Ein Plädoyer für mehr Vertrauen und Eigenverantwortung

3. April 2020


Meike Lange ist Kooperationsmanagerin bei der Dr. Klein Privatkunden AG. Das ist erstmal nichts Ungewöhnliches. Richtig spannend wird es allerdings, wenn man ihr leidenschaftliches Plädoyer für mehr Vertrauen und Verantwortung vernimmt. Im AIZ-Interview erzählt die 39-jährige Lübeckerin, warum ihr das Thema so wichtig ist.

Interview von Heiko Senebald

AIZ: Sie setzen sich leidenschaftlich dafür ein, dass die Mitarbeiter in Unternehmen motiviert werden und mehr Eigenverantwortung erhalten. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Meike Lange: Weil ich selbst erfahren habe, zu welchen Leistungen man fähig ist, wenn man entsprechend gefördert wird. Für sich selbst, für das Unternehmen, wenn nicht sogar für die ganze Gesellschaft ist das Entgegenbringen von Vertrauen und Eigenverantwortung ein Gewinn.

Auf Unternehmensseite ist Eigenverantwortung letztlich auch eine Grundvoraussetzung für mutige, engagierte und kreative Mitarbeiter. Und solche Mitarbeiter zahlen immer auch auf die Unternehmensziele ein — eine Win-win-Situation.

Wann hatten Sie die erste Begegnung mit dem Thema „Eigenverantwortung“?

Vor 17 Jahren. Mein damaliger Chef fand es auch damals schon klug, regelmäßige Mitarbeitergespräche zu führen — sogenannte „Performance Dialoge“. Auch bei mir stand so ein Gespräch an. Ich wusste nicht, was auf mich zukam. Ich war schüchtern mit Anfang 20, war jung und unerfahren. Es war mein erstes Jahr im Unternehmen. Mir fiel es schwer, mich selbst zu bewerten. Was sollte ich auch bewerten? Nach meiner Auffassung hatte ich als Assistentin damals ja nicht viele Aufgaben zu erledigen.

Und wie bewertete er Sie?

Gut. Er war sehr zufrieden mit mir. Doch er merkte auch an, das ihm aufgefallen sei, dass ich zwar jede Aufgabe, die ich gestellt bekomme, sehr souverän und zu seiner Zufriedenheit erledige. Es sei ihm aber auch nicht entgangen, dass ich alles so mache, wie es mir in der Einarbeitung übergeben wurde. Er würde sich wünschen, dass ich Arbeitsabläufe so optimiere und standardisiere, dass sie für mich passen und die Effizienz gesteigert wird. Außerdem sei ihm aufgefallen, dass ich zwar immer ganz motiviert und begeistert bin, wenn es neue Aufgaben gibt, ich jedoch aus mir selbst heraus mein Aufgabengebiet nicht erweitere. Das Wort „intrinsische Motivation“ fiel.

Er hat Sie neu motiviert. Das haben Sie dankbar angenommen?

Ich habe angefangen, mich selbst zu fragen, was macht mir Spaß, was interessiert mich, worin bin ich gut beziehungsweise worin liegt mein Talent. Ich hatte als Assistentin zum Beispiel die Aufgabe, die Dienstreisen zu organisieren. Ich wollte nun effizienter buchen, kostengünstiger reservieren und die Reiseunterlagen für meinen Chef besser aufbereiten. Gesagt getan. Ja, ich war neu motiviert.
So ging es dann an der einen oder anderen Stelle weiter. Nach acht Jahren veränderte ich mich innerhalb des Hauses und begann in einem Bereich, den es vorher noch nicht gab. Qualitäts-, Event-, Prozessmanagerin stand seinerzeit auf meiner Visitenkarte. Meine Führungskraft hatte grobe Vorstellungen, aber es war wieder so, wie zu Beginn bei Dr. Klein. Ich war nicht ausgelastet.

