„Der Verkehr wird zusammenbrechen.“

10. Juli 2020


Die europäischen Metropolen überdenken ihre Verkehrskonzepte. Brüssel, Wien, Paris und andere erweitern ihre Fahrradspuren, London hat große Teile der Innenstadt für Autos gesperrt. Was vor einiger Zeit noch schwer umzusetzen schien, wird durch die aktuelle Corona-Krise beschleunigt. Im Interview spricht die AIZ mit Franz Tepe, Geschäftsführer der eurorad Deutschland GmbH, was das für Deutschland bedeutet.

Interview von Adrian M. Darr

AIZ: Deutschland steckt in der Verkehrswende. Dennoch ist die Mobilität immer noch vom Individualverkehr geprägt. Wo liegen derzeit die größten Probleme im Bereich Individualverkehr in Deutschland?

Franz Tepe: Immer mehr Menschen ziehen derzeit in die urbanen Räume. Laut Studie der Vereinten Nationen sollen bis zum Jahr 2050 60 bis 70 Prozent der Menschen in diesen Regionen leben. Das ist auch jetzt schon spürbar. Jedes Jahr ziehen etwa 70.000 Menschen nach Berlin. Dazu kommen noch die Touristen. Alle diese Menschen wollen mobil sein. Aber die Infrastruktur, die Straßen werden dadurch aber nicht breiter. Wenn man sich nicht zu vernetzten Mobilitätskonzepten umorientiert, wird der Verkehr komplett zusammenbrechen.

Was kann man gegen diese Probleme tun? Was können Unternehmen tun, um ihre Mobilität zu optimieren?

E-Bikes in Vernetzung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, auch in Verbindung mit Sharing-Konzepten, werden hier in Zukunft eine große Rolle spielen. In Kopenhagen beträgt der Anteil von Fahrrädern im Verkehr 45 Prozent. In Deutschland liegen wir immer noch bei elf bis zwölf Prozent. In spanischen Städten, oder aktuell durch die Corona-Krise in Brüssel und London, sieht man, wie Städte sozusagen auf die neuen Mobilitätsanforderungen vorbereitet werden.

Eine Lösungsmöglichkeit ist, „Park and Bike“-Stationen, sogenannte Hubs, also Parkanlagen mit beispielsweise E-Bikes an den Rändern der Städte zu schaffen. Menschen fahren mit ihren Autos an diese Hubs, parken dort und mieten sich ein E-Bike oder einen Roller und fahren damit die letzte Meile in die Stadt. Durch Corona zeigt sich auch, wie Menschen aktuell öffentliche Verkehrsmittel meiden. Auch Unternehmen können dazu beitragen, dass es solche Verkehrsproblematiken und Stausituationen in Zukunft nicht mehr gibt, indem sie ihren Mitarbeitern die Anreise mit alternativen Verkehrsmitteln ermöglichen.

Wir haben jetzt sehr viel über die Stadt gesprochen. Wie sind die Mobilitätskonzepte in ländlichen Regionen?

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 1,3 Millionen E-Bikes verkauft. Die wenigsten davon in den Städten. Das Problem ist, dass hier die sicheren Abstellmöglichkeiten fehlen. In den ländlichen Regionen sind E-Bikes sehr passende Verkehrsmittel. Damit können locker 15 bis 20 Kilometer zurückgelegt werden. Für Pendler in ländlichen Regionen ist das eine gute Lösung, um etwas für den Verkehr, fürs Klima und ihre Gesundheit zu tun.

Was muss die Politik tun, um die Umsetzung von neuen Mobilitätskonzepten leichter zu machen.

Die Politik muss natürlich die Infrastruktur anpassen und auf die neuen Mobilitätskonzepte ausrichten. Auch ich fahre zwar gern Auto, aber es macht keinen Sinn in einer Stadt für eine Strecke von sechs bis sieben Kilometern mehr als eine Stunde zu brauchen, was durch Stau ja häufig der Fall ist.

 

Fotos: © eurorad Deutschland GmbH