Förderung von Wohneigentum weit oben auf der Agenda

27. Januar 2018


Dr. Michael Frenzel (Mitte) ist der Präsident und Mitbegründer des Wirtschaftsforums der SPD.

 

Ein Interview von Heiko Senebald

 

Es ist Freitag, 12. Januar 2018, 8:42 Uhr, in Berlin, Dorotheenstraße 35: Ich bin zu einem Doppelinterview mit Harald Christ und Dr. Frank Wilhelmy beim Wirtschaftsforum der SPD verabredet. Ich bin etwas zu früh. Wirtschaftsreferentin Madeleine Buchmann lächelt freundlich und bringt mir den ersten Kaffee des Tages. Schwarz und stark, klasse. Mich beschäftigt gerade die Frage, wie viele Tassen Kaffee wohl gerade die Sondierer von Union und SPD nach mehr als 24 Stunden Marathonberatung intus haben. Da ploppt das News-Fenster der Tagesschau auf meinem Handy auf: „dpa: Durchbruch bei Sondierung zwischen Union und SPD“. Wenig später verkünden die Parteichefs über alle Medien, dass sie sich für Koalitionsverhandlungen aussprechen. Eben noch erhielten unsere Mobiltelefone rege Aufmerksamkeit, nun liegen sie anstandshalber an der Seite. Schatzmeister Harald Christ und Geschäftsführer Dr. Frank Wilhelmy öffnen sich Cola light. Ich freue mich über den zweiten Kaffee.

 

CDU/CSU und SPD streben also nochmals eine Große Koalition an. Was sagen Sie dazu?

 

Harald Christ: Der Knoten ist durchschlagen. Beide Parteien sind sich bewusst, dass das Land eine stabile Regierung braucht. Die monatelange Hängepartie, die vor allem auf das Scheitern von Jamaika zurückzuführen ist, und welche die Menschen zurecht kritisieren, hat ein Ende. Auch die Wirtschaft braucht Planungssicherheit. Die Unternehmen wollen einfach wissen, unter welcher Regierung jetzt gesetzliche und politische Rahmenbedingungen zu treffen sind.

 

Sind die Köpfe des Wirtschaftsforums der SPD denn Fans von Martin Schulz?

 

Dr. Frank Wilhelmy: Wir unterstützen Martin Schulz und sind froh, dass er SPD-Parteichef ist. Das Wirtschaftsforum gehörte schon hin und wieder zu seinen Beratern. Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend.

 

Sie sehen das SPD-Wirtschaftsforum als unabhängigen und eigenständigen Berufsverband…

 

Wilhelmy: …der zugleich laut Satzung SPD-nahe Werte, Grundsätze und Interpretationen der sozialen Marktwirtschaft vertritt. Die SPD betrachtet uns als Partner und bezieht uns auf Fachebene mit ein. Wir arbeiten mit den SPD-Gremien stark und intensiv zusammen.

 

Wer sind ihre Mitglieder?

 

Dr. Frank Wilhelmy: Personen, die sich engagieren wollen und zum Teil selbständige Unternehmer sind. Eine ganze Reihe von Verbänden sind Mitglied. Das Gros sind Unternehmens-Mitgliedschaften, von kleinen Start-ups bis hin zu Konzernen. Wir haben eine gute Mischung.

 

Wo sieht denn das Wirtschaftsforum der SPD die größten Herausforderungen der Zukunft?

 

Harald Christ: Die Welt ist in Bewegung. Wir erleben eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse. Länder wie das aufstrebende China werden immer stärker und es ist nur noch eine Frage der Zeit bis sie stärker als beispielsweise die USA sein werden. Wir stehen vor großen Herausforderungen was die Digitalisierung betrifft oder was die Themen Fachkräfte, Bildung und Infrastruktur angeht. Und das alles ist in einem globalen Kontext zu sehen. Die Probleme sind nicht kleinteilig zu lösen, man muss einen weiten Blick haben und muss größer denken. Wir müssen Sorge dafür tragen, dass wir Europa stärken. Ich habe die Erwartungshaltung an die Politik in Deutschland, dass sie jetzt mit einer entsprechenden Programmatik nach vorne gerichtet die Probleme herzhaft anpackt.

