Der Mietendeckel oder das zynische Spiel mit der Angst von Mietern

30. März 2020


Dr. Jan-Marco Luczak ist rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der Berliner koordiniert auf Bundesebene die Klage gegen den Mietendeckel. Er hat für die abstrakte Normenkontrolle bereits 280 Unterschriften von Bundestagsabgeordneten eingesammelt. Das notwendige Quorum wurde in kürzester Zeit erreicht. Im AIZ-Interview beschreibt der CDU-Rechtspolitiker die derzeit unsichere Lage für Mieter und Vermieter. Zudem plädiert er dafür, die Förderung von Wohneigentum zu forcieren.

Interview von Heiko Senebald

AIZ: Der Berliner Mietendeckel ist in Kraft getreten. Was nun, Herr Dr. Luczak?

Dr. Jan-Marco Luczak: Der Mietendeckel ist eine populistische Scheinlösung. Er hilft den Menschen nicht, er schadet ihnen. Dass die rot-rot-grüne Koalition das Gesetz dennoch auf den Weg gebracht hat, ist unverantwortlich. Denn dem Berliner Mietendeckel steht die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben. Er wird vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe scheitern.

Warum?

Ich erkläre gern warum. Wir haben als Bundesgesetzgeber beim Mietrecht in den vergangenen Jahren wirklich viel auf den Weg gebracht — von der Mietpreisbremse über Mietspiegel bis hin zur Kappung der Umlage von Modernisierungskosten. Wir haben als Bund nach Art. 74 Abs. 1 Grundgesetz die konkurrierende Zuständigkeit für das bürgerliche Recht. Das erfasst auch das Mietrecht. Von dieser Kompetenz haben wir umfassend und abschließend Gebrauch gemacht. Das entfaltet eine Sperrwirkung. Für die Länder bleibt kein Spielraum mehr, so wie beim Mietendeckel eigene landesgesetzliche Regelungen zu erlassen. Der Mietendeckel tritt am Ende in Konkurrenz und Widerspruch zu unseren bundesgesetzlichen Regelungen und missachtet damit die grundgesetzliche Kompetenzordnung. Das ist verfassungswidrig.

Können Sie uns den Widerspruch an einem Beispiel erläutern?

Man kann das ganz gut an der Mietpreisbremse festmachen, die ja zulässt, dass die Miete bei Neuverträgen um bis zu 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen kann. Nach dem Mietendeckel ist das aber verboten. Hier gilt eine staatlich festgelegte Obergrenze, die mit der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Bundesrecht nichts zu tun hat. Daran sieht man ganz klar: es gibt zwei unterschiedliche Normbefehle, die hier an den Vermieter gerichtet werden. Man kann als Vermieter aber nur einem folgen, entweder dem bundesgesetzlichen oder dem landesgesetzlichen. Beides geht nicht. Da liegt der Verfassungsverstoß klar auf der Hand. Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin maßt sich damit an, den vom Bundesgesetzgeber sorgsam austarierten Ausgleich zwischen den Interessen von Mietern und Vermietern durch ihren eigenen zu ersetzen. Das ist nicht akzeptabel.

Und dennoch hat der rot-rot-grüne Senat den Mietendeckel auf den Weg gebracht. Das ist doch absurd.

Ja, absolut. Die zuständige Senatorin Katrin Lompscher von Der Linken sagt ja sogar selbst: ‚Wir machen jetzt ein Gesetz, von dessen Verfassungsmäßigkeit ich selbst gar nicht überzeugt bin. Liebe Mieter, das Geld, welches ihr spart, legt es mal lieber auf die hohe Kante, denn es könnte sein, dass ihr das zurückzahlen müsst‘. Ein solcher Umgang mit Recht und Gesetz, den hat es seit DDR-Zeiten nicht mehr gegeben. Der rot-rot-grünen Koalition ist es offensichtlich völlig egal, dass hier ein verfassungswidriges Gesetz vorgelegt wird. Ideologie geht vor Recht und Gesetz und unserer Verfassung. Damit wird das Vertrauen in unseren Rechtsstaat massiv beschädigt. Es ist zudem ein perfides und zynisches Spiel mit der Angst von Mieterinnen und Mietern. Für mich ist ganz klar, wir haben und brauchen starke soziale Leitplanken im Mietrecht. Niemand soll aus seiner Wohnung deswegen verdrängt werden, weil er sich seine Miete nicht mehr leisten kann. Der Mietendeckel wird dieses Ziel aber nicht erreichen. Im Gegenteil, er verhindert den Bau von bezahlbaren neuen Wohnungen und verschärft somit das Problem steigender Mieten.

Wenn der Mietendeckel am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert, werden sich viele Mieter zudem mit hohen Nachzahlungen konfrontiert sehen. Wenn Mieter diese nicht leisten können, droht ihnen sogar die Kündigung. Der Mietendeckel mag gut klingen, tatsächlich ist er eine Mogelpackung und wird den Mietern schaden.

