Die geplante Grundsteuerreform

15. Mai 2019


Nach dem Referentenentwurf des Bundesministers der Finanzen soll die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer auch in Zukunft an den Wert des Grundstücks anknüpfen. Man spricht von einem wertabhängigen Modell (WAM). Maßgeblich sollen die Mieten und der Bodenwert des Grundstücks sein. Der entsprechende Gesetzesentwurf ist am 9. April veröffentlicht worden.

Von Hans-Joachim Beck

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Einzelheiten des Referentenentwurfs

In § 25 Abs. 4 GrStG – E wird den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt für baureife Grundstücke einen besonderen Hebesatz festzusetzen. Als baureif gelten Grundstücke, die nach ihrer Art und Lage sowie nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften sofort bebaubar sind. Zivilrechtliche Gründe, die einer sofortigen Bebauung entgegenstehen, sollen unbeachtlich sein.

Die neuen Grundsteuerwerte sollen in den §§ 219 ff des BewG geregelt werden. Die Regelungen entsprechen den vorab veröffentlichten sogenannten Eckwerten und sind deshalb nicht überraschend. Unbebaute Grundstücke sollen nach § 247 BewG-E mit dem Bodenrichtwert bewertet werden. Im Ertragswertverfahren sind nach § 250 BewG-E sind zu bewerten: Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungseigentum, Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke und Teileigentum.

Für Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke oder Teileigentum ist abweichend davon das Sachwertverfahren nach §§ 258 bis 260 BewG– E anzuwenden, wenn sich für die wirtschaftliche Einheit auf dem örtlichen Grundstücksmarkt keine übliche Miete ermitteln lässt. Der Grundsteuerwert ergibt sich aus dem kapitalisierten Reinertrag nach § 253 BewG–E (Barwert des Reinertrags) und dem abgezinsten Bodenwert nach § 257 BewG– E. Mit dem Grundsteuerwert sind die Werte für den Grund und Boden, die Gebäude, die baulichen Außenanlagen und die sonstigen Anlage abgegolten.

Der Reinertrag des Grundstücks ergibt sich aus den Rohertrag (§ 254 BewG–E) abzüglich der Bewirtschaftungskosten (§ 255 BewG-E). Nach § 254 Abs. 2 BewG–E ermittelt sich der jährliche Rohertrag für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum, auf der Grundlage der in der Anlage 39 dargestellten monatlichen Nettokaltmieten je Quadratmeter Wohnfläche einschließlich der in Abhängigkeit der Mietniveaustufen und Einwohnerzahl festgelegten Zu- und Abschläge. Ein Nachweis, dass die tatsächliche Miete oder der tatsächliche Bodenwert niedriger ist, ist nicht vorgesehen.

Zur Ermittlung des abgezinsten Bodenwerts ist gemäß § 257 BewG-E vom Bodenwert nach § 247 BewG-E auszugehen. Der Bodenwert ist mit dem sich aus der Anlage 41 ergebenden Abzinsungsfaktor abzuzinsen. Maßgebend für den Abzinsungsfaktor sind der Liegenschaftszinssatz nach § 256 und die Restnutzungsdauer des Gebäudes nach § 253 Absatz 2 Satz 3 bis 6.

In Art. 16 wird in § 10 der Immobilienwertverordnung ein Absatz 3 eingefügt, der wie folgt lautet: Die Bodenrichtwertzonen sind grundsätzlich so abzugrenzen, dass lagebedingte Wertunterschiede zwischen der Mehrheit der Grundstücke und dem Bodenrichtwertgrundstück nicht mehr als 30 Prozent beträgt.