 

Sie meinen die Politik der neuen Großen Koalition?

 

Harald Christ: Ja auch. Ein Vorteil von Großen Koalitionen ist, dass man auch große Bretter durchbohren kann. Sie kann große wichtige Entscheidungen angehen, wenn sie es auch will.

 

Eine große Entscheidung der letzten Koalition, nämlich die Mietpreisbremse, hat ihre Wirkung deutlich verfehlt. Das Bundesverfassungsgericht prüft jetzt gar ihre Verfassungsmäßigkeit.

 

Harald Christ: Das Wirtschaftsforum der SPD und ich haben von Anfang an die Mietpreisbremse kritisch gesehen. Sie können durch Bremsen und durch Begrenzungen kein Problem lösen. Das Problem des Wohnraummangels bekommt man nur in den Griff, in dem man das Angebot an Wohnungen erhöht. Dafür braucht man intelligente Lösungen.
Wir müssen den Erwerb von Immobilien und bezahlbares Wohnen in ein anständiges Verhältnis bringen. Die Wohnungsbauförderung und die Motivation der Menschen in Immobilien zu investieren sind ein entscheidendes Momentum. Der Besitz der eigenen vier Wände ist die beste Altersvorsorge in Deutschland, weil man zur Rente mietfrei wohnen kann.

 

Dr. Frank Wilhelmy: Die Steigerung der Wohneigentumsquote ist in Deutschland tatsächlich ein fundamentales gesellschaftliches Projekt. Sie stellt eine Investition in die Zukunft und in unser Sozialsystem dar. Das ist nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine gesellschaftspolitische Frage. Dieses Thema ist für das Wirtschaftsforum der SPD bedeutend und wir werden es vorantreiben.

 

Harald Christ: Wir sehen die Wohneigentumsbildung als wichtiges nachhaltiges Thema und auch deshalb haben wir das Fachforum „Stadtentwicklung, Bau und Immobilien“ gebildet, in dem sich jeder einbringen kann.

 

Herr Christ, Sie sind seit 30 Jahren Mitglied der SPD. Warum musste es die Sozialdemokratie sein?

 

Harald Christ: Ich hatte schon früh erkannt, dass es keine Lösung ist, wenn man sich in Schmollecken zurückzieht. Wenn man etwas verändern will, dann muss man sich einbringen. Ich bin in einem Umfeld groß geworden, wo man nicht den silbernen Löffel im Mund hatte, wo man sich durch seine Leistung seine Rolle erkämpfen musste und wo der Lebensweg nicht automatisch vorgeschrieben war. Die zwei großen Sozialdemokraten Willy Brandt und Helmut Schmidt haben mir sehr imponiert. Wir hatten damals eine sehr aktive Juso-Gruppe in meinem Ortsverband. Ich wurde da schon mit 16 Vorsitzender.  Mit 17 Jahren war ich dann Kreisvorsitzender der Jusos und damit war der politische Lebensweg eigentlich vorgeprägt.

 

Dennoch sind Sie nie Politiker geworden, obwohl Sie oft die Möglichkeit dazu hatten.

 

Harald Christ: Ich hatte erkannt, dass mein ursprüngliches Ziel Berufspolitiker zu werden, automatisch zu einem Problem führen würde — nämlich, dass ich mich zu stark von der Politik abhängig machen würde. Ich sah die große Gefahr, dass ich mein Profil zu stark verwässern müsste, um Mehrheiten auf einer Delegiertenkonferenz zu bekommen. Dazu war ich nicht bereit.

 

Bis auf 2009, als Sie Frank-Walter Steinmeier als möglicher Bundeswirtschaftsminister in sein Schattenkabinett berief.

 

Harald Christ: Ja das stimmt. Ich schätze Frank-Walter Steinmeier sehr und hätte damals politische Verantwortung übernommen. Und ich schließe ein Parteimandat auch niemals grundsätzlich aus. Aber Verantwortung übernehme ich auch so. Ich mache eine andere Form von Politik, dazu brauche ich kein Mandat. Das begründet auch mein Engagement für das Wirtschaftsforum der SPD. Ich bin der Meinung, dass Inhalte und Lösungen von Problemen wichtiger sind als die Frage wer was wird.

