Digitales Farming

29. November 2017


Farming ist eine aus den USA kommende Marketingmethode, die im Wesentlichen darauf beruht, in einem klar abgegrenzten Gebiet möglichst viele Berührungspunkte mit der Zielgruppe herzustellen und dadurch als lokale Marke wahrgenommen zu werden. Auch im Internet ist es möglich, eine im übertragenen Sinn verstandene „Farm“ aufzubauen: Vieh heranzuziehen, Saat auszubringen, Feld und Hof zu pflegen, zu bewirtschaften und schließlich zu ernten. Von Jan Kricheldorf

Einer Immobilientransaktion geht immer ein Veränderungsprozess voraus. Menschen, die ein Haus kaufen oder verkaufen, haben sich vielleicht vergrößert oder verkleinert, eine Immobilie geerbt, sind zu alt, um sich darin bewegen zu können, leben in Scheidung oder haben Geldprobleme. Die Entscheidung, eine Immobilie zu verkaufen, fällt nicht von heute auf morgen und der Weg bis dahin wird als Customer Journey bezeichnet, als Kundenreise.

Möglichst oft Bedürfnisse aktivieren

Mit Farming soll nun dieser Prozess begleitet werden, indem möglichst viele Berührungspunkte mit dem Kunden hergestellt werden und die Erkenntnis reift, dass die angebotene Dienstleistung oder das Produkt die Lösung des Problems parat hält. Dieses Erfolgsprinzip kennt keine Grenzen zwischen analoger und digitaler Welt. Es geht schlicht darum, den Entscheidungsfindungsprozess des Kunden aktiv zu begleiten.

Eine Farm im Internet einrichten

Im Internet scheint das zunächst schwerer zu sein als traditionell. Man läuft nicht durch sein Revier oder das Vertriebsgebiet, klingelt an Türen und steckt Farming-Karten. Im Internet wird die Kundenberührung in aller Regel durch Werbekampagnen oder Suchmaschinenoptimierung erreicht. Insbesondere so genannte „Remarketing“-Kampagnen setzen darauf, sich permanent ins Bewusstsein der Zielgruppe zu rücken.

Klassische Werbung wird jedoch oft als zu aufdringlich empfunden, auch weil ein Spot bei der Entscheidungsfindung nicht unbedingt weiterhilft und der Kunde noch nicht abschlussbereit ist. Deswegen wird derzeit viel über die alternative Form Content-Marketing gesprochen. Diese Form der Auftragsgewinnung setzt auf Inspiration und konkrete Hilfestellungen über Inhalte, die den Themenkosmos der Zielgruppe berühren und ist deswegen auch dem klassischen Farming sehr ähnlich.

Folgendes muss dabei berücksichtigt werden: Zunächst wissen wir im Internet am Anfang noch nicht, mit welchen Kunden wir es zu tun haben. Beispiel:  Die Zielgruppe hat auf das Stichwort „Immobilienbewertung“ reagiert. Die Motivlage kann aber völlig verschieden sein. Ein potenzieller Kunde hat vielleicht gerade zusammen mit anderen geerbt und es gibt Streit, was mit der Immobilie geschehen soll. Einig ist man sich lediglich, dass einmal ermittelt werden soll, wie viel die Immobilie wert ist, um eine Diskussions-Grundlage zu haben. Deswegen wird online eine Immobilienbewertung durchgeführt. Weil es einfach ist. Andere Kundengruppen plagen sich hingegen mit der Entscheidung, die Oma entweder in eine Pflegeeinrichtung vermitteln zu müssen oder die in die Jahre gekommen Wohnung altersgerecht umzubauen. Mit Digitalem Farming kann einerseits ermittelt werden, wo der Kunde gerade steht und es können andererseits weitere Inhalte und Berührungspunkte darauf ausgerichtet werden, um die Entscheidung zu beeinflussen.

Die relevanten Themen richtig platzieren

Es geht also darum, permanent Themen der Zielgruppe so zu platzieren, das erkannt werden kann, wer darauf reagiert. Im nächsten Schritt können dann weitere Inhalte und Impulse deutlich zielgerichteter angeboten werden, um da zu sein, wenn sich der Entscheidungsfindungsprozess, die Customer Journey, sich dem Ende nähert.

In der Praxis geschieht das bislang ungenügend. Ein Beispiel: Bei einem Kundenbesuch stellte sich neulich heraus, dass ein Maklerunternehmen beinahe hunderte automatisch generierte Immobilienbewertungen durchgeführt hatte. Eindeutig nachvollziehbare Aufträge waren daraus nicht entstanden. Das ist oft der Fall bei Kontakten, die aus Lead-Generation entstehen. Der Datenbestand muss immer qualifiziert werden, um ihn nutzbar zu machen und zum Abschluss zu bringen. Das kann mit Digitalem Farming hervorragend getan werden.

