„Das zentrale Problem ist doch, dass zu wenig gebaut wird.“

28. Februar 2023


Ulrich Lange ist Jahrgang 1969, Rechtsanwalt und seit 2009 direkt gewählter Abgeordneter für den Bundestags-wahlkreis Donau-Ries im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben. Seit 2018 ist er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion für die Themenbereiche Verkehr, Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen im Deutschen Bundestag. Er spricht im AIZ-Interview über den schleppenden Wohnungsbau, das Kohlendioxidaufteilungsgesetz, wie Wohn- und Arbeitsort entkoppelt werden können, um die Ballungsräume zu entlasten wo er Respekt vor kaufwilligen Familien vermisst, die sich ein Eigenheim wünschen.

AIZ: Herr Lange, als stellvertretender Fraktionsvorsitzender sind Sie für die Bereiche Wohnen, Bau und Stadtentwicklung zuständig. Wie stehen Sie in dieser Funktion zum Bündnis für bezahlbaren Wohnraum? Halten Sie diesen Ansatz für den richtigen Weg, die angespannten Wohnungsmärkte zu entlasten?

Ulrich Lange: Grundsätzlich sind Bündnisse, die alle Beteiligten an einen Tisch holen, eine sinnvolle Sache. In der vergangenen Legislaturperiode wurde auf Initiative der Union ein Wohngipfel veranstaltet, der sehr erfolgreich war und dessen zentrale Beschlüsse wir auch umgesetzt haben. Leider setzt die Ampel unseren Kurs an dieser Stelle nicht fort. Stattdessen ist ihr Bündnis für bezahlbaren Wohnraum von Anfang an überfrachtet mit Teilnehmern, Vorhaben und Erwartungen. Deshalb überrascht es nicht, dass nichts Neues oder Konkretes dabei herausgekommen ist. Es fehlt an einer klaren Strategie und konkreten Lösungsvorschlägen.

Fast schon grotesk war auch die Posse um das Ziel von 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr in der Präambel des Bündnistextes. Ministerin Geywitz wollte es bis zuletzt hineinschreiben, wichtige Bündnispartner weigerten sich jedoch. Schließlich einigte man sich auf eine umständliche Formulierung, die den Dissens aber auch nicht verbergen kann. Mit Uneinigkeit und Formelkompromissen kommt der Wohnungsbau nicht voran.

Während die Produktivität des Wohnungsbaus aufgrund steigender Kosten rückläufig ist, nimmt der Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum durch Zuwanderung erheblich zu. Mit welchen Maßnahmen ließe sich diese sich öffnende Schere wieder schließen?

Aktuell können wir leider nicht absehen, wie sich der Wohnraumbedarf durch weitere geflüchtete Menschen entwickeln wird. Das hängt auch vom Kriegsverlauf in der Ukraine ab. Es ist aber klar: Wir stehen zu unseren humanitären Verpflichtungen. Die Zuwanderung ist ja auch nur eine der Herausforderungen, wenn es um die Bekämpfung des Mangels an bezahlbarem Wohnraum geht. Das zentrale Problem ist doch, dass zu wenig gebaut wird. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Ampel schöpft die Möglichkeiten, die sie an dieser Stelle hat, überhaupt nicht aus. Vielmehr hat sie die Lage noch verschärft, indem sie im letzten Jahr immer wieder Förderprogramme eingestampft oder zusammengestrichen hat. Laufende Planungen hat sie dadurch ausgehebelt und für erhebliche Unsicherheit gesorgt.

17 Verbände der Bau- und Immobilienwirtschaft haben kürzlich Alarm geschlagen: Sie fordern Notmaßnahmen, um die Abwärtsspirale im Wohnungsbau zu stoppen. Wenn Sie Bundesbauminister wären, wofür würden Sie sich beim Kanzler, beim Finanz-, Wirtschafts- und Justizminister einsetzen, um den Konjunkturmotor Wohnungsbau nicht absterben zu lassen?

