Die Betriebskostenfalle 2023: Hohe Nachzahlungen drohen

29. November 2022


Der Energiemarkt in Deutschland steht insbesondere aufgrund des Ukraine-Konflikts Kopf. Die Preise für Gas und Strom sind äußerst volatil; teilweise sind diese im Vergleich zu Anfang 2020 über tausend Prozent gestiegen. Dies stellt die gesamte Wohnungswirtschaft vor immense Herausforderungen. Sie befürchtet angesichts der explodierenden Energiekosten massive Zahlungsschwierigkeiten für Unternehmen und Mieter. Aus Sorge vor Zahlungsausfällen haben große Wohnungsunternehmen zu drastischen Maßnahmen gegriffen. So senkte Deutschlands größter Wohnungsanbieter nachts die Heiztemperatur. Andere Anbieter zogen nach. Ohne Anpassung der Bewirtschaftungskosten drohen 2023 erhebliche Nachzahlungen für Mieter und Wohnungseigentümer. 

Von Rechtsanwalt Dr. Marco Tyarks

Drosselung des Verbrauchs … 

Die zu erwartenden Nachzahlungen auf die Bewirtschaftungskosten für Vermieter und Wohnungseigentümer lässt sich zunächst durch eine Drosselung des Verbrauchs reduzieren. Dies betrifft vornehmlich Heizung und Warmwasser, da Stromlieferungsverträge in der Regel von Mietern und Wohnungseigentümern selbst abgeschlossen
werden.

… durch den Vermieter

Das Gesetz gibt keine konkreten Vorgaben, welche Heiz- und Warmwassertemperatur von einem Vermieter zu gewährleisten ist. Es gelten deshalb die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze. Der Vermieter ist danach verpflichtet, zumindest während der Heizperiode vom 1. Oktober bis zum 30. April die Heizanlage betriebsbereit zu halten. Teilweise wird auch angenommen, dass der Vermieter ganzjährig dafür Sorge zu tragen hat, dass bestimmte Mindesttemperaturen nicht unterschritten werden. Wohnräume müssen grundsätzlich mit mindestens 20 Grad Celsius beheizt werden können. In den Nebenräumen wird teilweise 18 Grad Celsius für ausreichend erachtet, für Bäder aber auch 22 Grad Celsius für erforderlich gehalten. In der Nachtzeit soll mindestens eine Temperatur von 16 Grad Celsius erreicht werden können (teilweise wird auch 18 Grad Celsius verlangt). Die Nachtzeit soll zwischen 22.00 Uhr und 24.00 Uhr beginnen und bis 6.00 Uhr andauern.

Entsprechendes gilt für gewerblich genutzte Räume, in denen sich Menschen nicht nur für vorübergehende Zeit aufhalten, zum Beispiel Büros und Restaurants. Die Warmwasserversorgung muss der Vermieter hingegen zu jeder Zeit gewährleisten. Das warme Wasser muss grundsätzlich nach 15 Sekunden eine Temperatur von 40 Grad Celsius und nach 30 Sekunden eine Temperatur von 55 Grad Celsius aufweisen. Häufig wird auch pauschal eine Temperatur zwischen 40 bis 60 Grad Celsius gefordert, was so jedoch nicht ausreichen dürfte.

Auch nach der Trinkwasserverordnung gilt unter anderem, dass

  • das Wasser den Warmwasserspeicher mit mindestens 60 Grad Celsius verlassen und mit mindestens 55 Grad Celsius wieder in den Speicher eintreten soll (DVGW W551) sowie
  •  der maximale Temperaturabfall im Leitungssystem nicht mehr als fünf Grad betragen darf (DVGW W551)

Dies ist auch erforderlich, damit es zu keinem Legionellenwachstum kommt. 

… durch die Wohnungseigentümergemeinschaft

Auch die Wohnungseigentümer können nach der Rechtsprechung ihren Verbrauch drosseln. Die gemeinschaftliche Heizungsanlage, die regelmäßig alle Sondereigentumseinheiten versorgt, steht im gemeinschaftlichen Eigentum. Die Eigentümer können daher im Rahmen ihres zugestandenen Ermessens die Einstellungen der Heizungsanlage durch Beschlussfassung regeln. Bei der Feststellung des zugestandenen Ermessens findet häufig eine Orientierung an den vorstehend ausgeführten mietrechtlichen Vorgaben statt. 