Die Steuermesszahl soll grundsätzlich 0,34 vom Tausend betragen. Sie soll sich nach § 15 Abs. 2 GrEStG-E um 25 Prozent für Wohnungen ermäßigen, die im sozialen Wohnungsbau errichtet werden, die einer Wohnungsbaugesellschaft gehören, die mehrheitlich einer Gebietskörperschaft gehört, wenn zwischen der Wohnungsgesellschaft und der Gebietskörperschaft ein Gewinnabführungsvertrag besteht, oder die Wohnungsbaugesellschaft als gemeinnützig i.S. des § 52 AO anerkannt ist. Außerdem soll die Reduzierung der Steuermesszahl für Genossenschaften und Vereine gelten, die ihre Geschäftstätigkeit gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 a und B KStG beschränken und von der Körperschaftsteuer befreit sind. Dafür ist im Referentenentwurf die Möglichkeit gestrichen worden, eine tatsächlich niedrigere Miete nachzuweisen.

Der Länderfinanzausgleich soll für eine Übergangszeit von 2015 bis 2017 „eingefroren“ werden, d.h. er wird anhand der Bemessungsgrundlagen ermittelt, die für 2014 festgestellt worden sind. Für die Jahre 2018 und 2017 soll eine Übergangsregelung gelten, nach der die für 2024 festgestellten Beträge für 2028 noch zu 67 Prozent und für 2029 zu 33 Prozent zugrunde gelegt werden.

Kompromiss

Allerdings konnten sich die Länder und auch die Abgeordneten bisher nicht auf dieses Modell einigen. Die Bedenken gehen vor allem dahin, dass es gegenüber dem derzeitigen Zustand zu einer erheblichen Verschiebung und Spreizung der Belastung kommen wird. Während einige Grundstücke geringer belastet werden, kommt es bei anderen zu einer erheblich höheren Belastung. Befürchtet wird, dass diejenigen, die von der höheren Steuer betroffen sind, heftig protestieren, während die anderen schweigen werden. Diese Verschiebung der Steuerbelastung ist zwar bei jeder Reform der Grundsteuer unausweichlich. Bei einem wertunabhängigen Modell würde die Abweichung gegenüber dem bisherigen Zustand dagegen sehr viel geringer ausfallen, so dass die sozialen Verwerfungen maßvoller ausfallen würden. Würde man bei einem wertabhängigen Modell den Bodenwert unberücksichtigt lassen, wäre der Effekt ebenfalls geringer als bei dem Verfahren des Referentenentwurfs, da die Bodenwerte schneller und stärker gestiegen sind als die Mieten und diesen deshalb vorauseilen.

Ein Kompromiss könnte darin bestehen, dass der Bundesgesetzgeber durch ein Bundesgesetz gemäß Art 125 a Abs. 2 Satz 2 GG den Ländern die Möglichkeit eröffnet, die Grundsteuer durch Landesgesetze zu regeln. Denkbar wäre auch, dass der Bundesgesetzgeber die Grundsteuer durch ein Bundesgesetz regelt und gleichzeitig den Ländern die Möglichkeit einräumt, abweichende Ländergesetze zu erlassen. Nach der Vorschrift kann durch Bundesgesetz bestimmt werden, dass das Bundesgesetz durch Landesrecht ersetzt werden kann.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Gesetzgebungsbefugnis des Bundes

Gegen den vom BMF vorgelegten Gesetzesentwurf bestehen verfassungsrechtliche Bedenken.

Zunächst stellt sich die Frage, ob der Bund die Gesetzgebungsbefugnis für dieses Gesetz hat. Da das Aufkommen der Grundsteuer gem. Art. 106 Abs. 6 GG nicht dem Bund, sondern den Gemeinden zusteht, hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz nur, wenn die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Bis zur Neufassung mit Wirkung zum 15.11.1994 verlangte die Vorschrift nur, dass ein Bedürfnis für eine bundeseinheitliche Regelung besteht. Auf dieser Fassung des Grundgesetzes beruht das derzeitige Grundsteuergesetz vom 7.8.1974. Mit Wirkung zum 15.11.1994 ist Art. 72 Abs. 2 GG dahingehend geändert worden, dass der Bund für den Erlass eines Grundsteuergesetzes nur dann zuständig ist, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist zweifelhaft, weil die Höhe der Steuer ohnehin in den einzelnen Gemeinden unterschiedlich ist, da sie letztlich von dem Hebesatz abhängt, die jeweilige Gemeinden festsetzt. Außerdem knüpft die Grundsteuer ausschließlich an die Lage des Grundstücks an, so dass keine Probleme entstehen, wenn der Eigentümer seinen Wohnsitz in einer anderen Gemeinde hat oder seinen Wohnsitz wechselt.

