Best Ager, digital, auf Wachstumskurs

9. April 2020


Dass auch Senioren online gehen, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Vielleicht werden sie im Internet nicht mehr so heimisch werden wie die Generationen X, Y und Z. Aber dennoch, die bald in den Ruhestand eintretenden Babyboomer nutzen im beruflichen wie privaten Alltag schon seit Jahrzehnten Computer und mobile Endgeräte und werden dies auch in den kommenden Jahren tun: zunächst als aktive Ruheständler, sogenannte Silver Ager oder Best Ager und dann mit zunehmendem Alter auf ihren Wegen durch die Pflegekarriere.

Von Felix von Braun

Es liegt auf der Hand, dass Investoren, Entwickler und Betreiber von betreutem Wohnen daher auch zunehmend digitale Angebote entwickeln müssen, um den Erwartungen und Anforderungen ihrer Kunden gerecht zu werden. Erst recht, wenn man bedenkt, dass der Markt für betreutes Wohnen zu den Boom-Märkten der Immobilienbranche zählt. Im Jahr 2030 werden 30 Prozent der Deutschen über 65 Jahre alt sein.

Die Digitalisierung schafft Zeit für die Bewohner

Für viele Betreiber dient die Digitalisierung dabei vor allem dem Ziel, Effizienzen zu generieren. Der Pflegeheimmarkt ist ebenso wie der Markt für betreutes Wohnen nicht nur eng reguliert, sondern überdies auch sehr ressourcenintensiv. Entsprechend wichtig ist es, dass Pflegekräfte möglichst viel Zeit für die Bewohner zur Verfügung haben — und im Umkehrschluss möglichst wenig Zeit damit verbringen, organisatorischen Aufgaben nachzugehen. Durch ein kluges Kommunikations- und Meldesystem innerhalb der einzelnen, und, wenn vorhanden, auch zwischen mehreren Einrichtungen kann viel Zeit eingespart und so für die Bewohner gewonnen werden. Dazu gehört auf der einen Seite ganz klar die medizinische und ärztliche Versorgung, auf der anderen aber auch scheinbar nebensächliche Aufgaben wie Kontrollgänge zur Sicherheit der Bewohner. Ein Beispiel: Wenn ein Bewohner seine Toiletten- oder Badezimmertür um 11 Uhr abends verschlossen, eine Stunde später aber immer noch nicht wieder entriegelt hat, ist es angezeigt zu überprüfen, ob der Bewohner nicht auf Hilfe angewiesen ist. Ohne digitale Kommunikationsmittel ist so etwas kaum möglich — Pfleger müssten unentwegt Kontrollgänge unternehmen. Mit einer klugen App hingegen lassen sich diese Kontrollen und die häufig in die Privatsphäre eindringende und als solche empfundene Überwachung auf ein notwendiges Minimum reduzieren. Von dem Zeitgewinn, der dadurch erzielt wird, kaum zu sprechen. Ein Pfleger, der statt zu kontrollieren, sich darauf konzentrieren kann, aktiv mit den Bewohnern, seinen Kunden, in den Austausch zu treten, ist für alle Seiten ein Gewinn.

Viele Investoren trauen sich nicht an betreutes Wohnen

Die größte Herausforderung für die Immobilienbranche stellt auf dem Markt für betreutes Wohnen die hohe Spezialisierung dieser Anlageklasse dar. Anders als bei Investments in Wohnhäuser – sei es Ein-, Zwei oder auch Mehrfamilienhäuser – und auch anders als Gewerbe und im Handel setzt betreutes Wohnen Wissen und Erfahrung in mehreren unterschiedlichen Fachgebieten voraus: Hier trifft Wohnen auf Pflege und medizinische Versorgung. Es ist daher durchaus nachvollziehbar, dass viele Investoren sich nicht an die Assetklasse herantrauen – und ebenso erkennbar, dass viele Eigentümer und Makler das mögliche Potenzial mancher Bestandsimmobilien auf den ersten Blick gar nicht erkennen, eben weil sie Expertise im Bereich Wohnen und Gewerbe haben, nicht aber über Kenntnisse in der medizinischen Betreuung und Pflege verfügen.

Der richtige Mix zwischen Investment und Dienstleistung

Umso wichtiger ist es daher, das richtige Investitionsmodell für betreutes Wohnen zu identifizieren, man kann aufgrund der Komplexität der Immobilienklasse auch von drei Investment-Säulen sprechen. Die erste Variante besteht darin, dass sich Investoren und Experten als klassische Exitpartner zusammentun, ein Projekt planen, das der Experte realisiert und im Anschluss schlüsselfertig an den Investor verkauft. Die zweite Säule ist das Joint Venture – wobei hier insbesondere einiges davon abhängt, wie gut sich die beteiligten Partner bereits kennen und ob sie bereits mit Erfolg gemeinsam Projekte umgesetzt haben. Es liegt auf der Hand, dass dies, sei es für Grundstücks- und Gebäudeeigentümer, für Vermittler, Investoren und Family Offices zumeist nicht den Eintritt in die Branche des betreuten Wohnens darstellt. Die dritte Säule konzentriert sich darauf, auf die jeweiligen Expertisen der einzelnen Projektpartner abzustellen und so möglichst zielgerichtet und effizient zu agieren. Hier arbeiten die Partner mit Fee-Modellen, sie agieren also untereinander als Dienstleister und profitieren dadurch von den gebündelten Kompetenzen. Während der Investor die finanzielle Realisierung des Projekts verantwortet, entwickelt der Betreiber etwa die geforderten und notwendigen analogen und digitalen Services für den reibungslosen Ablauf des betreuten Wohnens an, berät den Investor respektive Bauherren mit Blick auf notwendige bis fakultative Angebote und wird bei Abschluss des erfolgreichen Verkaufs an den Endinvestor seinerseits an dem Erlös beteiligt. So können dann im Ergebnis gerade bei letzterem Modell auch schon bei der Planung, Errichtung, Inbetriebnahme und Vermarktung von Objekten im Bereich betreutes Wohnen jene Effizienzen umgesetzt werden, von denen dann auch die Langzeitbetreiber, Mitarbeiter und Kunden profitieren.

 

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