste innerhalb der Baumkrone ab. Dieses natürliche Totholz lässt der Baum fallen, ohne sicher zu stellen, dass hierdurch keine Schäden entstehen. Dies zu verhindern, bzw. geeignete Maßnahme zu ergreifen, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, obliegt dem Grundstückseigentümer oder einem hierzu Beauftragtem, so z.B. dem Immobilienverwalter.

Schon 1965 (bestätigt durch ein weiteres BGH-Urteil vom 4.3.2004) hat der Bundesgerichtshof Grundsätze zu Art und Umfang der Verkehrssicherungspflicht festgelegt. Die wichtigsten Kernsätze lauten:

  • Es kann nicht verlangt werden, dass eine Straße im Hinblick auf Straßenbäume ständig frei von Mängeln und Gefahren gehalten wird.
  • Eine Kontrolle hat jedoch regelmäßig und in angemessenen Zeitabständen zu erfolgen. Die heute empfohlenen Kontrollintervalle ergeben sich aus der nachstehenden Tabelle.
  • Die Kontrolle muss nach dem jeweiligen Stand der Erfahrung und Technik erfolgen und soll den Gefahren vorbeugend Rechnung tragen, die nach der Einsicht eines besonnenen, verständigen und gewissenhaften Menschen erkennbar sind.

Bezüglich der Bäume präzisiert der BGH wie folgt:

  • Die Baumkontrolle ist eine sorgfältige Sichtkontrolle, die vom Boden aus durchgeführt wird.
  • Nur wenn nach der Baumkontrolle Zweifel über die Verkehrssicherheit verbleiben, ist eine eingehende Untersuchung durchzuführen/anzuordnen. Diese Untersuchungen sind von speziell geschulten Fachkräften durchzuführen.
  • Nach besonderen Einwirkungen (z.B. Orkan, Eisbruch…) kann eine Zusatzkontrolle erforderlich werden. Hier wird aber nur das kontrolliert, was in Art und Umfang durch das Ereignis hervorgerufen wurde.

In 2004 hat die FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V.) die Baumkontrollrichtlinien erarbeitet und herausgegeben. Hierin sind die vorgenannten Punkte konkretisiert und für die Praxis aufgearbeitet worden. Die Baumkontrollrichtlinie und ihre überarbeitete 2. Ausgabe aus 2010 wird heute von nahezu allen höheren Gerichten als Stand der Technik angesehen.

In der Baumkontrolle hat sich durch dieses Standardwerk die Qualität der Kontrolle und die Anforderungen an die Kontrolleure gegenüber der früheren Vorgehensweise deutlich erhöht, dafür wurde die Anzahl der Kontrollgänge erheblich reduziert. So waren früher jährlich zwei Kontrollen üblich, eine im belaubten und eine im unbelaubtem Zustand. Heute hat sich eine bedarfsgerechte Anpassung der Kontrollintervalle durchgesetz.

Wie kann eine ordnungsgemäße Baumkontrolle sichergestellt werden?

Die Größe bestimmt das Vorgehen! Bei kleinen Grünobjekten mit nur wenigen Bäumen reicht eine kurze schriftliche Bestätigung, dass der Kontrolldurchgang (nach den Vorgaben der FLL-Baumkontrollrichtlinie) durchgeführt worden ist. Dann sind die Mängel für die jeweiligen Bäume zu beschreiben und die baumpflegerischen Maßnahmen und ihre Dringlichkeit ist festzulegen.

Mittelgroße Grünobjekte, deren Baumbestand sich nicht mehr eindeutig und einfach mit Worten beschreiben lässt, sollten in einem Baum-Plan dargestellt werden. Hierfür eignen sich am besten Luftbilder, in die die Baumstandorte mit Nummern eingetragen werden. In vielen Bundesländern werden diese Luftbilder unentgeltlich zur Verfügung gestellt und können unproblematisch aus dem Internet heruntergeladen werden. Parallel zum Luftbildplan wird dann eine Liste mit den entsprechenden Bäumen erstellt. Diese Tabellen können sehr einfach jährlich weitergeführt werden, lassen sich in andere Programme übertragen. In den Tabellen können ganz einfach Selektionen vorgenommen werden (z.B. Auswahl aller Bäume, an denen Baumpflege dringend erforderlich ist, die gefällt werden sollen…).
Die Beauftragung der Baumpflege wird deutlich einfacher. Über den Luftbildplan behält der Kontrolleur und auch der Baumpfleger den Überblick welche Bäume behandelt werden müssen. Nur dort, wo mehrere Bäume dicht beieinanderstehen, ist es manchmal sinnvoll die einzelnen Bäume mit Markierungsplättchen zu versehen.

Große Grünobjekte oder viele Einzelstandorte lassen sich optimal mit sogenannten GIS-Baumkatastern bearbeiten. Hier werden die Planunterlagen und die Datenbank vereint in einem geländetauglichen Tablet-PC mitgeführt. Ganze Großstädte oder auch Landkreise können gleichzeitig bearbeitet werden, mehrere Kontrolleure können gleichzeitig eingesetzt werden und bei einigen Programmen können die Daten jederzeit über das Internet bearbeitbar oder nur sichtbar geschaltet werden.

Hier ist aber Vorsicht geboten! Einige dieser Programme sind sehr umfangreich. Gute Baumkataster-Programme erkennt man daran, dass sie nicht überfrachtet, bedienerfreundlich und fast schon selbsterklärend sind. Fast schon auf Knopfdruck können Arbeitslisten erstellt und Detailpläne herausgegeben werden. Sehr viele Kommunen und auch größere und mittelgroße Wohnungsbaugesellschaften arbeiten erfolgreich mit diesen Programmen.

Die drei vorgestellten Vorgehensweisen zur Baumkontrolle ermöglichen zuallererst einmal den Nachweis einer ordnungsgemäßen Kontrolle. Dies ist fundamental für eine spätere juristische Bewertung. War die Kontrolle fachgerecht, können Ansprüche häufig abgewehrt werden. Auch wird der Baumbestand sicherer und durch eine gut geplante Baumpflege, die durch das einfache Datenmanagement innerhalb eines Katasters ermöglicht wird, können Kosten deutlich reduziert werden.

Foto: © Jürgen Kutscheidt