„Ein Hochhaus voll mit Maklern“

27. Mai 2019


Bei einer Reise nach China besuchten IVD-Makler – neben einem Sightseeing-Programm – das chinesische Makler-Unternehmen Lianjia. Jürgen Kauss stellte den IVD bei den chinesischen Kollegen vor. Im AIZ-Interview spricht er über den chinesischen Immobilienmarkt und den Unterschieden zum Maklergeschäft in Deutschland.

Interview von Johanna Böhnke

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AIZ: Herr Kauss, Sie reisten mit mehreren IVD-Maklern nach China und besuchten das chinesische Unternehmen Lianjia. Wie kam es dazu?

Jürgen Kauss: Der IVD hat diese Reise für seine Mitglieder angeboten, um ihnen China, das Reich der Mitte, näher zu bringen. Der Besuch der Firma Lianjia war Teil des Programms, das nicht nur touristisch ausgerichtet war, sondern auch ein Fachprogramm sein sollte. Lianjia ist mit über 2000 Maklern das größte private Maklerunternehmern in Peking.

Wie sieht der Immobilienmarkt in China aktuell aus?

Man muss sich vorstellen, man nehme den deutschen Immobilienmarkt und multipliziere den mal 20. Es ist unglaublich, wie groß dieser Markt ist. Das ist mit uns überhaupt nicht zu vergleichen. Es gibt auch ein ganz anderes Verhältnis zwischen Land und Stadt. Das Land ist noch sehr rückständig, der Run auf die Städte ist hingegen immens. Dort werden hunderte von Hochhaustürmen in kürzester Zeit gebaut, um dem Wohnraumbedarf nachzukommen.

Nehmen wir als Beispiel das Unternehmen Lianjia. Das ist erst 15 Jahre am Markt und hat allein für den Raum Peking 2000 Makler. Allerdings hat Peking auch rund 22 Millionen Einwohner. Für 10.000 Einwohner ist das dann also ein Makler, was ähnlich wie in Deutschland ist.

Werden in Peking denn auch viele Gebrauchtimmobilien verkauft oder arbeiten die Makler vor allem mit Neubau-Objekten?

Es ist fast alles Neubau. Die Gebrauchtimmobilien werden zwar auch zu enorm hohen Preisen verkauft, aber zum großen Teil wird neu gebaut. Dahinter steckt natürlich der Staat, weshalb dieser auch der größte Auftraggeber von Unternehmen wie Lianjia ist.

In Deutschland beschäftigt die Immobilienbranche aktuell unter anderem die mögliche Einführung des Bestellerprinzips für Kaufimmobilien, die steigenden Immobilienpreise, der Wohnraummangel in den Städten und die Grundsteuerreform. Mit welchen Hürden haben die chinesischen Makler zu kämpfen?

Über das Bestellerprinzip macht sich in China wohl keiner Gedanken. Da der Wohnraum zum Großteil vom Staat bereitgestellt wird und dieser den Makler beauftragt, interessiert es auch niemanden, wie der Makler bezahlt wird. Das ist einfach mit im Kaufpreis enthalten.

Die Probleme der Immobilienkäufer in China sind aber natürlich ähnlich wie bei uns. Es gibt einen extremen Wohnraummangel in den Städten und auch extrem steigende Immobilienpreise. Eine Wohnung in einem Hochhaus in guter Lage kostet bis zu 10.000 Euro/m². Das ist vergleichbar mit den Top-Lagen in Deutschen Metropolen wie München, Frankfurt oder Hamburg, wo die Qualität dann allerdings deutlich gehobener ist.

Ich habe den Geschäftsführer von Lianjia gefragt, wer denn die Differenz zu den Gestehungskosten bekommt, die in China wahrscheinlich sogar noch niedriger sind als in Deutschland. Er erklärte mir, dass die Differenz zu den relativ niedrigen Entstehungskosten zu 70 Prozent der Staat erhält. Die Käufer verschulden sich auf Jahrzehnte, teilweise über mehrere Generationen und werden so natürlich an den Staat gebunden.

Und für die chinesische Bevölkerung sind solche Preise vertretbar?

Ein solches Modell, bei dem der Staat 70 Prozent der Gewinne einstreicht, während sich die Käufer verschulden, wäre hier in Deutschland natürlich gar nicht möglich. Aber die Chinesen sind da etwas anders gepolt. Unsere Reiseleitung hat uns erklärt, was die drei größten Ziele der meisten Chinesen sind: Sie wollen eine Immobilie für den Eigennutz finden, den Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen und ein standesgemäßes Auto fahren. Kleinwagen, wie bei uns, gibt es dort gar nicht. Um diese Status-Ziele zu erreichen, sind die meisten Chinesen auch gewillt, viel Geld zu investieren und sich hoch zu verschulden.

Was sind die größten Unterschiede zwischen der chinesischen und der deutschen Immobilienbranche?

Schon alleine die Unternehmensgrößen und das Arbeitsumfeld sind etwas ganz anderes. Bei unserem Besuch bei Lianjia sind wir durch Großraumbüros gegangen, wie Sie hier vielleicht in den 70er oder 80er Jahren bei großen Konzernen üblich waren. Die Lianjia-Zentrale war im Prinzip ein Hochhaus, das vollgestopft war mit Maklern. Kleine, selbständige Maklerunternehmen wie sie hier in Deutschland üblich sind, gibt es dort vermutlich gar nicht.

Lianjia hat auch in viele ausländische Märkte expandiert, darunter auch nach Deutschland. Wie findet sich das Unternehmen auf dem deutschen Markt zurecht?

Auf dem europäischen Markt ist das Unternehmen noch nicht so groß. Sie haben vor allem auf den asiatischen Markt expandiert. Hier in Deutschland sind sie nicht direkt vertreten, sondern arbeiten mit ortsansässigen Maklern zusammen. Dabei geht es aber vor allem auch um Investments chinesischer Investoren in den deutschen Markt.