EU muss die Spielräume für die Immobilienwirtschaft erweitern – nicht einschränken

21. Mai 2019


Die deutsche Immobilienwirtschaft gilt als Stabilitätsanker in Europa. Drei Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte sind in 817.000 Immobilienunternehmen tätig – das sind 25,1 Prozent aller Unternehmen in Deutschland. Die Zukunft der Immobilienwirtschaft wird maßgeblich auch von der Europäischen Union bestimmt. Deshalb ist die Europawahl am 26. Mai 2019 von besonderer Bedeutung. Die AIZ sprach mit Burkhard Blandfort, Vorsitzender des IVD West und CEPI-Vorstandsmitglied, über die anstehende Wahl.

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AIZ: Der IVD ist europäisch organisiert. Wie ist der IVD auf dem europäischen Parkett vertreten?

Burkhard Blandfort: In Brüssel sind wir in der European Association of Real Estate Professions (CEPI) aktiv, welche die Interessen der Immobilienberufe wahrnimmt, insbesondere der Immobilienmakler und Verwalter. Vor einiger Zeit sind wir noch selbst nach Brüssel gefahren, um bei Abgeordneten, in der Kommission oder der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union vorzusprechen. Mit der CEPI haben wir eine Instanz, die unsere Interessen vertritt und uns mit den anderen Mitgliedsverbänden in den EU-Staaten vernetzt, Durch den ständigen Austausch mit unseren Nachbarn ergeben sich viele Synergieeffekte, die wir auch für unsere politische Arbeit auf nationaler Ebene gut nutzen können.

Sie haben mit der CEPI ein Positionspapier mit Blick auf die anstehenden EU-Wahlen erstellt. Darin beschreiben Sie auf der einen Seite, dass der europäische Immobilienmarkt sehr heterogen ist, und fordern auf der anderen Seite europäische Standards. Geht das überhaupt?

Wir haben ja in vielerlei Hinsicht bereits europäische Standards. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Immobilienwirtschaft, sondern auch für viele andere Bereiche. Im Immobilienwesen gibt es aber einige ausgewählte Bereiche, für die Brüssel in den vergangenen Jahren europaweit Standards gesetzt hat. Manche, würde ich sagen, waren auch mit der heißen Nadel gestrickt. Wie immer im Leben kommt es auf ein gesundes Mittelmaß an. Die EU schießt oftmals über das Ziel hinaus. Und dann kommt der deutsche Gesetzgeber und „vergoldet“ das noch einmal, das sog. Gold-Plating.

Welche Bereiche wurden am stärksten von Brüssel reguliert?

Da ist an erster Stelle auf jeden Fall das Thema Energieeffizienz zu nennen. Aber auch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die branchenübergreifend im Jahr 2018 für viel Unsicherheit gesorgt hat und sorgt. Auch denke ich da an das Verbraucherwiderrufsrecht, wovon sowohl Makler als auch Verwalter und Vermieter betroffen sind. Und dann – mit Blick vor allem auf Immobilienmakler – gibt es zudem das Geldwäschegesetz, wovon alle gleichermaßen in Europa betroffen sind.

Und doch sind nicht alle Bereiche zentralisiert und reguliert…

In der Tat, bei der Regulierung der Berufe spiegelt sich die Heterogenität Europas am deutlichsten. In manchen Ländern ist beispielsweise der Beruf des Immobilienmaklers stark reguliert. In Frankreich ist dies beispielsweise der Fall, dort werden sehr hohe Anforderungen an den Immobilienmakler gestellt. In Deutschland werden hingegen gar keine Anforderungen an die Sachkunde von Immobilienmaklern gestellt.

Würde sich der IVD wünschen, dass es eine stärkere von Brüssel ausgehende Regulierung für die Maklerberufe gibt?

Nein, aber wir würden uns wünschen, dass die EU nicht nur für Freizügigkeit steht, sondern auch den Verbraucherschutz stärker hervorhebt. In dem Spannungsverhältnis zwischen Freizügigkeit und Verbraucherschutz sollte es eine maßvolle Vorgabe geben, die über die Immobilienberufe und insbesondere die Immobilienmakler entscheiden würde. Man kann nicht sagen, dass man auf der einen Seite den Verbraucherschutz will, aber auf der anderen Seite auch die unbedingte Freizügigkeit.

Die Immobilienberufe sind stark von kleineren und mittleren Unternehmen geprägt. Müsste Brüssel die Immobilienberufe stärker berücksichtigen?

