Es kommt auf jede einzelne zusätzliche Wohnung an!

21. November 2022


Seit Monaten hatte sich das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“, sprich Vertreter der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, der kommunalen Spitzenverbände, Gewerkschaften und vieler anderer Interessenvertretungen, auf den Bündnistag im Bundeskanzleramt vorbereitet. Das vorgestellte Maßnahmenpaket umfasst zahlreiche wichtige Punkte zur Schaffung von mehr Wohnungen in Deutschland. 

Von Jürgen Michael Schick, IVD-Präsident

Wie ist das Maßnahmenpaket zu bewerten?
Unterm Strich steht, dass es eine gute Grundlage darstellt, um langfristig mehr Wohnungsbau in Deutschland zu ermöglichen. Dies ist ein wichtiges Ergebnis und nicht zu unterschätzen. Reicht es aber auch, genau jetzt den Bau des dringend benötigten Wohnraums und Sanierungen anzukurbeln? Wahrscheinlich nicht, auch dies gehört zur Wahrheit dazu.

Um es klar zu sagen: Das Bündnis war von Anfang an sehr breit aufgestellt und sollte gewissermaßen einen Spiegel der Gesellschaft darstellen. So mussten zwangsläufig Kompromisse eingegangen werden, die häufig nicht mehr als der kleinste gemeinsame Nenner waren. Dies ist — wenn auch nicht der große Paukenschlag — immerhin ein Anfang, mit dem es sich arbeiten lässt — gutes Regierungshandeln vorausgesetzt.Denn unter den Maßnahmen sind einige vielversprechende Punkte, die ein Bauen von mehr Wohnungen und ein schnelleres Bauen in Deutschland vorantreiben könnten. Als wichtigste Punkte sind zu nennen:  

  • die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren durch mehr Digitalisierung und Personal;
  • das Bekenntnis der Bundesländer zur Weiterentwicklung der Musterbauordnung, zur weiteren Harmonisierung der Landesbauordnungen und zur Stärkung der Typengenehmigungen;
  • die Einrichtung einer Geschäftsstelle und eines Runden Tischs für serielles und modulares Bauen;
  • die Einrichtung einer unabhängigen Stelle zur Folgekostenabschätzung in Normungsprozessen mit dem Ziel der Deregulierung und Baukostenreduzierung;
  • die weitere Abkehr vom Höchstpreisprinzip und stattdessen die Vergabe öffentlicher Grundstücke grundsätzlich nach einem qualitativ ausgerichteten Konzept;
  • die Anerkennung der Wohneigentumsbildung als wichtiger Bestandteil bei der Schaffung von bedarfsgerechtem Wohnraum.

Allerdings enthält das vom Bündnis vorgelegte Maßnahmenpaket auch zahlreiche Vorhaben, die das Ziel des bezahlbaren Wohnens und das Bemühen um die Steigerung der Fertigstellungszahlen nachweislich behindern. Dazu gehören beispielsweise:

  • das Ziel, die Flächenneuinanspruchnahme für Siedlung und Verkehr bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag zu reduzieren und bis zum Jahr 2050 bis auf Netto-Null zu senken,
  • die Etablierung von Bodenbeiräten,
  • die Fortentwicklung des kommunalen Vorkaufsrechts.

Zudem ist es ein großer Fehler, dass wider besseren Wissens an der Bezugnahme am EH40-Standard ab 2025 festgehalten wurde. Es muss stattdessen dringend eine Abkehr von der alleinigen Fokussierung auf immer höhere und damit natürlich auch teurere Energieeffizienzstandards eingeläutet werden. 

Mein Fazit: Seit der Formulierung des Ziels, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, haben sich zwei entscheidende Parameter verändert: Die Nachfrage nach Wohnraum steigt durch die verstärkte Zuwanderung, die Wohnungsbauproduktivität nimmt durch die steigenden Kosten und den Rohstoffmangel ab. Diese Kluft kann nur durch Vereinfachung, Deregulierung, Entbürokratisierung und eine gehörige Portion Pragmatismus überbrückt werden. Es kommt auf jede Wohnung an — sei es Neubau oder Umbau, sei es sozialer Mietwohnungsbau oder Eigentumsbildung im Einfamilienhaus. Nur so wird das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ seine Wirkung in der Mitte der Gesellschaft entfalten können.

 

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