Sie wollen das Gesetz stoppen, in dem Sie das Bundesverfassungsgericht einschalten. Wie weit ist Ihr Vorhaben, die abstrakte Normenkontrolle in Karlsruhe einzureichen?

Wir wollen und werden eine abstrakte Normenkontrolle auf den Weg bringen, weil wir möglichst schnell Rechtssicherheit für alle Beteiligten wollen. Auf Bundesebene koordiniere ich das Verfahren. Wir wollen nicht nur die Frage der Kompetenz verfassungsrechtlich klären, ob also Bund oder Land für solche Regelungen zuständig sind. Es geht uns auch darum, die materiellrechtlichen Grenzen bei Eingriffen des Gesetzgebers in das Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 Grundgesetz deutlich zu machen.

Den Antrag an das Bundesverfassungsgericht werden wir deutlich vor der Sommerpause auf den Weg bringen. Dazu brauchen wir die Unterstützung von 25 Prozent der Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag, das entspricht 178 Bundestagsabgeordneten. Gleich nach der Verabschiedung des Gesetzes durch die rot-rot-grüne Mehrheit im Berliner Abgeordnetenhaus habe ich mit dem Einholen der Unterschriften begonnen. Allein 200 Unterschriften habe ich aus den Reihen der CDU/CSU eingesammelt. Damit haben wir das notwendige Quorum in kürzester Zeit und aus eigener Kraft erreicht. Auch die FDP-Fraktion im Bundestag unterstützt unser Vorhaben, so dass wir bereits insgesamt 280 Unterschriften haben. Das ist ein starkes politisches Signal und zeigt unsere Entschlossenheit. Der Mietendeckel ist der falsche Weg. Er wird das Problem auf dem Wohnungsmarkt nicht lösen.

Was glauben Sie, wie schnell wird es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geben?

Im April oder im Mai werden wir die abstrakte Normenkontrolle vermutlich auf den Weg bringen. Dann liegt es beim Bundesverfassungsgericht. Die rechtliche, wirtschaftliche und politische Sensibilität dieses Verfahrens ist Karlsruhe sicher sehr bewusst. Ich bin deswegen überzeugt, dass dieses Verfahren mit der gebotenen Priorität behandelt werden wird. Eine Prognose, wann es zu einer Entscheidung kommt, kann man aber leider nicht abgeben.

Die Mietpreisbremse ist Mitte Februar verlängert worden, der Mietendeckel ist Ende Februar in Berlin in Kraft getreten, der Betrachtungszeitraum für die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist Anfang Januar von vier auf sechs Jahre verlängert worden — das sind drei gravierende mietpolitische Einschnitte, die allein in den vergangen Wochen umgesetzt wurden. Das alles sind Vorhaben, die schnell umgesetzt wurden, aber das Problem doch nicht lösen, den Wohnungsbau anzukurbeln?

Wohnungen sind keine Ware wie jede andere. Es geht hier um existentielle Fragen, um ein Stück Rückzugsraum, um ein Stück Heimat für jeden einzelnen Menschen. Wir als Union wollen nicht, dass die Menschen Angst haben, aus ihrer Wohnung oder ihrer vertrauten Umgebung verdrängt zu werden. Deswegen ist es gut, dass wir ein soziales Mietrecht mit einer Fülle von mieterschützenden Regelungen haben. Es ist eines der besten in Europa. Aber am Ende können regulative Eingriffe das Problem steigender Mieten nicht lösen. Das einzige, was uns wirklich nachhaltig hilft, ist der Bau von neuen bezahlbaren Wohnungen. Darauf müssen wir uns konzentrieren. Hier hat gerade in Berlin Rot-Rot-Grün in den vergangenen Jahren viel zu wenig getan. Wir müssen mehr Bauland ausweisen, das Bauordnungsrecht entschlacken, das Bauen günstiger machen und Genehmigungsverfahren beschleunigen, indem wir mehr Kapazitäten bei den Planungsämtern aufbauen. Das sind die entscheidenden Weichenstellungen. Da müssen wir vorankommen. Nur die Schaffung von neuem Wohnraum wird in einer wachsenden Stadt wie Berlin langfristig für eine Entspannung am Wohnungsmarkt sorgen.

Aktuelle Umfragen sagen, dass über die Hälfte aller Mieter gern Wohneigentümer wären. Das Baukindergeld ist ein Erfolg, läuft aber aus. Das angekündigte KfW-Bürgschaftsprogramm ist noch nicht in Sicht und eine Senkung der Grunderwerbsteuer auch nicht. Wie ist es tatsächlich um die Förderung von Wohneigentum bestellt?

