Der Mietendeckel ist Ausdruck des politischen Versagens

23. Juli 2019


Der Berliner Senat hat den Mietendeckel beschlossen. Wenn diese Art Wohnungspolitik in Deutschland Schule macht, wird sich der schon heute zu Verwerfungen führende Wohnraummangel noch deutlich verschärfen.

Von Jürgen Michael Schick, IVD-Präsident

Eine „panische Verzweiflungstat“ nannte die Süddeutsche Zeitung den vom Berliner Senat beschlossenen Mietendeckel, und sie hat damit natürlich nicht unrecht, aber ich würde noch etwas ergänzen wollen: Der Mietendeckel ist Ausdruck des wohnpolitischen Versagens der rot-rot-grünen Landesregierung. Dass sich die Bundes­hauptstadt überhaupt in dieser Situation befindet, in der die Regierung zu der „panischen Verzweiflungstat“ aus­holen zu müssen glaubt, zeugt genauso von diesem Versagen wie die Ansicht des Senats, eine solche Verzweiflungs­tat könne allen Ernstes eine Lösung für die Probleme auf dem Wohnungsmarkt darstellen.

Das große Problem auf dem Berliner Wohnungs­­markt ist, dass es zu wenige Woh­nungen für zu viele Nachfrager gibt. Der Mietendeckel, demzufolge die Mieten fünf Jahre lang eingefroren und Miet­obergrenzen eingeführt werden sollen, löst dieses Problem nicht, sondern ver­schärft es zusätzlich. Hinzu kommt, dass er sozial ungerecht ist und im dringen­den Verdacht steht, gegen die Verfassung zu verstoßen. Aber der Reihe nach.

Es heißt, der Mietendeckel solle fünf Jahre lang gewissermaßen für Ruhe auf dem Mietmarkt sorgen; in dieser Zeit soll der Wohnungsbau verstärkt werden, um den Angebotsmangel zu beheben und um langfristig für eine größere Balance auf dem Wohnungsmarkt zu sorgen. Diese Vorstellung ist aber — wohl­wollend ausgedrückt — nachgerade naiv. Der Wirt­schaft werden durch den Mieten­deckel Ein­nahmen entzogen, was dazu führt, dass weniger Kapital für den Neubau vor­handen ist. Und das gilt nicht nur für die Privat­wirtschaft, sondern auch für die kom­mu­nalen Wohnungs­­unternehmen, denen ein dreistelliger Millionen­betrag fehlt, den sie für den bezahl­baren Wohnungs­bau hätten aufwenden können. Auf die Frage, wer in den kommenden fünf Jahren die benötigten Wohnungen eigent­lich bauen soll, hat die Politik keinerlei Antwort.

Es stellt sich auch die Frage, wer dafür sorgen soll, dass der Wohnungs­bestand zeitgemäße Anforderungen bezüglich Klima­­­­schutz und Barriere­freiheit erfüllt, aber diese Frage scheint dem Berliner Senat herzlich egal zu sein. Er wird jedenfalls nicht erwarten können, dass irgendein privater Vermieter unter dieser Landesregierung noch dazu bereit ist, Geld in seinen Bestand zu inves­tieren. Dass die Modernisierung des Gebäudebestands essenziell ist, um die Klimaschutzziele zu erreichen, über die seit Monaten so gut wie jeder in Deutschland und allen voran die Grünen sprechen, wird in Berlin einfach ignoriert.
Das vielleicht Bitterste am Mietendeckel aber ist, dass er ausgerechnet diejenigen bestraft, die der rot-rot-grüne Senat doch zu schützen gedenkt. Einerseits sind nun die privaten Vermieter, die ihre Mietpreise auf einem möglichst geringen Niveau halten, die Gelackmeierten, weil sie nun nicht einmal mehr die Möglichkeit haben, die Inflation auszugleichen. Andererseits bringt das Instrument finanziell schwä­cheren Wohnungssuchenden gar nichts, weil sich Vermieter in aller Regel für die Mieter entscheiden, die das geringste Ausfallrisiko bergen. Profitieren werden deshalb vor allem die vermögenderen Miethaushalte — was für eine Ironie.

Dass der Mietendeckel darüber hinaus eine ganze Zeitlang deutsche Gerichte beschäftigen wird, ist sicher und wird vom Berliner Senat billigend in Kauf genommen. Es ist stark zu bezweifeln, dass das Land Berlin überhaupt über die Gesetzgebungskompetenz für ein solches Instrument verfügt. Hinzu kommt, dass der Mietendeckel ein elementarer Eingriff in die Vertragsfreiheit der Vermieter ist. Schon die Mietpreisbremse wird zurzeit vom Bundesverfassungsgericht darauf­hin geprüft, ob sie dem Grundgesetz wider­spricht, dabei stellt sie einen deutlich weniger starken Eingriff in die Vermieterrechte dar.

Der Berliner Mietendeckel ist nicht ein­fach eine Regulierungsmaßnahme unter vielen, sondern er ist richtungs­wei­send. Wenn das Modell Schule macht und die Politik in Deutschland dem in Berlin ein­geschlagenen Weg folgt, wird der Wohnraummangel, der die Wohnungs­frage bereits dieser Tage zu einer der größten sozialen Herausforderungen macht, in wenigen Jahren katastrophale Ausmaße annehmen.

Foto: © Johannes Rapprich / Pexels.com