Die deutsch-amerikanische Partnerschaft im Härtetest

14. Dezember 2020


Die gebürtige Berlinerin Christel Silver lebt sein 35 Jahren in den USA. Sie hat im Herzen von Delray Beach im Süden Floridas ihre Immobilienfirma. Was denkt die Wahl-Amerikanerin über die Präsidentschaftswahl und wie geht sie mit der Corona-Pandemie um? Die AIZ rief bei ihr an.

Interview von Heiko Senebald

AIZ: Hello, Frau Silver. Joe Biden hat die US-Präsidentschaftswahl gewonnen. Donald Trump geht weiter juristisch gegen die Wahlergebnisse vor. Wie ist die Stimmung bei Ihnen in Florida?

Christel Silver: Die Anhänger von Joe Biden sind begeistert, die Anhänger von Donald Trump sind enttäuscht. Florida hat überwiegend für Trump gestimmt. Abgesehen von seiner Persönlichkeit, die viele Amerikaner nicht mögen, honorieren aber viele, dass er seine Wahlversprechen gehalten hat. Sie feiern ihn, weil er unter anderem die Arbeitslosigkeit erheblich reduziert, die Steuern gesenkt, sich für den Schutz des persönlichen Eigentums eingesetzt, die Mauer zwischen Mexiko und der USA gebaut und die illegale Einwanderung verhindert hat.

Auf der anderen Seite wird Trump Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung vorgeworfen. Es heißt, Trump habe die amerikanische Gesellschaft noch weiter gespalten.

Obama hatte als schwarzer Präsident die Gelegenheit, das Volk zusammen zu bringen, er hat aber diesbezüglich total versagt. Wie kann man Trump Antisemitismus vorwerfen? Er hat Jerusalem als Hauptstadt anerkannt. Er hat mehr für das schwarze Volk getan als Obama: eine Strafrechtsreform, von der die schwarze Bevölkerung profitiert hat, die niedrigste Arbeitslosigkeit bei den schwarzen Bürgern und er hat schwarze Universitäten finanziell unterstützt. Trump steht für Recht und Ordnung, nicht für Diskriminierung.

Donald Trump hat bei überraschend vielen Immigranten gepunktet. Wie kommt das?

In Florida zum Beispiel gibt es viele Einwanderer aus Kuba. Die haben alle für Donald Trump gestimmt, weil sie dem Kommunismus entflohen sind und mit dem Demokraten Joe Biden die Wiederkehr des Kommunismus in den USA befürchten.

Donald Trump genießt zweifelsohne großen Rückhalt bei den US-Amerikanern. Er hat mehr Stimmen geholt als noch vor vier Jahren. Woran liegt das?

Trump ist kein Politiker, er spricht aber die Sprache des Volkes. Viele mögen seine Persönlichkeit nicht, aber befürworten seine Agenda. Er hat natürlich nicht das Charisma von Obama oder Reagan, aber er kann volksnah sprechen.

Sein Megafon ist quasi Twitter.

Er musste auf Twitter so aktiv sein, da nur wenige Medien über positive Aktionen von ihm berichtet haben. Aus meiner Sicht unterstützt die Presselandschaft zu 90 Prozent die Demokraten. Dagegen anzukommen ist nahezu unmöglich.

Sind Sie Fan von Donald Trump?

Ich persönlich bin konservativ und unterstütze die Republikanische Partei. Ich wünschte, dass Donald Trump mehr wie ein traditioneller Präsident amtiert und mehr Charisma gezeigt hätte. Ich verstehe oft nicht, wieso die meisten Deutschen demokratische Präsidenten wie Clinton, Obama oder Biden vergöttern, und die republikanischen Präsidenten wie Bush, Reagan oder Trump verabscheuen, ohne jegliche politischen Erfolge oder Niederlagen objektiv in Erwägung zu ziehen. Wahrscheinlich ist eine zu einseitige Medienberichterstattung auch der Grund dafür. Am Ende werden die Historiker die richtige Bilanz ziehen.

Wie fällt Ihre Bilanz für die zurückliegenden vier Jahre aus?

In der Zeit, bevor Corona das Leben verändert hat, gab es die besten wirtschaftlichen Verhältnisse in den USA. Trump hat viel für die schwarze Bevölkerung getan und die Armut verringert. Viele Menschen konnten auf einmal ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, weil sie eine neue Arbeit gefunden hatten. Das Militär wurde ausgebaut und er hat die Krankenversorgung der Soldaten grundlegend verbessert.

Die deutsch-amerikanische Freundschaft hat unter Trump gelitten. Das müsste Sie als gebürtige Berlinerin doch sicher traurig stimmen?

Ich habe die gleichen Erfahrungen gemacht, als Reagan Präsident war. Ich habe während der Luftbrücke in Berlin gelebt und bin noch heute dankbar, dass Berlin von den Alliierten nicht aufgegeben wurde.

Wie hat sich die Amtszeit von Donald Trump auf die Immobilienmärkte in den USA ausgewirkt?