Wir als Union haben eine ganz klare Linie. Wir wollen mehr Familien ins Eigenheim bringen, den Traum von den eigenen vier Wänden ermöglichen. Das ist nicht wichtig, weil wir den Menschen damit eine solide Altersvorsorge geben, sondern hat auch etwas damit zu tun, wie wir unsere Gesellschaft verstehen. Eigentum sichert auch immer ein Stück persönliche Freiheit. Das Bundesverfassungsgericht hat das sehr schön formuliert: Eigentum ist die wirtschaftliche Basis von individueller Freiheit. Deswegen müssen wir alles dafür tun, um mehr Menschen Eigentumsbildung zu ermöglichen. Hier müssen wir noch besser werden, in Deutschland haben wir die niedrigste Eigentumsquote in ganz Europa. Das müssen wir ändern.

Dafür haben wir als Union das Baukindergeld durchgesetzt und werden das KfW-Bürgschaftsprogramm forcieren, um mehr Menschen über die Klippe des notwendigen Eigenkapitals zu helfen. Zudem setzen wir uns seit langem für die Absenkung der hohen Kaufnebenkosten ein, die gerade für viele jungen Familien ein Problem darstellen. Ein wichtiger Schritt ist uns dabei mit dem neuen Gesetz zur Maklerprovision gelungen: Zukünftig müssen Immobilienkäufer maximal der Hälfte der Maklerkosten tragen.

Die Senkung der Grunderwerbsteuer ist ein weiterer wichtiger Schlüssel zu mehr Wohneigentum.

Ja, gerade die Grunderwerbsteuer spielt beim Thema Eigentumsbildung, aber auch bei den Kosten des Mietzins eine große Rolle. Hier hat der Staat ganz unmittelbar Einfluss deswegen auch eine Verantwortung, dass er Bauen und am Ende auch Mieten nicht teurer als notwendig macht. In Berlin haben wir etwa 6 Prozent Grunderwerbsteuer, das macht das Bauen natürlich teurer als in Ländern wie Sachsen oder Bayern, wo der Steuersatz bei 3,5 Prozent liegt. Wenn Bauen aber teuer ist und refinanziert werden muss, dann wird dementsprechend auch die Vermietung des Objektes teurer. Deswegen sollte das Land Berlin nicht nur immer nach weiteren Regulierungen auf Kosten von Eigentümern rufen, sondern lieber die eigenen Hausaufgaben machen. Es hindert Rot-Rot-Grün in Berlin niemand daran, die Grunderwerbsteuer zu senken. Das hätte sofort einen unmittelbar die Baukosten senkenden Effekt.

Die Gestaltung der Grunderwerbsteuer ist zudem entscheidend dafür, mehr Familien in die eigenen vier Wände zu bringen. Eigentumsbildung scheitert oft daran, dass das notwendige Eigenkapital, etwa für die hohe Grunderwerbsteuer fehlt. Deswegen treten wir als Union für einen Freibetrag beim Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum ein. Das kann man wunderbar mit Familienförderung verbinden. Ein Vorschlag: Man hat etwa 300.000 Euro Freibetrag und pro Kind, das im Haushalt wohnt, kommen noch einmal 50.000 Euro oben drauf. Das wäre eine erhebliche Entlastung für junge Familien, die sich den Traum vom Eigenheim erfüllen wollen. Hierzu warten wir auf die Vorschläge des SPD-Bundesfinanzministers Olaf Scholz. Der beschäftigt sich aber leider offensichtlich lieber mit neuen Steuererhöhungsideen wie der Aktiensteuer als mit der Frage, wie man Familien entlasten kann. Das bedaure ich.

Kommt da noch etwas in dieser Legislaturperiode?

Das ist schwer zu sagen. Am Ende ist es natürlich so, dass die Einnahmeausfälle sich bei den Ländern realisieren, deshalb sind die Länder auch mit am Tisch. Auf der anderen Seite ist das Volumen der Grunderwerbsteuer in den Jahren enorm angestiegen. Insofern kann man aus meiner Sicht durchaus vertreten, wenn mit Freibeträgen Familien- und Eigentumsförderung gefördert wird.

Bundesinnen- und Bauminister Horst Seehofer hat vor, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu verschärfen. Wir wissen aber durch das Baukindergeld, dass die Förderung gerade bei den Bestandsimmobilien greift. Eine Verschärfung des Umwandlungsverbotes könnte das Angebot weiter verknappen und dazu beitragen, dass sich die Preise erhöhen. Wie passt das mit der Linie der Union zusammen, dass man Wohneigentum fördern will?

Überhaupt nicht. Die Einschränkung der Möglichkeiten der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen würde aus meiner Sicht unsere bisherige Politik konterkarieren. Wir als Union wollen mehr Familien den Traum vom Eigenheim ermöglichen. Deswegen stellen wir viele Milliarden Euro für das Baukindergeld zur Verfügung, um Eigentumsbildung zu ermöglichen. Wenn wir gleichzeitig aber das Entstehen von Eigentumswohnungen verhindern, ist das kontraproduktiv und wäre keine konsistente Politik. Das lehne ich ab.

 

Fotos: © AIZ