„Dinge nicht so tragisch nehmen, wie sie sind“

16. Januar 2023


Die konjunkturelle Lage der vergangenen Jahre war für die Baubranche sehr gut. Bauträger und Projektentwickler waren im Großraum München alles in allem in einer komfortablen Situation. Jetzt ist alles anders. Dennoch sehe ich es nicht ganz so schwarz.

Thomas Aigner

Welchen Unterschied zwei Jahre machen können

Die Welt sah bis etwa Anfang 2020 für die Bauträger beispielsweise in München etwa so aus: Solvente Käufer erwarben Wohnungen lange vor Baubeginn und Kalkulationen gingen ideal auf. Die größte Sorge war der Flächenmangel.

Dann kam nicht nur die Corona-Pandemie mit ihren Herausforderungen wie gestörten Lieferketten, gestiegenen Baukosten, Fachkräftemangel und Lockdown auch auf Baustellen, sondern — zur etwa gleichen Zeit zwei Jahre später — der Kriegsausbruch. Die dadurch aufkommende Inflation, die Zinserhöhung, exorbitant gestiegene Energiekosten und der Rückgang der Kaufanfragen haben die Baubranche insgesamt in große Schwierigkeiten gebracht. Bundesweit ist die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen eingebrochen, Aufträge werden storniert. Viele Bauträger sind verunsichert, wie es jetzt weitergeht. Obwohl die erzielten Preise für Neubauwohnungen in der ersten Jahreshälfte 2022 in München nochmals gestiegen sind, darf das nicht über die Tatsachen hinwegtäuschen: Bauprojekte stocken und der Abverkauf steht derzeit nahezu still. Eine sehr ungewohnte Situation.

Wie geht‘s weiter?

Bei diesen ganzen Hiobsbotschaften fragt man sich schon, wie die Zukunft der Baubranche aussieht. Als langjähriger Marktteilnehmer spreche ich mit vielen Menschen und werde immer wieder nach meiner Einschätzung gefragt. Und Sie kennen mich. Ich bin nie so pessimistisch wie die große Masse, sondern eher ein Optimist, wie ihn Karl Valentin sah: jemand, der die Dinge nicht so tragisch nimmt, wie sie sind. So ganz falsch liege ich damit nicht. Vergessen Sie nicht, wie pessimistisch viele zu Beginn der Corona-Krise waren! Im ersten Lockdown gab es einen starken Einbruch der Verkäufe und auch da hätte man denken können, dass keiner mehr Immobilien kauft. Ich selbst habe das nie so düster gesehen, und tatsächlich gab es dann ja große Nachholeffekte. Es war damals im Grunde eine Art „Schockstarre“, die nach einiger Zeit in eine neue Dynamik führte. So ähnlich wird es jetzt wieder sein. Denken Sie nur daran, in welch schlechter Stimmung die bauma 2022 gestartet ist und mit welcher Euphorie sie ausklang. Ganz ähnlich war das bei der Expo Real. Auch hier wurde deutlich, dass auch in Krisenzeiten immer noch „was geht“.

Optimist zu sein bedeutet jedoch nicht, etwas schönzureden. Was sich meiner Einschätzung nach für Bauträger jetzt ändern wird: Es wird mittelfristig deutlich schwerer, Käufer zu finden. Vertriebsunterstützung mit entsprechenden Kontakten gewinnt (wieder) an Bedeutung. Es ist natürlich sehr bedauerlich, wenn der Käuferkreis durch die Entwicklungen kleiner geworden ist – dennoch gibt es auch zahlreiche Suchinteressenten, die keine Finanzierung benötigen und daher von dem hohen Zinsniveau nicht betroffen sind. Besonders hochpreisige Einheiten über zwei Millionen Euro werden nach wie vor ihre Abnehmer haben. Differenzierungen bei den einzelnen Einheiten gewinnen dabei aber an Bedeutung. Das gilt auch für die Unternehmen selbst. Um Fachkräfte zu generieren, bedarf es Differenzierungsstrategien gegenüber Wettbewerbern. Dies gilt aber natürlich nicht nur für die Baubranche.

Trotz Krise bleibt die Nachfrage hoch

Auch in Zukunft muss und wird natürlich weiterhin gebaut werden, denn die Nachfrage nach Wohnraum ist und bleibt weiterhin hoch. Gerade die öffentliche Hand wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten immer weiter versuchen, zu bauen. Bauträger und Projektentwickler werden nach wie vor gebraucht — doch man muss natürlich auch ehrlich sein: Nicht jeder ist den aktuellen Herausforderungen gewachsen und so mancher wird den Markt vermutlich verlassen.

 

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