Eine nachhaltige Immobilienverwaltung? Anspruchsvoll, aber machbar

19. August 2022


Wirtschaftliche Interessen mit der Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft zu verbinden, ist in der Immobilienbranche mittlerweile Standard – und das ist gut so. Gemäß einem UNO-Bericht verursacht der Gebäudesektor 38 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Daraus ergibt sich Handlungsbedarf, nicht nur bei der Projektentwicklung, sondern auch für den Betrieb einer Immobilie und den damit verbundenen Facility-Services. Immerhin entstehen rund 80 Prozent der Lebenszykluskosten in der Nutzungsphase. Somit sind insbesondere Hausverwalter gefragt, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu implementieren. Dabei gilt es, nicht nur Maßnahmen zur CO2-Reduzierung umzusetzen, sondern auch den Erwartungen von Eigentümern und Mietern gerecht zu werden.

Von John Bothe

Neubauten haben den Charme, von der Planung über die Bauausführung bis zur Nutzungsweise alles richtig machen zu können. Der Schutz des Ökosystems, der Nutzen für Mensch und Gesellschaft sowie die Optimierung des ökonomischen Potenzials können im Idealfall von Anfang an gewährleistet werden.

Hierbei hat die Verwaltung in erster Linie die Aufgabe, die Qualität der Immobilie entlang der gesamten Wertschöpfungskette auf höchstem Niveau zu halten, im besten Fall zu optimieren.

Komplizierter wird es im Bestand

Immobilien, die nicht neu gebaut werden müssen, haben zwar den Vorteil sofortiger Cashflows. Doch von da an besteht die Herausforderung bei Bestandsimmobilien in der nachhaltigen Transformation. Eine durchdachte, zahlenbasierte Planung ist dabei das A und O. Ein von Innovationsfreude und Fördergeldern getriebener Flickwerk-Aktionismus ist hingegen eher kontraproduktiv. Schließlich müssen alle Faktoren rechnerisch aufeinander abgestimmt sein. Zielführende Maßnahmen sind eine Photovoltaikanlage, Wärmepumpen, Stromspeicher und – wenn man ein großes Rad drehen möchte – eine smarte Gebäudetechnik. In der Praxis werden aber häufig Dämmplatten um Dämmplatten auf Hausfassaden angebracht, obwohl der ökologische und ökonomische Nutzen bei Immobilien, die in den zurückliegenden 30 Jahren energetisch ertüchtigt wurden, marginal ist – die Kosten hingegen sind hoch.

Die Gesetzgebung liefert die Leitplanken

Am 1. November 2020 hat das Gebäudeenergiegesetz (GEG) die Energieeinsparverordnung (EnEV) abgelöst und für beheizte und klimatisierte Gebäude neue energetische Rahmenbedingungen definiert. Die Vorgaben zur Heizungs- und Klimatechnik sowie zum Wärmedämmstandard und Hitzeschutz von Gebäuden sind folglich auf dem neuesten Stand. Verwaltungen finden im GEG außerdem die Nachrüst- und Austauschpflichten für den Bestand sowie Vorgaben zur anteiligen Nutzung regenerativer Energien für Neubauten.

Besonders interessant ist allerdings, was die EU plant. Wie dem aktuellen Vorschlag der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie (EPBD) zu entnehmen ist, soll die Quote der jährlichen Gebäudesanierungen bis 2030 verdoppelt werden. Dann hat der Gebäudesektor noch einmal 20 Jahre Zeit, um komplett emissionsfrei zu werden. Der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen ist bis 2040 zu absolvieren. Außerdem sind ein neuer Energieausweis ab 2025 und ein verpflichtender Renovierungspass bis 2025 in Planung. Angesichts knapper Handwerksressourcen, Materialmangel und -verteuerung sollten Verwalter und Eigentümer über ein gewachsenes und gepflegtes Netzwerk an Dienstleistern unterschiedlichster Gewerke verfügen.

Impulsgeber für Investitionen in klimaschonende Heizungssysteme und energetische Sanierungen sind in der Regel auch höhere Kosten. Die könnten Vermietern demnächst durch die von der Bundesregierung geplante CO2-Preis-Teilung entstehen. Mieter würden je nach energetischem Zustand des Gebäudes hingegen entlastet.

Von entscheidender Bedeutung: der Dialog mit den Eigentümern

Was Brüssel und die Bundesregierung derzeit beschließen, deckt sich durchaus mit dem Wunsch vieler Immobilieneigner nach mehr Nachhaltigkeit. Und der Markt bietet ein breites Spektrum an Umsetzungsmöglichkeiten: Dämmung, Photovoltaikmodule, Windkraftanlagen und vieles mehr. Doch womit fängt man an? Allein die schiere Menge an Möglichkeiten überfordert viele Eigentümer. Zudem darf nicht vergessen werden, dass die bestmögliche Erfüllung sämtlicher ESG-Kriterien nicht kostenlos ist. Angesichts hoher Inflation, der Höchstpreise für fossile Brennstoffe und steigender Baustoffkosten sitzt das Geld verständlicherweise derzeit nicht locker. Umso wichtiger ist es, mit dem Verwalter in den Dialog zu treten und ein effektives energetisches Sanierungskonzept beispielsweise als Stufenmodell umzusetzen.

Ohne eine gemeinsame und holistische ESG-Strategie geht es aber nicht. Verwalter müssen Antworten und Dienstleister für die verschiedenen Probleme des Gebäudebestands liefern, und sie müssen das zuverlässig tun können, in Zeiten des Handwerkermangels und der explodierenden Baukosten.

Schnelle Ergebnisse versus langfristige Lösungen

Theoretisch kann auch Property-Technology (PropTech) einen Nachhaltigkeitsmehrwert bieten. Sie ist je nach Objektzustand und -bedarf skalierbar und kann im Interesse aller Stakeholder „Quick Wins“ generieren – von der Optimierung der Verbrauchsdaten durch deren digitale Erfassung über sensorgesteuerte Aufzug-, Licht- und Heizungsanlagen bis hin zum „Smart Building“. Doch diesen Vorzügen stehen hohe Kosten gegenüber – sowohl bei der Erstausstattung als auch bei der Erneuerung der verbauten Technologie.

Von daher tun Verwalter gut daran, sich in enger Absprache mit den Eigentümern auf die Basics – wie die Umstellung auf erneuerbare Energien und deren Speicherung sowie eine zukunftsfähige Heizungs- und Klimatechnik – zu konzentrieren. Einen echten Trumpf haben Objektmanager, die in Zeiten von Fachkräftemangel und Materialverknappung mit einem guten Handwerkernetzwerk und 360-Grad-Services aufwarten können. Verwalter, die „on the long run“ auch in der Königsdisziplin, der Revitalisierung, überzeugen und die Eigentümer mitnehmen, sind den Herausforderungen des „Green Deals“ gewachsen.

 

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