Es wird komplizierter

6. Januar 2020


Am Ende eines boomenden Jahrzehnts war 2019 ein Jahr voller politischer Tabubrüche und gefährlicher gesellschaftlicher Entwicklungen. Doch es gab auch Erfolge. Die nächsten zwölf Monate werden politisch spannend.

Von Jürgen Michael Schick, IVD-Präsident

Wenn dieses Jahr zu Ende geht, blicken wir auf ein Jahrzehnt des Booms zurück. Was Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Reallöhne und Demografie angeht, ist Deutschland so stark gewachsen, wie sich das nach der Finanzkrise 2008/2009 niemand vorstellen konnte. Für die hiesige Immobilienwirtschaft war es ebenfalls ein starkes Jahrzehnt: Die unerwartet hohe Nachfrage nach Wohn-, aber auch Büroräumen, gepaart mit dem historisch niedrigen Zinsniveau, sorgte für volle Auftragsbücher und stetig steigende Immobilienwerte. Der erhöhte Wohnraumbedarf und das knappe Angebot vor allem in den Großstädten führten allerdings auch zu politischen und gesellschaftlichen Konflikten, deren — vorläufige — Höhepunkte wir in diesem Jahr erlebt haben.

Das Jahr begann mit einer Enteignungsdebatte. Ausgerechnet im dreißigsten Jahr nach dem Mauerfall wurde diskutiert, ob Wohnungsunternehmen in Berlin gegen Milliardensummen enteignet werden sollen. Ich saß mit der (inzwischen ehemaligen) Bundesjustizministerin Katarina Barley in einer Talkshow im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und konnte kaum glauben, dass selbst sie und damit die Volkspartei SPD mit den Enteignungsfantasien sympathisierte.

Dass es um dieses Thema etwas ruhiger geworden ist, liegt daran, dass der rot-rot-grüne Senat in Berlin die Dynamik genutzt hat, um den Mietendeckel aufs Tableau zu bringen. Ein Instrument, das mit hoher Wahrscheinlichkeit — auch das Bundesinnenministerium sieht das so — gegen die Verfassung verstößt und zu einem massiven Investitionsstopp in der Hauptstadt führt. Auf Bundesebene wurde derweil der Betrachtungszeitraum für die ortsüblichen Vergleichsmieten ausgeweitet, mit dem einzigen Zweck, die Mietspiegel künstlich abzusenken, ich würde sogar sagen: zu manipulieren.

Diese politischen Tabubrüche gehen einher mit einer zunehmend aggressiven Stimmung in der Gesellschaft und in den Medien. Die Zeitschrift „Stern“ hat im Frühjahr in einer Karikatur unter der Rubrik „Humor“ angedeutet, Vorstände von Wohnungsunternehmen hätten es nicht wirklich verdient, zu leben. Was das mit Humor zu tun hat, bleibt mehr als fraglich. Im Sommer wollte eine Gruppe Linksextremer einige Gäste des Deutschen Immobilientages angreifen, sie verwechselten aber den Bus und erwischten stattdessen eine Reisegruppe bestehend aus Krebspatienten. Vor Kurzem wurde eine Mitarbeiterin eines Wohnungsunternehmens in Leipzig in ihrem Zuhause offenbar auch von Linksaktivisten angegriffen und niedergeschlagen. Die Entwicklung muss Sorgen bereiten.

Eine signifikante Erhöhung des Wohnungsangebots könnte die Probleme auf den Wohnungsmärkten entschärfen, doch der Neubau kam auch in diesem Jahr nicht voran. 2019 sind die Genehmigungszahlen gesunken, zum zweiten Mal in Folge. Die Politik schaut weitgehend zu; es gibt zwar Impulse, zum Beispiel hat die Baulandkommission im Innen- und Bauministerium, an der auch der IVD beteiligt war, in diesem Jahr ihre Empfehlungen vorgelegt, doch in Sachen Wohnungsbau lässt es die Politik weiter an Tatkraft vermissen.

Es wird spannend, wie es im kommenden Jahr weitergeht. Immobilienpolitisch ist 2019 endgültig die Systemfrage aufgekommen, deshalb wird es durchaus entscheidend sein, wie diese in den nächsten zwölf Monaten beantwortet wird. Neben diesen größeren politischen Linien wird der IVD 2020 insbesondere ein Auge auf die Gesetzgebung zur Neuregelung der Maklerprovision haben. Dass das Bestellerprinzip in diesem Jahr verhindert wurde, war ein Erfolg. Nun gilt es aufzupassen, dass die Reform, die in den meisten Transaktionsfällen eine Teilung der Provision vorsieht und die Doppeltätigkeit des Maklers weiterhin ermöglicht, im parlamentarischen Verfahren nicht verwässert wird. Wir rechnen damit, dass die Reform frühestens im Herbst 2020 in Kraft tritt. Voraussetzung: Die Große Koalition hält.