Daniel Föst: „Eine große Chance wurde völlig vertan“

7. September 2020


Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) hat einen Referentenentwurf zur Baugesetzbuchnovelle (BauGB-Novelle) vorgelegt. Die Immobilienwirtschaft reagiert eher kritisch als lobend auf den Entwurf. Wie bewertet die FDP die Pläne? Die AIZ sprach mit dem bau- und wohnungspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst.

Interview von Heiko Senebald

 

AIZ: Herr Föst, wie fällt Ihre Bewertung zu dem Referentenentwurf aus dem Hause Seehofer aus?

 

Daniel Först: Der von Horst Seehofer vorgelegte Entwurf des Baulandmobilisierungsgesetzes ist eine herbe Enttäuschung. Wenn man bedenkt, mit welch hehren Zielen die Bundesregierung den Prozess der BauGB-Novelle — mit der Baulandkommission — gestartet hatte, ist es lächerlich, was dann herausgekommen ist. Die Chance auf ein Maßnahmenpaket, das es den Kommunen ermöglicht hätte, schnell günstiges Bauland auszuweisen, die Nachverdichtung in Innenstädten zu erleichtern, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen oder sogar der Immobilienwirtschaft zusätzliche Anreize für neue Investitionen zu geben, wurde völlig vertan. Einige der von Seehofer vorgeschlagenen Änderungen könnten die aktuelle Situation sogar noch verschlimmern.

 

An welche Passagen aus dem Entwurf denken Sie dabei?

 

Längere Fristen für das Vorkaufsrecht der Kommunen verzögern die ohnehin schon viel zu langen Verfahren zusätzlich. Symbolpolitik, wie die in § 9 geplante Festsetzung von Flächen für den sozialen Wohnungsbau, bringt uns keinen Schritt weiter. Das ist reine Augenwischerei, die niemandem hilft, da das nach dem geltenden Recht bereits heute möglich ist. Ähnlich überflüssig, ja sogar schädlich, ist auch die Idee, mit dem „Dörflichen Wohngebiet“ eine neue Gebietskategorie in die Baunutzungsverordnung einzuführen. Diese neue Gebietskategorie bietet überhaupt keine Vorteile gegenüber dem schon existierenden Gebietstypus des Dorfgebiets. Dafür gibt es aber ein Risiko zusätzlicher Rechtsunsicherheiten und damit wieder zusätzliche Verzögerungen in Planungs- und Genehmigungsprozessen. Kurzum: Das Baulandmobilisierungsgesetz hat den Namen nicht verdient. Es präsentiert nahezu keine Lösungen für die drängenden Herausforderungen des Wohnungsmarktes und bietet keine Ansätze für eine moderne Stadtentwicklung.

 

Verbände der Immobilienwirtschaft bemängeln vor allem, dass die Baugesetzbuchnovelle keine deutlichen Maßnahmen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen vorsieht. Wo würde die FDP nachjustieren?

 

Die Kritik der Immobilienwirtschaft ist richtig. Angesichts des hohen Handlungsdrucks in den prosperierenden Regionen brauchen wir schon lange eine echte Baulandoffensive. Dafür muss man gleich an mehreren Stellschrauben drehen. Das Baugesetzbuch ist dabei nur eine Baustelle, an der wir arbeiten müssen. Mindestens genauso wichtig — wenn nicht sogar wichtiger — ist es für uns Freie Demokraten, die kommunalen Planungsämter und Genehmigungsbehörden in die Lage zu versetzen, ihren Aufgaben zügig nachzukommen. Oft mangelt es in Behörden an adäquater technischer Ausrüstung, fehlt Personal oder die Gemeinden verzichten absichtlich darauf, neues Bauland auszuweisen, weil sie nicht wissen, wie sie die dafür notwendige Infrastruktur bezahlen sollen. Diese Probleme lassen sich aber auch nicht von heute auf morgen lösen. Deshalb braucht es mutige Ideen, die es den Behörden ermöglichen, ohne große Bürokratie die notwendigen Maßnahmen für eine erfolgreiche Stadtentwicklung zu ergreifen.

 

Hat die FDP denn mutige Ideen parat?

 

Ich kann mir da einiges vorstellen, zum Beispiel experimentelle Baufreiheitszonen, in denen man einmal neue Konzepte fernab der herkömmlichen Gesetze und Regularien ausprobieren kann. Oder warum sollten wir es den Kommunen nicht ermöglichen, in angespannten Wohnungsmärkten die in den alten Bebauungsplänen oftmals viel zu geringe bauliche Dichte generell um Faktor X anzuheben? Zudem muss die Politik endlich den Mut aufbringen, auch umstrittene Themen wie die TA Lärm anzugehen. Wir brauchen endlich eine Gleichbehandlung von Verkehrs- und Gewerbelärm sowie die Berücksichtigung des technischen Fortschritts, um zusätzliche Wohnungsbaupotentiale in den Städten zu heben.

