Bloggen fürs Wohnen frei Haus

28. September 2017


Wer möchte nicht gerne mietfrei wohnen. Einer jungen Frau aus Holland wurde genau das ermöglicht. Sie durfte ein Jahr kostenlos in einer kernsanierten Wohnung am geschichtsträchtigen Strausberger Platz in Berlin wohnen. Für eine wichtige partnerschaftliche Gegenleistung: Dem Schreiben eines Blogs mit zweiwöchentlichen Posts. Die Skjerven Group GmbH versprach sich hohe mediale Aufmerksamkeit für die Vermarktung ihres Projekts und bekam sie auch. Im AIZ-Interview sprechen wir mit Julian Caspari von der ROI Immo Online GmbH der das Projekt „Central Berlin“ von Anfang an begleitet hat.

Interview von Jan Kricheldorf

AIZ: Ein Jahr keine Miete — das ist für viele Menschen ein Traum und passt zu den zum Teil emotional geführten Debatten um angespannte Immobilienmärkte. Gewollt?

Julian Caspari: In der Tat haben wir uns das ein wenig zu Nutze gemacht. Trotzdem waren auch wir überrascht, wie viel Medienecho wir auf die Aktion bekommen haben.

Was für Überlegungen gab es zu der Kampagne?

Der Gebäudekomplex um den Strausberger Platz ist geschichtsträchtig und ambivalent. Es waren sozialistische Prachtbauten, die vom Strausberger Platz ausgehend noch heute den Rand einer großen Allee säumen, die für große Aufmärsche und Paraden angelegt wurde. Nach der Sanierung durch Central Berlin ging es darum, die Gebäude in ein zeitgemäßeres, frisches Image zu hieven, ohne jedoch seine Geschichte zu vergessen.

Deswegen der Blog?

Ja. Ein Blog hat den Vorteil, das man viele kleine Geschichten erzählen kann. Unsere Bloggerin Daphne Damiaans war ein echter Glücksgriff. Sie hat genau die richtigen Perspektiven gefunden. Einerseits hat sie sich mit der Geschichte des Ortes auseinandergesetzt, andererseits hat sie das Umfeld erkundet und auf diese Weise deutlich gemacht, dass die Wohnungen etwas Besonderes sind. Friedrichshain ist ein quirliger, lebenswerter Ort geworden. Es gibt ein ausgeprägt vielfältiges, gastronomisches und kulturelles Angebot rundherum. Wenn wir das behauptet hätten, hätte es nicht die selbe Wirkung gehabt wie aus der Perspektive einer Bloggerin, die ein Jahr Zeit hatte, alle Faktoren auf sich einwirken zu lassen. Glaubwürdigkeit ist alles heutzutage.

Ist die Aktion ein Beispiel für eine perfekte Partnerschaft?

Was es bemerkenswert macht, ist, dass hier tatsächlich alle Seiten profitieren. Das Projekt „Central Berlin“ hat viel Aufmerksamkeit bekommen, nicht nur in den Medien. Auch auf Nachfragerseite war der Blog über die gesamte Zeit wie ein Begleiter. Konventionelle Kampagnen haben nicht so eine hohe Halbwertszeit. Sie verpuffen viel schneller. In unserem Fall gab es viel zu erzählen. Es fing an mit der Ausschreibung, dann kam der Einzug, dann die Einrichtungsphase, das Erkunden der Umgebung und am Ende gab es auch einen Abschied über den man berichten konnte. Da wurde Bilanz gezogen. Und der Mehrwert für die Bloggerin war ganz klar, der kostenlos zur Verfügung gestellte Wohnraum.

War das nicht problematisch? Es musste ja auch eine freie Wohnung vorhanden sein.

Die Wohnungen in dem Haus wurden nach und nach saniert. Das war ein Prozess. Die Wohnung, die wir dann der Bloggerin gegeben haben, war gerade fertig geworden und hatte noch keinen Käufer. Diese Gelegenheit haben wir genutzt und es hat sich ausgezahlt.

Wie lief das dann konkret ab. Konnte die Autorin denn schreiben, wozu sie Lust hatte, oder wurde das gesteuert?

Wir haben nur den Rahmen vorgegeben, durch das Auswahlverfahren wussten wir, dass das Schreiben kein Problem sein würde. Uns ging es vor allem darum, dass die Themen um Aspekte kreisen, die auch etwas mit dem Wohnen am Strausberger Platz zu tun haben. Es durfte auf keinen Fall ein historischer Abriss sein, sondern es ging darum, die emotionalen Aspekte zu betonen. Niemand kauft Quadratmeter. Wohnen und in einer großen Stadt zu leben, ist geprägt von Bedürfnissen, Sehnsüchten und dem Streben nach Lebensqualität. Der erste Blog-Eintrag trug den Titel „Wenn Träume wahr werden“ und der letzte „Goodbye Berlin — You‘ve Been Wunderbar!“. Das sagt schon sehr viel darüber aus, wo der inhaltliche Schwerpunkt lag. Es gab alle zwei Wochen einen Post und wer dabei geblieben ist, hat mit unserer Bewohnerin zusammen die Stadt entdeckt.

Das hatte sicher auch positive Auswirkungen in den sozialen Medien?

Richtig. Wir konnten förmlich dabei zusehen, wie die Zugriffe stiegen und immer mehr Menschen mit dem Blog in Berührung gekommen sind. Es ist auch nicht zu unterschätzen, dass Blogs ja nicht nur Text sind, sondern eben immer mit vielen Bildern angereichert werden, was es für soziale Medien „snackable“ macht, sprich, es wird viel geteilt und dadurch überdurchschnittlich von der Zielgruppe wahrgenommen. Facebook zum Beispiel zieht sich aus dem Blog Fotos, die dann mit der Überschrift verknüpft Wirkung erzielen.

Aber ihr habt es auch nicht dem Zufall überlassen, dass der Blog gefunden wird, oder?
Nein, natürlich nicht. Für Traffic muss man schon sorgen. Es half uns die gute Medienresonanz am Anfang, das war eine Art Initialzündung. Dann, nachdem der Blog in Gang gesetzt war, haben wir die einzelnen Einträge auch mit Mikrokampagnen versehen, um die viralen Effekte weiter anzukurbeln. Auf diese Art und Weise ist es uns gelungen, die Aufmerksamkeit das ganze Jahr über hoch zu halten. Das Interesse an Daphnes Artikeln und Einblicken war so groß, dass der Mietvertrag auf insgesamt zwei Jahre verlängert wurde. Diesen Sommer endete die Kampagne dann.

Und den Blog kann man auch jetzt noch im Netz finden?

Ja, auf der Seite www.centralberlin.de unter „Blog“ sind alle Einträge neben anderen nach wie vor abrufbar. Der Blog  existiert zu anderen Themen rund um Wohnen und Leben am Strausberger Platz  ja weiter.