Qualifizierung durch Newsletter

Zum Beispiel, indem man in die generierte Datenbank einen regelmäßigen Newsletter schickt. Das Einverständnis der Kunden muss bei der Online-Immobilienbewertung oder anderen Leadgeneratoren über das so genannte Double-Optin-Verfahren natürlich vorab als Bedingung eingeholt worden sein. Ist das der Fall können Sie im Newsletter Themen platzieren, die eine Differenzierung der Kundengruppe ermöglicht. Beispiel: Barrierefrei wohnen, diese Förderungen sollten Sie kennen. Immobilienverrentung: So vermeiden Sie Streit unter den Erben. Immobilie privat verkaufen — so geht‘s. Mails lassen sich über Newsletter-Software auswerten. Sie sehen also in der Auswertung, welcher Kunde sich mit welchem Thema beschäftigt hat und können daraus entweder eine Vertriebsliste für Ihren Einkauf zusammenstellen oder Ihre Datenbank mit kundenspezifischen Merkmalen anreichern. Vergessen Sie nicht, Handlungsaufforderungen zu setzen, um weitere Aktionen auszulösen.

Die eigene Plattform zuerst

Inhaltlich gilt der Grundsatz: Meine Webseite zuerst, alle anderen Kanäle als zweites. Die Zugriffe müssen auf Ihre Plattform zielen, um die Zielgruppe zu binden. Veröffentlichen Sie Inhalte zuallererst extern in sozialen Kanälen wie Facebook, werden Sie von der Besucherstärke der sozialen Medien nicht profitieren können. Genau umgekehrt müssen Sie also handeln. Veröffentlichen Sie interessante Artikel und Themen also zuerst immer im Blog Ihrer Webseite, nehmen Sie dann den so genannten „Unique Link“ (also die genaue Zieladresse) und veröffentlichen den bei Facebook. Dort werden die Überschrift (auch H1 bezeichnet) und das verwendete Bild automatisch angezeigt. Der Klick darauf führt über diese Methode immer auf wieder Ihre Webseite zurück. Und genau das wollen wir. Denn nur auf diese Weise landen die Menschen, die Ihr Thema spannend finden, auch bei Ihnen.

Richten Sie dazu auf den extern bei Facebook veröffentlichten Beitrag, der auf Ihre Webseite verweist, eine so genannte Mikrokampagne ein. Mit geringem Budget können Sie beachtliche Erfolge erzielen und — zusätzlich zu den bereits vorhandenen — neue Kundengruppen  erreichen.

Kommunikation messen

Digitales Farming setzt eine gut durchdachte Kommunikationsstrategie voraus. Welche Probleme Ihrer Zielgruppe lösen Sie? Was interessiert den Kunden? Wie muss ich meine Kommunikation darauf ausrichten, damit ich den Kunden erreiche? Beim klassischen Farming haben Sie das bereits getan. Eine Steckaktion ließ sich aber schlecht oder gar nicht auswerten. Im Internet können Sie den Erfolg oder Misserfolg Ihrer Aktivitäten aber messen und optimieren. Bei Newslettern zum Beispiel haben Sie die Möglichkeit, Überschriften einem A-B-Test zu unterziehen. Zwei unterschiedliche Kundenansprachen werden dann unter jeweils 100 Kunden getestet. Nur die Ansprache, die eine bessere Öffnungs- und Interaktionsrate hat, wird dann auch bei allen anderen Kunden eingesetzt. Damit erhöhen Sie Ihre Erfolgsquote. Bei dem Einsatz von regelmäßigen Inhalten in einem Blog können Sie ebenfalls messen, wie hoch das Interesse war und wie lange sich die potenziellen Kunden mit dem Thema auseinandergesetzt haben.

Ihre Farm ist die Gesamtheit aller digitaler Kanäle, die Sie haben. Dort legen Sie die Saat über zielgruppenrelevante Inhalte aus. Zukünftig werden Sie mit Hilfe von CRM-Software das Aussteuern der Kommunikation automatisieren können. Bei der Vermarktung funktioniert das bereits schon jetzt. Beim Einkauf muss sich noch etwas tun. Aber auch im manuellen Modus können Sie schon jetzt mit Digitalem Farming beachtliche Erfolge erzielen. Sie brauchen dazu lediglich zielgruppenrelevante Inhalte, die für Ihre digitalen Kanäle geeignet sind und die Sie permanent Richtung Kunde funken können. Dazu zählen Artikel, Videos, E-Books, Kundenmagazine, Fotogalerien oder andere multimediale Inhalte. Setzen Sie diese Mittel regelmäßig ein und Menschen beginnen zu reagieren, beginnt etwas zu wachsen. Pflegen Sie aber den gerade aus dem Boden geschossenen Sprössling nicht regelmäßig, wird er verkümmern. Lassen Sie nicht zu, dass andere Farmer Ihnen die Ernte verhageln.