Erhöhung der Vorauszahlungen beziehungsweise Vorschüsse…

Die Nachzahlungen auf die Bewirtschaftungskosten für Vermieter und Wohnungseigentümer lassen sich ferner durch eine Erhöhung der Vorauszahlungen der Mieter beziehungszweise eine Erhöhung der Vorschüsse der Wohnungseigentümer reduzieren.

… durch den Vermieter

Sind Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart worden, so kann im Wohnraummietrecht jede Vertragspartei nach einer Abrechnung durch Erklärung in Textform eine Anpassung auf eine angemessene Höhe vornehmen. Im Gewerberaummietrecht gehen grundsätzlich die Regelungen im Mietvertrag vor. Für den Fall, dass ein Gewerberaummietvertrag zwar die Möglichkeit der Anpassungen der Vorauszahlungen vorsieht, dies aber nicht weiter konkretisiert wird, kann auf die vorgenannten Grundsätze des Wohnraummietrechts zurückgegriffen werden.

Auch der Vermieter kann die Betriebskosten, zu denen auch die Heizkosten gehören, daher nur nach einer Abrechnung erhöhen, und zwar nur einmal, bis er eine weitere Abrechnung für einen späteren Abrechnungszeitraum vorgelegt hat, selbst wenn die Kosten zwischenzeitlich erheblich gestiegen sind. Häufig werden die Vorauszahlungen
zusammen mit der Vorlage der Betriebskostenabrechnung erhöht. Dies ist zwar möglich, aber nicht notwendig. Der Vermieter kann die Vorauszahlungen auch noch zu einem späteren Zeitpunkt anpassen, sofern er diese in der Abrechnung noch nicht angepasst hatte. Die Abrechnung, auf die die Anpassung der Vorauszahlungen gestützt wird, muss jedoch formell ordnungsgemäß und inhaltlich richtig sein.

Der Vermieter kann die Vorauszahlungen angemessen erhöhen. Dies bedeutet keinesfalls — wie dies in der Praxis die Regel darstellt — dass lediglich der Nachzahlungsbetrag durch zwölf Monate geteilt und auf die Vorauszahlungen aufgeschlagen wird. Die letzte Betriebskostenabrechnung ist zwar Grundlage für eine Anpassung der Vorauszahlungen, hindert aber nicht die Berücksichtigung anderer — bereits eingetretener oder noch eintretender — konkreter Umstände, von denen die im laufenden Jahr entstehenden Kosten voraussichtlich beeinflusst werden. Lassen solche konkreten Umstände Vorauszahlungen in anderer Höhe als angemessen erscheinen, als unter Zugrundelegung der Abrechnung des Vorjahres zu erwarten wäre, so können sowohl der Mieter als auch der Vermieter eine entsprechende Anpassung vornehmen. Daher kann auch die Explosion der Energiekosten berücksichtigt werden, selbst wenn diese noch keinen Niederschlag in der letzten Betriebskostenabrechnung gefunden hat. Dies gilt aber nur dann, wenn die Erhöhung der Energiekosten konkret absehbar ist, beispielsweise wenn der Versorger — wie in letzter Zeit häufig zu beobachten — die laufenden Energieverträge mit dem Vermieter gekündigt hat. Einen pauschalen Sicherheitszuschlag kann der Vermieter hingegen nicht aufschlagen.

… durch die Wohnungseigentümergemeinschaft

Die Wohnungseigentümer beschließen über die Vorschüsse zur Kostentragung; der Verwalter stellt zu diesem Zweck einen Wirtschaftsplan auf. Der Verwalter muss dabei die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft schätzen, um ihren Finanzbedarf zu bestimmen. Bei der Schätzung besteht ein weites Ermessen, so dass vom Verwalter auch die massiv gestiegenen Energiekosten entsprechend berücksichtigt werden können. Die Berücksichtigung der gestiegenen Energiekosten ist dem Verwalter auch zu empfehlen. Denn eine Anfechtungsmöglichkeit des Wirtschaftsplans besteht auch dann, wenn die Vorschüsse wesentlich zu niedrig sind und damit hohe Nachzahlungen zu befürchten sind. Stellt sich heraus, dass die beschlossenen Vorschüsse nicht ausreichen, sollten die Wohnungseigentümer weitere Vorschüsse ohne Wirtschaftsplan (sogenannte Sonderumlage) beschließen. Die Instandhaltungsrücklage kann hingegen ohne Beschluss nicht zur Finanzierung von Deckungslücken eingesetzt werden.

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