Dieser Alarmruf, nur wenige Wochen nach der Vorstellung der Ergebnisse des Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum, ist erschreckend und verdeutlicht die besorgniserregende Lage auf dem Bau. Zudem ist er ein weiterer Beleg für die Untätigkeit der Regierung. Um im Wohnungsbau wieder Aufwind zu bekommen, sind aus meiner Sicht folgende Punkte zentral: Erstens braucht man ein koordiniertes Vorgehen aller beteiligten Ressorts mit einem klaren Bekenntnis zur Schaffung neuen Wohnraums. Zweitens ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen sozialen und ökologischen Zielen notwendig — zum Beispiel mit realistischen und bezahlbaren energetische Anforderungen. Drittens muss es abgestimmte und übersichtliche Förderprogramme geben, die auskömmlich mit Mitteln ausgestattet sind und verlässlich laufen. Zu guter Letzt sollten weitere Impulse durch steuerliche Anreize sowie Vereinfachungen im Bauordnungsrecht und bei den Genehmigungsverfahren gesetzt werden.

Sie gelten als ein Kritiker der Zuständigkeitsaufteilung: Neubau beim Bauministerium, Sanierung beim Wirtschaftsministerium. Was stört Sie an dieser Rollenverteilung?

Ein Beispiel: Beim neuen Wohneigentumsförderprogramm aus dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) wird nur der Neubau gefördert. Denn für Bestandsbauten ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) verantwortlich. Dort wird aber nur die Sanierung gefördert, nicht der Eigentumserwerb an sich. Das heißt in der Konsequenz: Die Ampel will zwar weniger neue Einfamilienhäuser, aber fördert nicht den Erwerb von Bestandsbauten, sondern nur noch den Neubau. Und so etwas zieht sich leider durch.

Die Ampel-Koalition hat die Einrichtung des Bauministeriums groß gefeiert. Aber es zeigt sich seit Regierungsstart, dass Frau Geywitz kaum Kompetenzen hat und immer wieder von Herrn Habeck ausgebremst wird. Dies wird auch deutlich an den Zahlen: Eine Milliarde für Neubauförderung steht gegenüber 13 Milliarden für die Sanierungsförderung. Im Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), der wichtigsten Förderinstitution auch im Baubereich, sitzen neben Robert Habeck noch sechs weitere Mitglieder des Bundeskabinetts —nicht aber die Bundesbauministerin. Dieses Missverhältnis wird den aktuellen Herausforderungen im Bereich Bauen und Wohnen nicht gerecht.

Sie haben sich kürzlich vehement gegen das Kohlendioxidaufteilungsgesetz ausgesprochen. Geht es Ihnen generell gegen die Verteuerung von Energie oder um die Aufteilung auf Mieter und Vermieter? Oder um den damit verbundenen Bürokratieaufwand?

Ich bin nicht gegen eine vernünftige Aufteilung der CO2-Kosten, aber ich bin gegen das absurde Modell der Ampel, das zum 1. Januar in Kraft getreten ist. Der Grundfehler ist: Die Aufteilung der Kosten bemisst sich daran, wie viel CO2 ausgestoßen wird, also wie viel tatsächlich geheizt wird, und nicht am Zustand des Gebäudes. Das Heizverhalten ist aber individuell. Sind Menschen häufig zu Hause oder haben sie ein höheres Wärmebedürfnis, heizen sie auch mehr. Darüber hinaus ist der Vorschlag mit zehn Stufen und jährlicher Einordnung umständlich und bürokratisch. Sinnvoll wäre ein verbrauchsunabhängiger Ansatz: Bei energetisch hochwertigen Gebäuden zahlt der Vermieter weniger oder gar keinen Anteil am CO2-Preis; wo der energetische Standard niedrig ist, zahlt er mehr. Das wäre ein gerechtes und bürokratiearmes Modell.

Sie gelten als einer der Erfinder des Baukindergeldes, ein Programm, das jetzt — ein Jahr früher als geplant — von der Ampel beendet worden ist. Welche Chancen räumen Sie dem Nachfolgeprogramm „Klimafreundliches Bauen“ ein, jungen Familien zum Eigenheim zu verhelfen?