Prinzipiell sollte die Immobilienbranche als Ganzes stärker berücksichtigt werden. Wir wünschen uns für kleinere und mittelständische Unternehmen Öffnungsmöglichkeiten, beispielsweise bei der DSGVO oder bei Fragen der Energieeffizienz für bestimmte Eigentümergruppen, um eine Selbstnutzung oder Vermietung zu erleichtern. Richtlinien diesbezüglich wären sinnvoll, um die Immobilienberufe zu unterstützen. Also Öffnungsmöglichkeiten, die den Besonderheiten von kleinen und mittelständischen Unternehmen gerecht werden können. Dann könnte anschließend auf nationaler Ebene jeweils geschaut werden, ob und inwieweit man die Regelungen einer bestimmten Richtlinie braucht oder nicht. Namentlich meine ich Ausnahmen von der DSGVO für kleine Unternehmen und beispielsweise Vereine.

Damit sprechen Sie auch ein grundsätzliches Problem der EU an – das Thema Bürgernähe.
Ja, das stimmt. Die Immobilienbranche stellt da keine Ausnahme dar. Die EU muss insgesamt näher am Volk — an den Völkern — sein und ein stärkeres Ohr an der Wirtschaft haben. Wir befürworten daher mehr Dialogformate zwischen EU und den Nationalstaaten. Die EU, wie sie auch heute im Jahr 2019 existiert, hat zwar das größte Parlament der Welt, ist aber für den Nationalstaat unendlich weit entfernt.

Sie haben die DSGVO als Öffnungsmöglichkeit erwähnt. Sollte es auch bei der energetischen Sanierung und Modernisierung von Beständen ebendiese Öffnungselemente geben?

Dort sollte es vor allem ein stärkeres Bekenntnis zur Wirtschaftlichkeit geben. Klimaziele zu verfolgen ist sinnvoll, allerdings sollten diese auch so ausgestaltet sein, dass sie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erreicht werden können. Es kann nicht immer nur gesagt werden, dass wir bis 2050 eine größere Menge an CO2 einsparen werden, ohne dabei zu berücksichtigen, dass wir bis dahin ein enormes Bevölkerungswachstum zu verzeichnen haben werden. Da bekommt man rasch den Eindruck, dass Klimaziele langfristig gesteckt werden, bei sozialen Fragen hingegen nur kurzfristig reagiert wird.

Der EZB-Vizepräsident Constâncio hat im vergangenen Jahr in einem Interview mit dem Spiegel gesagt, dass er nicht verstehen kann, dass die Deutschen trotz der Niedrigzinsphase nicht zu einer Nation der Wohnungseigentümer geworden sind und dass sie die letzten acht Jahre nicht genutzt hätten. Inwiefern könnte und sollte die EU und das Parlament aktiver für Wohneigentum kämpfen?

Das ist auch so ein Beispiel für die Komplexität und Widersprüchlichkeit europäischer Politik. Denn durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie sind die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung des Darlehensnehmers geradewegs gestiegen. Damit hat die Wohnimmobilienkreditrichtlinie zwar zu Gunsten der Finanzmarktstabilität, aber zu Lasten der Wohneigentumsbildung gewirkt. Gewiss, die Wohnimmobilienkreditrichtlinie war eine Reaktion auf die Finanzmarktkrise 2008. Aber die ist längst vorbei. An dieser Stelle sollte man sich fragen, ob wir bei der Finanzmarktregulierung den Mitgliedsstaaten nicht mehr Vertrauen entgegenbringen können, um die Eigentumsbildung leichter zu ermöglichen.

Die Finanzmarktkrise hatte in Deutschland nicht so große Auswirkungen wie in anderen Ländern der EU. Warum hat Deutschland die Wohnimmobilienkreditrichtlinie hier dann so viel schärfer umgesetzt als Brüssel das überhaupt gefordert hat?

Das kann man pauschal so nicht sagen. Aus deutscher Vorsicht heraus hat man die Richtlinie in Teilen vielleicht etwas genauer genommen. Möglicherweise waren genau diese Punkte ausschlaggebend dafür, dass die Banken etwas zurückhaltender bei der Kreditvergabe waren, was dann dazu geführt hat, dass weniger Menschen ein Darlehen aufnehmen konnten, das wiederum zur Schaffung von Wohneigentum genutzt hätte werden können.

Das Wohneigentum in Deutschland ist das niedrigste in der EU. Würde der IVD erwarten, dass Brüssel mit seiner gesamteuropäischen Vorbildfunktion an der Stelle den Diskurs für mehr Wohneigentum vorantreibt?

Auf jeden Fall. Eigentümer gehen anders mit Immobilien um als Mieter. Eigentümer treffen auch emotionale Entscheidungen. Deswegen sind auch Eigentümer eher bereit, ihre Immobilie energetisch zu ertüchtigen, während Mieter den Sachverhalt nur unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten. Emotionale Entscheidungen zu mehr Nachhaltigkeit und weniger klimaschädlichem Wohnraum sind letztlich auch psychologische Entscheidungen, bei denen man bereit ist, höhere Kosten zu tragen, weil es sich um Eigentum handelt. (hs)