Trump hat die Immobilienwirtschaft positiv unterstützt — unter anderem mit Steuervorteilen für Investoren, niedrigen Zinsen für Hypotheken und der Möglichkeit, Zinsen für Wohnungseigentum von der Einkommensteuer abzuschreiben.

Was erwarten Sie unter Joe Biden?

Immobilienexperten sagen, dass Steuervorteile bei der Investition in Immobilien abgeschafft werden. Außerdem ist eine Mietpreisbremse geplant. Biden plant einen Steuerfreibetrag von bis zu 15.000 Dollar beim ersten Kauf eines Hauses. Das kann sich positiv auswirken. Auf der anderen Seite werden aber die Zinsen erhöht. Biden will die Vororte mit Sozialem Wohnungsbau überschütten, was den Verkauf und Wert von Einzelhäusern reduzieren wird. Unter Trump wurden den Vermietern viele Rechte eingeräumt, Biden will den Mietern mehr Rechte und Kündigungsschutz zusprechen.

Das US-amerikanische Wahlsystem ist kompliziert. Bis zum 8. Dezember sollen die Bundesstatten ihre endgültigen Ergebnisse beglaubigen. Am 14. Dezember stimmen dann die 538 Wahlmänner und -frauen über den nächsten Präsidenten ab. Die Wahlleute spiegeln in der Regel die Ergebnisse ihres Bundesstaates wider. Es wird immer wieder spekuliert, dass es da eine Überraschung geben kann. Was denken Sie?

Erinnern wir uns an die Wahl in 2000. Al Gore wurde für 37 Tage als Präsident gefeiert und dann hat der Supreme Court die Wahl Bush zugesprochen. Seinerzeit gab es ein Problem mit den Wahlzetteln in Florida. Die einzelnen Staaten regulieren, wie die Wahl durchgeführt wird, allerdings dürfen diese Vorschriften nicht gegen die Verfassung verstoßen. Möglicherweise gab es aber Verstöße. Dennoch halte ich es für unwahrscheinlich, dass Trump gewählt wird.

In den USA sind inzwischen mehr als 250.000 Corona-Tote zu beklagen. Wie gehen Sie mit der Corona-Pandemie um?

Ich persönlich trage immer einen Mund-Nasenschutz, ich gehe nur in Restaurants, die draußen Tische aufgestellt haben, bleibe großen Veranstaltungen fern. Ich habe das Glück, in Florida zu wohnen, wo ich am Strand allein laufen und frische Luft atmen kann. Seit zwei Monaten darf ich wieder Tennis spielen. Ich hoffe, diese Aktivitäten halten mich gesund.

Was glauben Sie, warum breitet sich das Virus in den USA so stark aus?

Es wurden viele Fehler begangen, zum Beispiel wurden Patienten in New York mit Corona-Virus wieder in ihre Altersheime entlassen oder viele Menschen infizierten sich bei Massendemonstrationen. Man muss aber auch bedenken, dass in den USA mehr Corona-Tests gemacht und somit mehr Fälle entdeckt wurden. Die prozentualen Todeszahlen sind aber glücklicherweise stark zurückgegangen.

Die wirtschaftlichen Schäden sind in Deutschland vor allem in der Gastronomie, in der Hotellerie und im Einzelhandel riesig. Der Gewerbemarkt ächzt. Der Wohnimmobilienmarkt zeigt sich aber völlig unbeeindruckt. Wohninvestments könnten am Ende sogar die Gewinner der Krise sein. Wie sieht es bei Ihnen in Amerika aus?

Es sieht bei uns ähnlich aus, wobei wir speziell in Florida von einem regelrechten Boom sprechen können, da unter anderem viele New Yorker nach Florida kommen. Die Preise in New York sind gesunken und unsere Preise steigen. Mit der Vorankündigung der Steuererhöhung, kommen nun auch Menschen aus Kalifornien nach Florida, da wir keine Einkommensteuer in Florida haben.

Allerdings werden wir demnächst vermehrt mit Zwangsversteigerungen rechnen müssen. Denn viele Geschäfte und Restaurants müssen schließen. Andere, die noch können, stellen ihren Geschäftsbetrieb um. Starbucks zum Beispiel wandelt die Geschäfte um als Drive By, Büros werden umgebaut beziehungsweise verkleinert, da das Personal von zu Hause aus arbeitet. Zoom-Meetings und -Versammlungen sind angesagt und werden auch in der Zukunft bleiben. Ob die Hotel-, Flug-, und Schifffahrtsindustrie überleben kann, ist sicher eine weltweite Frage. Die Folgen von Corona werden über Jahre nicht absehbar sein.

Welche Gedanken haben Sie, wenn Sie derzeit an Deutschland denken?

Ich vermisse den persönlichen Kontakt mit meiner Familie und meinen Freunden, die Möglichkeit, mal für eine Woche nach Deutschland zu fliegen. Auch können meine Kunden aus Deutschland und der Schweiz ihre Immobilien in Florida nicht genießen. Ich habe mit all meinen deutschen und schweizer Kunden ein freundschaftliches Verhältnis und „betreue“ deren Immobilien während der Corona-Zeit für sie. Ich hoffe, dass wir alle bald wieder reisen und uns wiedersehen können.