Ein unvorhersehbares Wahljahr

13. Januar 2021


2021 wird ein neuer Bundestag gewählt. Wie immer steht viel auf dem Spiel. Wie selten zuvor ist der Ausgang der Wahl absolut nicht vorhersehbar. Fest steht eigentlich nur, dass eine neue Bundeskanzlerin oder ein neuer Bundeskanzler in das Kanzleramt einzieht.

Von Jürgen Michael Schick, IVD-Präsident

Das Superwahljahr 2021 wird von einiger Bedeutung sein. Neben der Bundestagswahl finden auch sechs Landtagswahlen (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin) und zwei Kommunalwahlen (Hessen, Niedersachsen) statt. Die Ergebnisse werden sicher auch davon abhängig sein, wie wir in den nächsten Monaten durch die Corona-Pandemie kommen werden. Aber nicht nur. Bevor der Wahlkampf richtig losgeht, werden wir nicht mehr nur über Corona reden müssen. Es sind einige richtungsweisende Debatten zur Wohnungspolitik zu führen.

Es wird beispielsweise um die Frage gehen, ob sich die Realpolitik gegen die Ideologie-bestimmte Politik durchsetzen wird. Letztere hat in den vergangenen Monaten die Schlagzeilen bestimmt. So ist das Enteignungsthema wieder omnipräsent. Wie die verschiedenen Parteien damit umgehen werden, wird viel über deren politische Vernunft und ihre historische Verantwortung aussagen.

Außerdem wird der Mietendeckel pünktlich zur heißen Phase des Wahlkampfs ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Denn bis Sommer wird das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich darüber entscheiden, ob das von der Ideologie getriebene Instrument gegen die Verfassung verstößt. Wenn das Gericht, wovon auszugehen ist, den Mietendeckel kippt, wird das Thema aber nicht beerdigt sein. Im Gegenteil.

Vielmehr wird weiter darüber gestritten werden, wie sich die Mietpreiserhöhungen noch stärker gesetzlich regulieren lassen. Was absurd ist, weil die Neuvertragsmieten schon jetzt kaum noch steigen, wie nicht nur die Auswertungen des IVD Research, sondern zum Beispiel auch die des Analyseunternehmens F+B zeigen. Und wenn sich die politischen Forderungen so von den belastbaren Daten der Realität entkoppeln, geht es nicht mehr um an den Herausforderungen und Chancen ausgerichtete Realpolitik, sondern zunehmend um Ideologie. Wie das Thema Enteignung stellt auch der Regulierungskomplex längst eine grundlegende Richtungsdebatte dar.

Ebenfalls ein wichtiges Thema im Wahljahr wird der Wohnungsbau sein — und zwar auf eine andere Weise als in den vergangenen Jahren. Während sich bislang so gut wie alle einig waren, dass „Bauen, bauen, bauen“ die einzig vernünftige Strategie darstellte, und es nur darum ging, wie sich der Wohnungsbau am besten ankurbeln ließe, muss die Debatte langsam etwas differenzierter werden.

Der bereits angesprochene, inzwischen deutlich reduzierte Mietpreisanstieg gibt nicht nur einen Hinweis auf eine sinnvoll ausgestaltete Regulierungspolitik, sondern muss auch beim Thema Wohnungsbau berücksichtigt werden. Denn dass die Neuvertragsmieten — sowohl im Bestand als auch im Neubau — kaum noch steigen, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass der in den vergangenen Jahren kräftig angezogene Wohnungsbau Wirkung zeigt und den Angebotsmangel in der Breite reduzieren konnte.

Die Debatte muss sich also vom pauschalen „Wohnungsbau-beschleunigen-um-jeden-Preis“ weiterentwickeln zu einem noch zielgenaueren Wohnungsbau. Denn wenn das aktuelle Tempo beibehalten oder sogar noch weiter erhöht wird, könnte sich angesichts des abflachenden Bevölkerungswachstums mancherorts ein Überangebot einstellen.

Das Wahljahr wird also spannend, der Ausgang kann heute nicht vorhergesagt werden. Es ist der Blick in die Glaskugel. Zumal die Parteien allesamt in einer Umbruchphase sind. Auch die möglichen Parteienkonstellationen versprechen Spannung. Schwarz-Grün ist eine von vielen favorisierte Kombination. Falls das so kommt, wird es auf dem Gebiet der Wohnungspolitik — siehe Enteignungs- und Regulierungsdebatte — womöglich erhebliches Konfliktpotenzial geben.

Lange ist auch noch nicht ausgeschlossen, dass es nach der Wahl zu einer grün-rot-roten beziehungsweise einer rot-grün-roten Regulierungskoalition kommt. Dem potenziellen Bündnis fehlen aktuellen Umfragen zufolge nur wenige Prozentpunkte für eine Mehrheit. Ein spannendes Jahr mit einem heißen Sommer — bezogen auf das meteorologische, aber auch das gesellschaftliche Klima — steht uns bevor.