Mit dem Baukindergeld haben wir es geschafft, über 300.000 Familien in die eigenen vier Wände zu bringen. Das ist ein großer Erfolg und zeigt, dass es ein großes Bedürfnis der Menschen danach gibt. Gleichzeitig hat Deutschland immer noch eine der niedrigsten Wohneigentumsquoten in der EU. Und drei Viertel aller Mieter wären lieber Eigentümer. Dieses Bedürfnis muss man ernst nehmen, zumal das nicht nur ein individueller Lebenstraum ist, sondern Vermögensbildung, die wiederum der Altersvorsorge dient.

Zudem hat es etwas mit Respekt zu tun, den ich bei der Ampel vollständig vermisse. Das zeigt sich dadurch, dass sie auch beim Baukindergeld einfach die Spielregeln geändert und den letztmöglichen Termin für die Beantragung um ein Jahr vorgezogen hat. Das sorgt erneut für Enttäuschung bei Familien, die mit dem Geld geplant haben, aber aus verschiedenen, größtenteils nicht selbst verschuldeten Gründen noch nicht in ihr Eigenheim einziehen konnten.

Ich sehe auch nicht, wie das neue Programm der Ampel auch nur ansatzweise so erfolgreich zur Wohneigentumsbildung beitragen soll wie unser Baukindergeld. Es wird nicht nur viel zu wenig Geld zur Verfügung gestellt, sondern es sollen auch nur Neubauten gefördert werden, die über den gesetzlichen energetischen Standard hinausgehen. Aber der gesetzliche Standard wurde zum Jahreswechsel ohnehin angehoben, sodass die Hürden zum Hausbau noch einmal nach oben geschraubt werden. Die bereits angesprochene groteske Situation, dass der Erwerb von Bestandsimmobilien nicht gefördert wird, beißt sich mit dem erklärten Ziel, Flächen und Ressourcen zu schonen, und passt auch nicht zu den wiederholten Aussagen von Frau Geywitz, dass es weniger Neubau von Einfamilienhäusern geben soll. Ein Baukindergeld 2, das an die Fördersystematik des Baukindergelds anknüpft, wäre die beste Lösung, um Familien beim Erwerb von Wohneigentum zu unterstützen.

Sie sind auch Experte für Verkehr und digitale Infrastruktur. Was fehlt in Deutschland, um Wohn- und Arbeitsort voneinander zu entkoppeln und damit die Ballungsräume zu entlasten und für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen?

Zentral ist es, den ÖPNV zu verbessern. Dabei darf aber nicht das ganze Geld, das eigentlich für den Ausbau der Infrastruktur bestimmt ist, in das 49-Euro-Ticket gesteckt werden. Das wäre zwar kundenfreundlich, würde aber den ÖPNV in Deutschland mit seiner regionalen und kleinteiligen Struktur insgesamt nicht stärken. Sinnvoll wäre es, erst den Bestand zu sichern, dann das Angebot auszubauen, und schließlich die Attraktivität durch ein 49-Euro-Ticket zu stärken. Auch in Barrierefreiheit müssen wir weiter investieren. Und wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass gerade im ländlichen Raum das Auto weiterhin eine große Rolle spielt und spielen wird. Deshalb müssen wir auch die Straßen funktionsfähig halten.

Ganz bedeutsam, gerade im ländlichen Raum, ist auch die Verfügbarkeit von schnellem Internet, beispielsweise für die Ansiedlung von Firmen, fürs Homeoffice und für die Lebensqualität. Leider hat Digitalminister Wissing im Oktober einen Antragsstopp für das erfolgreiche Förderprogramm zum Breitbandausbau verhängt, die bisherige Förderrichtlinie ist zum Jahresende ausgelaufen und noch immer gibt es keine neue Richtlinie. Das ist fatal für betroffene Kommunen. Der kontinuierliche Fortschritt beim Breitbandausbau darf nicht abreißen, wenn es ernst sein soll mit der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse.

Foto: Ulrich Lange