Unabhängig davon gilt das derzeitige Grundsteuergesetz jedenfalls gem. Art. 125 a GG als Bundesrecht fort. Diese Vorschrift lässt nach der Rechtsprechung des BVerfG auch eine gewisse Änderung durch den Bundesgesetzgeber zu, da die Verfassung keine „Versteinerung“ des Rechts verlangt. Die Änderung muss sich aber in engen Grenzen halten und darf wesentlich Elemente nicht verändern. Fraglich ist daher insbesondere, ob der Bund im Rahmen des Art. 125 a GG die Befugnis hat, den Gemeinden die Einführung einer Grundsteuer C zu ermöglichen. Denn eine solche Steuer ist Anfang der 60iger Jahre kurz eingeführt und schnell wieder aufgehoben worden.

Das Gebot der Folgerichtigkeit

Inhaltlich stellt sich die Frage, ob die geplante Regelung den Steuergegenstand ausreichend erkennen lässt. Nach der Entscheidung des BVerfG vom April 2018 hat der Gesetzgeber zwar einen weiten Spielraum, den Steuergegenstand der Grundsteuer zu bestimmen. Durch die Ausgestaltung des Gesetzes muss die Entscheidung über den Steuergegenstand aber folgerichtig umgesetzt werden, so dass der Steuergegenstand erkennbar bleibt. Wenn der Gesetzgeber den Wert des Grundstücks zum Steuergegenstand bestimmt, muss er diesen deshalb so genau wie möglich ermitteln. Dabei darf er natürlich Vereinfachungen vornehmen soweit sie für ein Massenverfahren notwendig sind. Die Vereinfachung darf aber nur soweit gehen, wie sie zur Durchführung des Gesetzes erforderlich ist. Die vorgeschlagenen Pauschalisierungen der Mieten und der Bodenwerte geht darüber jedoch hinaus und führt letztlich zu fiktiven Werten, die mit dem tatsächlichen Ertragswert des Grundstücks nichts mehr zu tun haben. Sie ähneln aufgrund der Pauschalisierungen den Äquivalenzzahlen des Flächenmodells. Damit erweist sich das sogenannte „Kompromissmodell“ letztlich als eine Mischung aus Äquivalenzmodell und Ertragswertmodell, bei dem der Steuergegenstand nicht mehr ersichtlich und das Gebot der Folgerichtigkeit verletzt ist.

Relationsgerechtigkeit der Werte

Sind die tatsächlichen Mieten niedriger als die von der Finanzverwaltung angesetzten Mietwerte, muss der Eigentümer das Recht haben, diese geltend zu machen. Das Gleiche gilt für die Bodenwerte. Der Referentenentwurf hat diese ursprünglich vorgesehene Möglichkeit völlig gestrichen und stattdessen § 25 Abs. 2 – 4 GrStG-E für bestimmte Wohnungen eine um 25 Prozent reduzierte Steuermesszahl vorgesehen. Dies wird dem Anspruch auf individuelle Steuergerechtigkeit jedoch nicht gerecht, weil es nicht ausreichend zielgenau ist. Denn es gibt auch viele private Vermieter, die ihre Wohnungen zu einer Miete vermieten, die unterhalb der statistischen Durchschnittsmiete liegt, etwa weil sie die Möglichkeiten zur Mieterhöhung nicht ausgeschöpft haben.

