Büroneubau: Die Krux mit den Vormietverträgen

25. Juni 2018


Bei der Finanzierung dringend nötiger Bürogebäude geben sich Banken zugeknöpft. Sie wollen eine hohe Vorvermietungsquote, bevor sie den Geldhahn öffnen. Gleichzeitig sind weniger Nutzer bereit, sich mit Vorverträgen langfristig zu binden: Sie suchen kurze Mietzeiten und wollen nicht zwei Jahre auf die Fertigstellung ihrer Flächen warten.

Von Stefan Frey

In den meisten boomenden Städten werden zu wenig Bürogebäude gebaut. Dabei ist die Projekt-Pipeline voll. Häufig werden sie nicht in Angriff genommen, weil die Banken erst finanzieren, sobald für mindestens 40 Prozent der Büroflächen Vormietverträge existieren.

Dabei ist dieses Denken nicht mehr zeitgemäß, denn der Büromarkt hat sich zu einem Vermietermarkt mit knappem Angebot entwickelt. Das heißt, auch spekulativ gebaute Bürogebäude ohne Vorverträge würden nach Fertigstellung problemlos Nutzer finden. Außerdem sind die wichtigsten Bürostandorte zugleich wichtige Zuzugsregionen für Arbeitnehmer, Berufsanfänger und Studierende. Sie wollen in diesen Metropolen nicht nur leben, sondern auch arbeiten. Demnach sollten nicht nur mehr Wohn-, sondern auch mehr Bürogebäude errichtet werden. Die Angst vieler Banken, ohne Vorverträge künftigen Büroleerstand zu finanzieren, ist also kaum nachvollziehbar.

Ein Ausweg aus dem Finanzierungsdilemma könnten Crowdinvestments bieten. Bei diesen Schwarmfinanzierungen beteiligen sich Investoren an Bau oder Umbau eines Gebäudes. Dabei profitieren beide Seiten: Der Privatinvestor erhält auf seinen angelegten Betrag eine feste Verzinsung. Der Bauträger muss weniger Kapital aufbringen, wenn solche eigenkapitalähnlichen Drittmittel fließen. Ein Blick auf die Branchenplattform Crowdfunding.de zeigt, dass im Immobiliensektor überwiegend Wohnimmobilien per Crowdfunding kofinanziert werden. Aber es gibt erste Ausnahmen wie Fachmarktzentren, Hotels und Seniorenheime. Warum sollten Bürogebäude außen vor bleiben?

Die Nachfrage nach Büroflächen ist so groß wie seit zehn Jahren nicht mehr. Der Leerstand ist an fast allen Top-7-Standorten (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München, Stuttgart) zurückgegangen und liegt häufig bei unter fünf Prozent. Gleichzeitig wurde der Sockelleerstand zurückgefahren. Das heißt, betagte Objekte, die nicht vermietbar waren, fanden neue, sanierungsfreudige Investoren oder wurden von Büro- in Wohnnutzung umgebaut. Bei dieser geringen Auswahl vakanter Flächen finden größere Unternehmen, die mehr als tausend Quadratmeter suchen, fast kein Angebot. Wegen dieser Verknappung bauen immer mehr Firmen Gebäude zur Selbstnutzung. Von den rund 1,4 Mio. Quadratmeter Bürofläche, die 2019 in den Top-7-Städten fertiggestellt werden, sind 832.000 Quadratmeter bereits vorvermietet beziehungsweise werden als eigengenutzte Gebäude dem Markt vorenthalten. Entsprechend werden nach Fertigstellung lediglich 568.000 Quadratmeter in die Vermietung kommen.

Für viele Firmen sind Vormietverträge ein rotes Tuch. Viele wollen flexibel bleiben und sich nicht lange binden: Ist das Gebäude zwei Jahre nach Vorvertragsunterzeichnung fertig, haben sie vielleicht einen anderen Flächenbedarf. Auch dies erschwert aktuell die Vorvermarktung.

Ein weiteres Problem: Ebenso wie die Banken, hängen auch Büromieter veralteten Vorstellungen an. Viele haben ihre Mietverträge kurz nach Ausbruch der Finanzkrise abgeschlossen, häufig mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Damals herrschte an vielen Top-Standorten, allen voran in Düsseldorf und Frankfurt, ein Überangebot an Büroräumen, die Mieten sanken und viele Vermieter waren bereit, mit Incentives wie mietfreien Anfangszeiten Neumieter zu ködern. Wenn diese Verträge nun auslaufen, treffen die Unternehmen auf ein verändertes Marktumfeld: Das Angebot ist in fast allen A- und B-Städten knapp, die Suche nach Flächen gestaltet sich langwieriger und die Mieten sind gestiegen. In Berlin kletterten laut einer Studie des Maklerhauses Colliers die Durchschnittsmieten zwischen 2013 und 2017 von 13 auf über 19 Euro (plus 46 Prozent), in München erhöhten sie sich in diesem Zeitraum um 13 Prozent, von 15,30 auf 17,30 Euro.

Verwalter und Makler sollten also ihre Büromieter vor Vertragsende auf die neuen Begebenheiten hinweisen und fragen, ob sie in der bisherigen Fläche bleiben und Anschlussverträge wünschen, oder das Wagnis einer Flächensuche auf sich nehmen möchten.