Dann haben Sie sich zu neuen Aufgaben inspirieren lassen?

Ich war mir bewusst, was ich gut kann, was mir Spaß macht und wo meine Talente liegen. Dementsprechend habe ich mir meine Welt mit Hilfe meiner Kollegen und jeweiligen Führungspersonen aufbauen können.

Zunächst habe ich mir sämtliche operativen Prozesse angeschaut und analysiert, wo Optimierungsbedarf besteht. Anschließend wurden dann konkrete Ideen entwickelt und diese in regelmäßigen Meetings mit erfahrenen Sparringspartnern verfeinert.

Da gehörte am Anfang — gerade, wenn man neu in einem Unternehmen ist — schon ein bisschen Selbstbewusstsein dazu. Aber die Ergebnisse haben uns recht gegeben und mich ermutigt, genauso weiterzumachen.

Das geht nur, wenn alle diese Führungskultur wollen?

Ja. Im Jahr 2018 haben wir unsere Führungskultur nun offiziell angepasst und leben das Thema „Führung mit hoher Eigenverantwortung“ noch viel stärker. War es in den Zeiten davor eher ein Thema einzelner Personen und Bereiche, so ist es jetzt, 17 Jahre später, der offizielle Führungsstil im Unternehmen.

Grundsätzlich würde ich schon sagen, dass alle Kollegen diese Führungskultur wollen — entscheidend ist, dass sie auch entsprechend gelebt und mit Inhalten gefüllt wird. Und dafür ist aus meiner Sicht Vertrauen das Wichtigste.

Was bedeutet dieser Führungsstil für Sie?

Grundsätzlich hat dieser Führungsstil mit Wertschätzung und Vertrauen zu tun. Die Führungskraft sollte ihren Mitarbeitern vertrauen, sie sollte das Know-how erkennen und darauf vertrauen, dass die „Fachkraft“ die richtigen Entscheidungen treffen wird. Hierbei kann es sich beispielsweise um Gestaltung von Arbeitsplatz oder Arbeitsabläufen handeln oder aber auch um Entscheidungen von größerer Tragweite. Die Expertise der Mitarbeiter sollte wertgeschätzt werden, damit der Mitarbeiter loslassen und diesen Führungsstil überhaupt in Erwägung ziehen kann.

Aus Sicht des Mitarbeiters ist das Vertrauen in Richtung Führungsperson sicher ebenso wichtig. Oder?

Richtig. Der Mitarbeiter muss seinem Chef vertrauen, dass er es ernst meint damit, dass er seiner Rolle entsprechend Entscheidungen treffen und auch umsetzen darf. Dass er nicht nur hinter ihm steht, wenn es „gut“ läuft, sondern auch im Falle einer nicht optimalen Entscheidung. Absolut wichtig ist bei diesem Thema: Beide Seiten müssen sich darauf einlassen können.

Nun gibt es nicht nur Hochs, sondern ab und zu auch mal Tiefs. Hier könnte das Vertrauen ein stückweit verloren gehen…

…deshalb ist der regelmäßige Austausch zwischen Chefs und Mitarbeitern so wichtig. Meine klare Empfehlung lautet: mit den Mitarbeitern reden, hinter die Kulissen schauen und sie bestärken, sich zu öffnen. Nicht jeder ist immer in der Lage, sich selbst zu motivieren und eigenverantwortlich zu arbeiten und zu handeln.

In den Unternehmen wird das Thema Personalressourcen und Führung immer wichtiger.

Weil das so ist, plädiere ich für eine Führungskultur mit viel Eigenverantwortung. Ich glaube, dass Unternehmen, die eine solche Kultur — wie ich sie beschrieben habe — leben, insgesamt erfolgreicher sind. Mitarbeitern vertrauen, sie stärken und sie eigenverantwortlich handeln lassen, ist der Schlüssel zum Erfolg.

 

Fotos: © Meike Lange