 

Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen soll erschwert werden. Passt das zu einer Politik, die eigentlich den Erwerb von Wohneigentum fördern will?

 

Gerade beim Thema Wohneigentum ist die Koalition uneins. Die Union konnte sich am Anfang der Legislaturperiode mit ihrem teuren Wahlkampfgeschenk — dem Baukindergeld — durchsetzen. Das war es dann leider auch. Andere Versprechen, wie der Grunderwerbsteuerfreibetrag oder das Bürgschaftsprogramm der KfW, mit dem ein Anteil des Kaufpreises oder der Baukosten abgesichert werden sollte, bleiben bisher offen. Dafür hat die SPD gesorgt, die ein sehr kritisches Verhältnis zu Wohneigentum hat. Leider fügt sich hier nahtlos der beabsichtigte Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen an. Diese Koalition will den Erwerb von Wohneigentum nicht fördern, sondern im Gegenteil, diese GroKo scheint inzwischen sogar die Eigentumsbildung verhindern zu wollten.

So wird Deutschland niemals zu einer Eigentümernation, wie wir uns das wünschen. Gleichzeitig führt das faktische Umwandlungsverbot zu einer Privilegierung finanzkräftiger Investoren. Die können einfach das gesamte Objekt erwerben, während kleinen Einzeleigentümern durch den staatlichen Eingriff der Erwerb einzelner Wohnungen untersagt wird. Zudem werden durch die Verknappung des Angebots die Preise für Wohneigentum noch einmal deutlich nach oben schnellen. Da beide Effekte hoffentlich nicht von der Großen Koalition gewünscht sind, hoffe ich, dass das Umwandlungsverbot noch aus dem Baulandmobilisierungsgesetz herausgenommen wird. Das ist jedenfalls das Ziel der Freien Demokraten.

 

Können Sie aber nicht auch die Argumente nachvollziehen, die für einen größeren Mieterschutz sprechen?

 

Die steigenden Wohnkosten sind in der Tat eine der sozialen Fragen unserer Zeit. Der Mieterschutz ist an dieser Stelle jedoch nur ein vorgeschobenes Argument. Der Schutz der Mieter ist in Deutschland bekanntermaßen über das Mietrecht garantiert. Ein Mietrecht, das meiner Auffassung nach auch sehr gut geeignet ist, die Mieter vor einer Verdrängung zu schützen. Das Baugesetzbuch hat ganz andere Aufgaben, auf die wir uns als Politik wirklich stärker konzentrieren sollten. Deshalb würde ich sogar so weit gehen und dafür plädieren, dass wir die vergleichbare Regelung, die eine Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in so genannten Milieuschutzgebieten unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt, auch aus dem Baugesetzbuch herausnehmen.

 

Die Kommunen sollen ein stärkeres Vorkaufsrechtrecht erhalten. Viele Gemeinden klagen über eine eklatante Finanznot, geben aber gleichzeitig sehr viel Geld für die Ausübung von Vorkaufsrechten aus. Da passt doch etwas nicht zusammen?

 

Ja, es ist ein schlechter Witz. Statt Millionen für bessere Infrastruktur und gute Ämter auszugeben, werden wenige Mieter mit Steuermillionen privilegiert. Letztendlich spekulieren die Kommunen bei solchen Geschäften aber auch darauf, dass sie ein Grundstück ein paar Jahre halten, gegebenenfalls baurechtlich entwickeln und anschließend mit Gewinn verkaufen können. Damit stärkt die Ausweitung des Vorkaufsrechts nur die Position finanzstarker Kommunen als Marktakteure. Finanzschwache Kommunen können sich, so wie von Ihnen bereits angedeutet, diese Spekulation gar nicht erst leisten. Dies liegt übrigens nicht nur daran, dass sie die notwendigen Kredite für den Erwerb der Grundstücke nicht bekommen, sondern auch daran, dass das für die Abwicklung des Vorkaufsrechts notwendige Personal fehlt.

 

Gibt es für die FDP auch positive Aspekte im Referentenentwurf?