Wenn der Gesetzgeber den Wert des Grundstücks zum Steuergegenstand erklärt, muss er zumindest die Relation zwischen den Werten der Grundstücke realitätsgerecht erfassen. Anderenfalls stehen wir wieder vor demselben Problem wie bei den Einheitswerten. Denn das BVerfG hat die Einheitswerte nicht deshalb für verfassungswidrig erklärt, weil sie zu hoch sind, sondern weil die Relation zwischen den Grundstücken nicht gewahrt wird.

Aus dem Wert des Grundstücks ergibt sich keine Leistungsfähigkeit

Der Ansatz einer wertabhängigen Bemessungsgrundlage wird mit dem Gedanken der sozialen Gerechtigkeit gerechtfertigt: Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verlange, dass Steuergegenstand der Grundsteuer der Wert des Grundstücks sei, da Anknüpfungspunkt die „ sich aus dem Wert des Grundstücks ergebende Leistungsfähigkeit“ sein müsse. Dies klingt zwar gut, da das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ein wesentlicher Grundsatz des Steuerrechts ist. Dass sich aus dem Wert des Grundstücks eine entsprechende Leistungsfähigkeit des Nutzers ergibt, ist aber nicht wahr. Wenn der Mieter eine Mieterhöhung erhält, erhöht dies zwar den Wert des Grundstücks, der Mieter wird dadurch aber nicht leistungsfähiger. Allenfalls der selbstnutzende Eigentümer wird leistungsfähiger, wenn sein Grundstück im Wert steigt. Solange er das Grundstück nicht verkauft, ist dieser Zusammenhang aber nur theoretischer Natur.

Die Grundsteuer ist keine Ertragsteuer und keine Vermögensteuer, sondern eine Realsteuer und hat daher mit der Leistungsfähigkeit nichts zu tun. Wesentlich tragfähiger ist daher der Äquivalenzgedanke, nach dem die Grundsteuer ein Ausgleich für die Inanspruchnahme der Infrastruktur der Gemeinde durch die Nutzer des Grundstücks sein soll. Insofern können die Flächen des Gebäudes und des Grundstücks sehr gut als Indikator für das Ausmaß der Inanspruchnahme herangezogen werden.

Kein direkter Zusammenhang zwischen dem Steuermessbetrag und der Höhe der Steuer

Zu bedenken ist auch, dass der Zusammenhang zwischen dem Wert der Bemessungsgrundlage (Steuermessbetrag) und der letztlich zu zahlenden Grundsteuer nur sehr indirekt ist. Denn die Höhe der Steuer ergibt sich nicht aus einer Multiplikation der Bemessungsgrundlage mit einem in Deutschland einheitlich geltenden Steuersatz. Vielmehr bestimmt jede Gemeinde selbständig den Hebesatz für die auf ihrem Gebiet liegenden Grundstücke. Es kann daher durchaus sein, dass ein Grundstück mit einem niedrigen Grundsteuerwert höher besteuert wird als ein Grundstück mit einem höheren Grundsteuerwert. Nur für Grundstücke, die innerhalb derselben Gemeinde liegen und für die deshalb derselbe Hebesatz gilt, besteht deshalb ein direkter Zusammenhang zwischen dem Grundsteuerwert und der Höhe der Steuer.

Steuervereinfachung

Mit der Einführung eines wertabhängigen Modells verpasst der Gesetzgeber wieder einmal die Chance zu einer Steuervereinfachung. Das vorgeschlagene wertabhängige Modell wird dagegen zu vielen Rechtsstreitigkeiten führen, weil die vorgenommenen Pauschalierungen keinen Bürger überzeugen werden, der eine höhere Steuerzahlen soll. Nur um der Chimäre einer angeblichen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nachzujagen, nimmt der Gesetzgeber eine komplizierte Regelung in Kauf, deren Verfassungsmäßigkeit darüber hinaus äußerst zweifelhaft ist.

 

Foto: © Dmyrto_Z / Depostiphotos.com