Die 5-Prozent-Hürde: Mehr Offenheit beim Ankauf

20. Juni 2018


Die Zyklen und Zeiten ändern sich — aber ein Gesetz scheint Bestand zu haben: Es gibt in jeder Phase immer einen Pool an ambitionierten Immobilienanlegern, die sich mit einer Drei vor dem Komma nicht zufriedengeben. Von Stefan Kalmund

Und mit einer Vier auch nicht. Für sie gilt es, eine 5-Prozent-Hürde zu nehmen, bei dennoch begrenztem Risiko versteht sich. Nun steht dem aber bekanntlich die anhaltende Renditekompression entgegen. Nicht nur in den Metropolen, auch in Städten wie Nürnberg oder Hannover sind die Immobilienrenditen längst unter Druck.
Wer Objekte erwirbt, um sie auf solche ambitionierten Anleger zuzuschneiden und hier dann auch den entsprechenden Exit sucht, braucht noch mehr frische Ideen und vor allem auch andere Städte beim Ankauf als bislang. Aber wenn frische Ideen, dann jetzt: Gegenwärtig werden nicht nur Wohnungen, sondern vielerorts auch gewerblich genutzte Immobilien knapp. Und gerade bei Letzteren ist es spätestens jetzt an der Zeit, sich auch den schwierigen Objekten zuzuwenden. Nicht dem Schrott wohlgemerkt. Unvermietbar und unverkäuflich bleibt auch in Boomphasen unvermietbar und unverkäuflich. Dass Phantasie alleine nicht ausreicht, haben ausreichend viele Unternehmen am Ende des letzten Booms zu spüren bekommen.

Wenn aber Phantasie auf ein Fundament aus soliden immobilienbezogenen makro- und mikroökonomischen Rahmendaten trifft — von A wie Arbeitslosenquote bis Z wie Zonierbarkeit einer Fläche zum Beispiel mit Blick auf höhenwertige Nutzungsarten oder erstmalige Multi-Tenant-Aufteilung —, dann lohnt sich eine Ankaufsprüfung durchaus. Wenn die Rahmendaten und die Lage innerhalb der Stadt es zulassen, ist Value-Add heute auch bei noch mehr Leerstand und bei noch größeren Substanzthemen denkbar. Selbst der Sockelleerstand sollte kein grundsätzliches Tabu mehr sein, solange die Lage stimmt.

Nähe zu Universitäten und guter Infrastruktur macht Immobilien attraktiver

Dabei spielt die Größe eines Standorts per se keine Rolle. Wichtiger ist die Liquidität des jeweiligen Immobilienmarktes in Relation zur jeweiligen Größe. Das Ausland bewundert die hiesigen Immobilienmärkte seit Jahren für unsere polyzentrale Struktur über die Metropolen hinaus. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich der verstärkte Ankauf beispielweise in Karlsruhe, Erlangen oder Sindelfingen, also Städten, die in ihrer Einwohnerzahl überschaubar sind, aber eine Wachstumsgeschichte haben und in eine aufstrebende Wirtschaftsregion eingebettet sind. Es scheint im Übrigen eine Korrelation zu geben zwischen dem Erfolg eines Immobilienmarkts und der Nähe zu Universitäten, zu ICE-Bahnhöfen und zu regionalen Flughäfen. Auch die Innovationsfreude beziehungsweise Anzahl der Patente in einer Region sind Indikatoren für attraktive Märkte, die vielleicht bislang nicht auf dem Radar mancher Unternehmen waren.

Allerdings: Solche Standorte eignen sich ohnehin vor allem für solche Immobilieninvestoren, die hier traditionell ihren Ankaufsschwerpunkt sehen. Je schwieriger eine Immobilie, desto wichtiger wird hier eine gewachsene lokale Expertise, um die Chancen vor Ort auch tatsächlich einschätzen und selbstverständlich auch umsetzen zu können. Die Wertschöpfung wird ja häufig erst durch die Repositionierung einer Immobilie und die Heilung eines Investitionsstaus realisiert — beziehungsweise durch neue Mieter, die überhaupt nur so angezogen werden können. Fast alles Arbeit, die vor Ort geschehen muss und ohne lokale Verankerung nur bedingt funktioniert. Jetzt unter Zeitdruck eine derartige Expertise aufzubauen oder zu hoffen, dass aus der Ferne schon alles klappen wird, ist zwar auch ein Weg, aber wiederum mit mehr Risiko verbunden.

Mittelständler binden sich länger an Mietverträge als große Konzerne

Die genannten Städte haben auch in wirtschaftlich schwachen Phasen ihre Stärke bewiesen: Es sind Städte des Mittelstands, und dies zahlt in hohem Maße wiederum auf die Stabilität eines Immobilieninvestments ein. Denn gesunde Mittelständler wollen nach wie vor den langfristigen Mietvertrag. Sie gehen mitunter weiterhin über die Grenze von 7 bis 10 Jahren hinaus. Der Notar, Anwalt oder Arzt mit einer Fläche von 400 bis 600 Quadratmetern will sich langfristig an den Standort binden, mit dem er verwurzelt ist. Gleiches gilt für die so genannten mittelständischen Unternehmen, die sich häufiger in solchen Mittelstandsstädten finden als in den Millionenmetropolen. In Deutschland sitzen 50 Prozent der Weltmarktführer ihres jeweiligen Segments (die „Hidden Champions“) ausschließlich in Städten abseits der vermeintlichen sieben Top-Standorte.

Im Gegensatz dazu stehen die großen Konzerne, die heute tendenziell so kurz und flexibel wie möglich mieten möchten. Und Immobilienanleger wiederum investieren nicht vordergründig in Namen, sondern in langfristige Wirtschaftskraft. Dies gilt für Städte wie Unternehmen gleichermaßen. Es empfiehlt sich also einmal eine Reise quer durch Deutschland: Denn nur wer bereit ist, diese Städte zu besuchen, kann attraktive neue Immobilien entdecken.