 

Auch wenn das Baulandmobilisierungsgesetz mehr Schatten als Licht hat, bringt es selbst diese Große Koalition nicht hin, nur Blödsinn aufzuschreiben. Als Freie Demokraten haben wir seit Langem eine Abkehr von der rigiden Auslegung des Einfügungsgebots des § 34 BauGB gefordert. Deshalb freut es uns, dass sich in der BauGB-Novelle nun endlich der Ansatz wiederfindet, in unbeplanten Innenbereichen auf das Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der Umgebung nicht nur im Einzelfall zu verzichten.

Dies ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Auch die vorgesehene Option, notwendige Ausgleichsmaßnahmen in Form eines Ersatzgeldes zu leisten, ist vernünftig, da es gerade in stark verdichteten Quartieren oftmals sehr schwer ist, die notwendigen Ausgleichsflächen nachzuweisen und deshalb dringend benötigter Wohnraum nicht entstehen kann. Diese Flexibilisierung geht meiner Ansicht nach auch nicht zu Lasten der Umwelt, da die Gelder durch die Kommunen nun viel zielgerichteter für wirksame Umweltschutzmaßnahmen eingesetzt werden können.

 

Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher ist zurückgetreten. Was sagen Sie dazu?

 

Wäre Frau Lompscher nicht wegen der Steueraffäre zurückgetreten, hätte sie es wegen ihrer hanebüchenen Bau- und Wohnungspolitik tun müssen. Als Optimist hoffe ich, dass die Baupolitik der Hauptstadt nun endlich in ruhigeres Fahrwasser kommt und sich von der ideologischen Symbolpolitik von Frau Lompscher verabschiedet. Die Stadt braucht einen Neustart der Bau- und Wohnungspolitik, der die wirklichen Herausforderungen in den Fokus nimmt und konzentriert an Lösungen arbeitet, die zu mehr Wohnraum führen. Nur darauf zu setzen, den vorhandenen Wohnraum umzuverteilen und zu reglementieren, reicht einfach nicht. Letztendlich ist der Rücktritt von Frau Lompscher eine Chance, die der rot-rot-grüne Senat unbedingt nutzen sollte. Ob er dies tut, wird sich noch zeigen. Eins ist aber klar: Berlin benötigt dringend neuen Wohnraum.

 

Das Volksbegehren in Bayern zum Mietenstopp wurde als verfassungswidrig erklärt. Droht dem Berliner Mietendeckel das gleiche Schicksal.

 

Das Urteil zum Volksbegehren in Bayern ist ein hoffnungsvolles Signal nach Karlsruhe. Ich hoffe, dass die Normenkontrollklage von FDP und Union gegen den Berliner Mietendeckel jetzt zügig verhandelt wird und die Bürger noch in diesem Jahr Rechtssicherheit bekommen. Das bayerische Urteil zeigt aber auch, dass unser Rechtsstaat stärker ist als linker Populismus. Der Wohnungsmangel und die steigenden Wohnkosten in Berlin und in vielen anderen Städten sind nicht auf ein Marktversagen zurückzuführen, sondern auf ein Versagen der Politik. Leider wurde es in der Vergangenheit versäumt, die richtigen Rahmenbedingungen für den dringend notwendigen Wohnungsbau zu setzen. Leider sehe ich auch in den letzten Jahren unter der Großen Koalition wenig Fortschritt, ja teilweise sogar echte Fehlentwicklungen. Der Referentenentwurf des Baulandmobilisierungsgesetzes ist in vielen Bereichen so eine Fehlentwicklung.

 

In einem Jahr ist Bundestagswahl. Welche Ziele verfolgt die FDP in den verbleibenden Monaten?

 

Sie können sich sicher sein, dass unser Ideenköcher noch gut gefüllt ist. Die Corona-Krise hat uns aber vor ganz neue Herausforderungen gestellt, die uns auch in der Wohnungs- und Baupolitik noch weit über die kommende Bundestagswahl beschäftigen werden. Wie können wir unsere Innenstädte am Leben erhalten? Wie muss ein Wohnumfeld gestaltet sein, um bei zukünftigen Pandemien oder anderen Krisen weiterhin eine hohe Lebensqualität zu ermöglichen. Wie wollen wir einer drohenden Flaute bei den Aufträgen im Baugewerbe entgegenwirken und wie können wir die Attraktivität von Investitionen in Immobilien gewährleisten, damit auch noch in fünf oder zehn Jahren ausreichend Wohnraum zur Verfügung steht. Und selbstverständlich setzen wir Freie Demokraten uns mit viel Energie für die Themen Digitalisierung, Bürokratieabbau und Steuererleichterungen ein. Sie sehen, für dieses Programm reichen die nächsten Monate nicht aus. In der nächsten Legislatur machen wir dann da weiter, wo wir aufgehört haben — am besten in Regierungsverantwortung!