Ein „Echte-Wohnraumoffensive-Gesetz“ würde uns gut tun

15. April 2019


Seit einem Jahr ist die aktuelle Bundesregierung im Amt. Die Große Koalition ist mit viel Mut zu mehr Wohnungsbau gestartet, doch die Jahresbilanz der groß angekündigten „Wohnraumoffensive“ ist ernüchternd.

Politische Wort von Jürgen Michael Schick, IVD-Präsident

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Es soll ja durchaus vorkommen, dass eine Regierung mit großen Versprechungen an den Start geht, deren Umsetzung sich in der Realität dann aber mehr oder weniger als schwierig erweist. Insofern war auch die amtierende Große Koalition mit einer gesunden Portion Skepsis zu betrachten, als sie den Bau von 1,5 Millionen Wohnungen ankündigte. Es bestand aber durchaus die Hoffnung, dass es die Politik dieses Mal ernst meinen könnte. Wie krass die Prioritätenverschiebung in der Wohnungspolitik dann aber binnen nur weniger Monate tatsächlich ausgefallen ist, hätte ich nicht für möglich gehalten.

Am 14. März jährte sich die Vereidigung der Großen Koalition zum ersten Mal. Vor einem Jahr wurde der Wohnraummangel als Grundproblem identifiziert und der Wohnungsbau sollte endlich ernsthaft gefördert und erleichtert werden. Lösungspolitik statt Symbolpolitik, das war die Hoffnung, die die Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag genährt hatte.

Schon auf dem Wohngipfel, der dann im September im Kanzleramt stattfand, kam die Politik auf Abwegen. Ursprünglich war der Termin als Baugipfel konzipiert, um unter Führung des Kanzleramts und des Bauministeriums zusammen mit Ländern, Kommunen und Verbänden einen Plan zu erarbeiten, wie das ehrgeizige Ziel von 1,5 Millionen Wohnungen bis Ende 2021 erreicht werden kann. Doch wurde schon auf dem Gipfel mehr und mehr darüber diskutiert, welche neuen Regulierungen durchzusetzen sind.

Bezeichnend, dass der erste große Wurf nach dem Wohngipfel das zum 1. Januar 2019 in Kraft getretene sogenannte Mietrechtsanpassungsgesetz war. Was aber Erleichterungen im Wohnungsbau betrifft — bei Genehmigungsverfahren und dem Aufstellen von Bebauungsplänen, bei baulichen Normen und Anforderungen, bei der Baulandvergabe — das alles wurde teilweise in Kommissionen und Arbeitsgruppen geparkt. Die höchste Priorität scheinen die Vorschläge, die zuhauf aus der Immobilienwirtschaft kamen, jedenfalls nicht zu haben.

Das ändert sich in diesen Tagen auch nicht. Die Große Koalition verliert seit der Bundestagswahl bei der Bevölkerung immer mehr an Zuspruch. Vor allem die SPD, weshalb jetzt panikartig nur noch mit dem Ziel Politik betrieben wird, der eigenen Klientel zu gefallen. Tatsächliche Problembehebung scheint nicht mehr erwünscht. Immer mehr habe ich jetzt schon wieder das Gefühl, dass die Politik im Wahlkampfmodus ist — wie gesagt, gerade Mal ein Jahr nach der Bundestagswahl.
Die Politik manövriert sich immer mehr in eine Debattensituation, in der die Vorschläge wohl immer extremer werden müssen, um überhaupt Gehör zu finden. Dass die Politik, ja selbst die Bundesjustizministerin jetzt ernsthaft über Enteignungen von Wohnungsunternehmen diskutiert, statt solche Vorschläge postwendend und bedingungslos zurückzuweisen, das wäre vor einem Jahr noch nicht vorstellbar gewesen.

Dazu passt dann auch das Vorgehen in Sachen Bestellerprinzip. Kein Wort steht davon im Koalitionsvertrag, stattdessen sollten Freibeträge auf die Grunderwerbsteuer geprüft werden. Die Prioritätenverschiebung ist extrem.

Echte Lösungen werden kaum mehr erörtert. Bis zu 2,7 Millionen Wohnungen könnten allein durch Aufstockungen und Umnutzungen von Bestandsimmobilien entstehen, hat das Pestel-Institut mit der TU Darmstadt gerade in einer Studie analysiert. Das Wohnungsproblem ließe sich also allein durch Dachaufstockungen beheben — wo ist die Debatte darüber? Wo ist der Aufschrei darüber, dass die genehmigten Wohnungen durch Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden 2018 um 8,4 Prozent zurückgegangen sind, und das nachdem es schon 2017 einen Rückgang um 19,5 Prozent gab?

Stattdessen setzt sich die Große Koalition Vorschusslorbeerkränze aufs Haupt, in dem sie vollmundig „Gute-Kita-Gesetze“ oder „Starke-Familien-Gesetze“ ankündigt. Wie wäre es, wenn die Politik tatsächlich einmal das umsetzt was sie verspricht. Ein „Echte-Wohnraumoffensive-Gesetz“ würde uns gut tun.

Foto: © Satura_ / Depositphotos.com