 

Sie sind selbst seit 28 Jahren in der Wirtschaft tätig und gelten als Top-Manager in Deutschland. Sie sagen auch, dass sich viel mehr Fachleute aus der Wirtschaft politisch engagieren sollten.

 

Harald Christ: Ja, weniger Egoismen wären ratsam, was so manche Bezüge und Absicherungen von Top-Leuten in der Wirtschaft betrifft. Wenn man immer nur mit dem eigenen Kontoauszug unterwegs ist, dann wird man nie Politik machen können. Politik ist nicht lukrativ, weil man nicht reich wird, und nicht angenehm, weil sie von Wählern, Mitgliedern und Medien immer wieder den Spiegel vorgehalten bekommen. Diese Diskussionskultur sind viele Top-Manager nicht gewohnt. Ich appelliere an die Verantwortung. Wir alle in Deutschland haben eine Verantwortung. Jeder ist gefordert sich einzubringen.

 

Was verbinden Sie mit den „eigenen vier Wänden“?

 

Harald Christ: Für mich und mein Elternhaus war Wohneigentum immer das erstrebenswerteste Ziel. Wohneigentum ist bei uns Tradition. Möglichst viele Menschen sollten die Möglichkeit haben, Wohneigentum zu erwerben, um damit Vermögen zu bilden und damit der Altersarmut zu begegnen. Für mich kommen die eigenen vier Wände lange vor schicken Autos oder anderen Sachen.

 

Dr. Frank Wilhelmy: Ja, die eigenen vier Wände, das eigene Haus, haben eine ganz besondere emotionale und generationenübergreifende Bedeutung. Ich bin in meinem Leben viel umgezogen. Aber mein Elternhaus in Rheinland-Pfalz, das ich heute noch zusammen mit meinem Bruder besitze, ist innerlich immer noch meine Heimat, ja mein Zuhause. Die soziale Kraft, die mit Wohneigentum verbunden ist, ist enorm.

 

Zur Person

 

Harald Christ
Der 45-Jährige war bis Ende des vergangenen Jahres Vorstandsvorsitzender der ERGO Beratung und Vertrieb AG. Er gehört zu den Top-Finanzmanagern in Deutschland. Er war unter anderem als Vorstandsvorsitzender der Postbank Finanzberatung AG und als Generalbevollmächtigter der BHW Bausparkasse AG tätig. Im Schattenkabinett des SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier war Christ 2009 als Kandidat für das Amt des Bundesministers für Wirtschaft aufgestellt. Er engagiert sich politisch, kulturell und sozial. Christ ist beispielsweise Mitbegründer des SOS ’86 Kinder von Tschernobyl e. V. und fördert unter anderem Einrichtungen für HIV-Waisen in Südafrika.

 

Dr. Frank Wilhelmy
Der 55-Jährige hat im Oktober 2017 die Geschäftsführung des Wirtschaftsforums der SPD e. V. übernommen. Er verfügt über ein umfassendes Netzwerk in Parteien, Verbänden und Gewerkschaften. Zuletzt war er Stabsreferent Analysen im SPD-Parteivorstand und zuvor einige Jahre für Grundsatzfragen im Willy-Brandt-Haus. Vor seinem politischen Engagement war er Geschäftsführer einer Unternehmems- und Politikberatung in Berlin und vor allem in den Bereichen Markenkommunikation, Marketing und europäische Marktregulierung tätig.

 

Über das Wirtschaftsforum der SPD
Das Forum wurde auf Initiative des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der TUI AG, Dr. Michael Frenzel, und weiteren Mitstreitern im Februar 2015 gegründet. Der Verband hat sich die Förderung und Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert zur Aufgabe gesetzt. Das Wirtschaftsforum hat derzeit 300 Mitglieder. Die Mitglieder bringen sich inhaltlich in derzeit 13 verschiedenen Fachforen ein. Nach der nunmehr abgeschlossenen Gründungsphase soll das Wirtschaftsforum in den nächsten zwei Jahren organisatorisch weiterentwickelt und die Kooperationen in alle Wirtschaftszentren in Deutschland ausgebaut werden.
www.spd-wirtschaftsforum.de

 

Foto: © Wirtschaftsforum der SPD e.V. / Marco Urban.