Die digitale WEG-Versammlung

24. Juni 2020


Die Digitalisierung der Immobilienverwaltung bietet Verwaltern und Immobilieneigentümern schon heute zahlreiche Vorteile. Doch neben einer Verschlankung der Arbeitsabläufe und einer Automatisierung gesamter Geschäftsprozesse werden in naher Zukunft auch neue Versammlungsformate eine Selbstverständlichkeit sein, die heute noch nach Science-Fiction klingen. Hierzu zählt beispielsweise die Digitale Wohnungseigentümerversammlung (WEG-Versammlung).

Von Stephanie Kreuzpaintner

Dass die Immobilienwirtschaft hinsichtlich technischer Neuerungen und digitaler Optimierungen eher etwas schwerfälliger agiert als andere Branchen, ist bekannt. Dennoch wird sich insbesondere die Immobilienverwaltung durch die Nutzung digitaler Medien in den kommenden Jahren fundamental wandeln. Dabei kommt der Einsatz technischer Neuerungen nicht nur den Verwaltern zu Gute — auch Eigentümer innerhalb einer WEG werden von Innovationen profitieren.

Die rechtlichen Weichen hierfür werden in der WEG-Reform gestellt. Der Gesetzentwurf, der Ende März vom Bundeskabinett beschlossen wurde, liegt derzeit im Bundestag zur weiteren Beratung und Beschlussfassung vor. Der Immobilienverband Deutschland (IVD) rechnet damit, dass das Gesetzgebungsverfahren im Sommer 2020 abgeschlossen wird. Das Gesetz soll dem Entwurf zufolge zu Beginn des zweiten Kalendermonats nach Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.

Traditionelle WEG-Versammlungen mit Anwesenheitspflicht

Das bisherige Wohnungseigentümergesetz stammt aus dem Jahr 1951. Demzufolge überrascht es nicht, dass die Möglichkeit einer „virtuellen Anwesenheit“ der Teilnehmer im immer noch gültigen Gesetzestext nicht vorgesehen ist. Das Gesetz spricht vielmehr von „erschienenen stimmberechtigten Eigentümern“, was gemeinhin als körperliche Präsenz interpretiert wird. Auch Telefonkonferenzen hat der Gesetzgeber in früheren Zeiten abgelehnt. Obwohl es schon seit geraumer Zeit technisch möglich ist, Konferenzen abzuhalten, bei denen nicht alle Parteien vor Ort sind, scheuen viele Hausverwalter die Einbindung nicht persönlich anwesender Eigentümer — schließlich ist im Gesetz von „erschienenen Mitgliedern“ die Rede. Und auch die Frage, ob wirklich auch nur teilnahmeberechtigte Personen der Versammlung beiwohnen, steht bei der Nutzung technischer Hilfsmittel im Raum — schließlich handelt es sich bei WEG-Versammlungen um nicht öffentliche Veranstaltungen. Diese Rechtslage soll durch die nun anstehende Novellierung des Wohnungseigentümergesetzes grundlegend geändert werden. Dabei sieht der derzeitige Gesetzesentwurf die Nutzung digitaler Medien in erster Linie als Ergänzung zu einer konventionellen Eigentümerversammlung. Die Möglichkeit, Präsenzversammlungen per Mehrheitsbeschluss zugunsten reiner Online-Eigentümerversammlungen abzuschaffen, sieht der Entwurf ausdrücklich nicht vor.

Versammlungen per Video-Konferenz

Eine mögliche Methode, um die Teilnahme stimmberechtigter Eigentümer einzuräumen, die nicht persönlich vor Ort sind, ist die Videokonferenz. Um zu gewährleisten, dass alle Teilnehmer auch stimmberechtigte Mitglieder der Eigentumsgemeinschaft sind, ist hierbei zwingend die Zusendung entsprechender Zugangsdaten erforderlich. Doch dieses Format, das nach Fassung eines entsprechenden Beschlusses der WEG schon heute in einigen wenigen Wohnanlagen zum Einsatz kommt, hat seine Tücken. So ist es für den Verwalter beispielsweise nicht ohne Weiteres möglich, auf der Versammlung erfolgte Abstimmungen rechtssicher zu dokumentieren. Auch anonymisierte Abstimmungen sind mit dieser Methode nicht realisierbar.

Aufeinandertreffen im virtuellen Raum

Eine technische Weiterentwicklung bietet ein virtueller Konferenzraum, in dem sich zugangsberechtigte Versammlungsteilnehmer „treffen“ können, obwohl sie sich jeweils vor dem eigenen PC oder Notebook befinden. Hierfür erstellt jeder Teilnehmer einen sogenannten Avatar — eine virtuelle Person, die ihn in der Versammlung vertritt. Über diese animierte Figur kann der Eigentümer an der Veranstaltung teilnehmen, als wäre es selbst vor Ort. So können sich die einzelnen WEG-Mitglieder beispielsweise zu Wort melden oder über Armbewegungen ihres Alter-Egos an Abstimmungen teilnehmen. Das Praktische für den Verwalter: Alle Stimmabgaben können auch im Nachhinein einwandfrei nachvollzogen und dokumentiert werden. Dabei können Abstimmungen sowohl offen als auch anonymisiert vorgenommen werden.

Die Zukunft der Eigentümerversammlung

Die Möglichkeit zur virtuellen Teilnahme an einer Eigentümerversammlung bietet sowohl Verwaltern wie auch den Teilnehmern der Versammlung zahlreiche Vorteile: Für die Eigentümer, die nicht selten an einem anderen Ort oder gar in einem anderen Land wohnhaft sind, entfällt eine zeitintensive und mitunter kostspielige Anreise. Dennoch können sie sich mit Miteigentümern austauschen, an der Veranstaltung teilnehmen, als wären sie persönlich vor Ort und sich aktiv an Abstimmungen beteiligen. Und auch Verwalter profitieren vom Angebot einer virtuellen Eigentümer-Einbindung. So wird es mit dieser Möglichkeit beispielsweise leichter sein, die für Abstimmungen erforderlichen 50 Prozent der Eigentumsanteile zu erreichen, da auch Eigentümer an Versammlungen teilnehmen können, die sich gerade nicht in unmittelbarer Nähe zum Versammlungsort befinden. Zudem lassen sich die abgegebenen Stimmen bei Abstimmungen der Wohneigentumsgemeinschaft — im Gegensatz zu einer Teilnahme der Eigentümer per Video-Konferenz — einwandfrei nachvollziehen und rechtssicher dokumentieren.

Die Anwendung einer solchen digitalen Eigentümerversammlung ist selbstverständlich abhängig von der Zusammensetzung und Struktur der entsprechenden Eigentümergemeinschaft. Für viele — insbesondere ältere — Eigentümer ist die jährliche Versammlung auch ein Anlass, um sich persönlich zu treffen und soziale Kontakte zu pflegen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die moderne Technik sukzessive auch Eingang in die WEG-Versammlung finden wird — die gesetzlichen Grundlagen hierfür werden bald geschaffen.

 

Fotos: © TriCAT/DOMUS Software AG