Gemeinsam unabhängig sein

26. Juli 2018


Der Immobilienbörse Weser-Ems gehören mehr als 50 Makler-Büros an. Anstatt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen, stärken sich die Makler der Region damit. Gründer Dirk Hobbie berichtet im AIZ-Interview, wie ein solches Netzwerk funktionert.

Interview von Julia Ceitlina

Welchen Vorteil hat ein Zusammenschluss von mehreren Maklern und Banken?

Ein großer Vorteil ist der Verbund bei der Objektakquise. Wenn wir den Verkäufern sagen, dass ihr Haus nicht nur von einem, sondern von insgesamt über 50 Maklerbüros in der gesamten Weser-Ems-Region angeboten wird, ist das oft ein durchschlagendes Argument, den Auftrag zu erhalten. Aber auch für den Interessenten ist der Makler, der eine große Auswahl hat, interessanter als der Makler, der nur ein einziges Objekt vertritt. Marktkenntnis und Marktberatung entstehen in den Augen der Interessenten auch über die Angebotsmenge, die ein Unternehmen auf der eigenen Internetseite bewirbt. Je besser sich Anbieter miteinander vernetzen, umso besser ist der Mehrwert, den sie ihren Kunden bieten können.

Wie ist der genaue Ablauf, wenn ein Eigentümer sein Objekt durch Sie vermarkten will?

Nachdem ein Makler von einem Eigentümer beauftragt wurde, wird die Immobilie mit seiner Immobiliensoftware per FTP-Schnittstelle in unsere Börsendatenbank hochladen. Damit erscheint diese auf sämtlichen Internetseiten unserer Börsenmitglieder sowie zusätzlich auf unserem Gemeinschaftsportal. Für die weitere Auftragsabwicklung ist dann immer der Objektmakler jeweils alleine zuständig. Da wir keine klassischen Gemeinschaftsgeschäfte machen, ist auch kein Interessentenmakler bei der Besichtigung oder Beurkundung anwesend.

Kümmern sich dann mehrere Makler gleichzeitig um die Vermarktung?

Ja, jedoch wird der Eigentümer nie die anderen Börsenmakler persönlich  kennenlernen. Sämtliche Vertriebsaktivitäten laufen immer zentral über den  Objektmakler. Die Börsenmitglieder stellen also lediglich den Erstkontakt her, z. B. über unsere jeweiligen Internetseiten. Somit sind wir — vertrieblich gesehen — eher ein Tippgeber-Netzwerk.

Somit haben unsere Makler gleich zwei Vorteile: Sie haben wesentlich mehr Immobilienangebot und verdienen mit der Homepage auch noch Geld.

Welche Kriterien müssen die Immobilienexperten erfüllen um bei Euch aufgenommen zu werden?

Mindestvoraussetzung sind 5 Jahre Selbstständigkeit bzw. Berufserfahrung plus Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Dazu kommt der persönliche Eindruck sowie die Kooperationsbereitschaft. Auch werden immer die Kollegen aus der angefragten Region zu Rate gezogen. Diese können auch von ihrem Vetorecht Gebrauch machen,  für den Fall, dass etwas gegen eine Börsenaufnahme sprechen sollte. Bei uns wird alles partnerschaftlich entschieden.

Welche Vorteile ergeben sich für die Immobilienexperten, die in der Maklerbörse sind?

Unsere Börse bietet unverzichtbare Branchenkenntnisse, gute Kontakte und wir sind ständig auf dem neuesten Informationsstand. Durch unsere regionale Online-Vernetzung bauen wir uns zudem eine eigene Vermarktungsplattform auf, wodurch wir langfristig unabhängiger von den großen Immobilienportalen werden.  Mit der Aufschaltung unserer Börsenobjekte stärken wir in erster Linie unsere eigenen Internetseiten.

Zahlen Sie einen Mitgliedsbeitrag?

Ja, und zwar 50 € pro Monat. Hierin sind aber bereits 6 Börsensitzungen enthalten. Außerdem haben wir interessante Rahmenvereinbarung geschlossen mit denen man viel Geld sparen kann. Allein durch eBay-Kleinanzeigen hat man i. d. R. seinen Mitgliedsbeitrag schon wieder drin. Alles andere wäre somit on-top.

Wie läuft es dann mit der Provision ab, wenn mehrere Makler gleichzeitig involviert sind?

Das meiste soll natürlich beim Objektmakler bleiben. Einen Erstkontakt herzustellen bedeutet nicht viel Arbeit, zumal die Anfragen heute i. d. R. elektronisch eingehen. Daher teilen wir uns die Provision im Verhältnis 90:10. Sollte der Objektmakler seine Immobilie über andere Vertriebskanäle verkaufen, hat er sogar 100 %. Wir sind ja schließlich kein Franchise-System.

Sie betreiben auch parallel ein Empfehlungsportal für Handwerker. Wie genau darf man sich das vorstellen?

Unser Maklernetzwerk soll jetzt auch für Handwerker und immobiliennahe Dienstleister geöffnet werden. Durch unsere Kontakte zu Hauskäufern wissen wir genau, welche Modernisierungsmaßnahmen anstehen und können daher auch einschätzen, welchen Handwerker wir aus der Region empfehlen können. Hierfür haben wir eigens eine Smartphone-App programmieren lassen. So können wir direkt bei der Besichtigung einen oder mehrere Handwerker empfehlen. Meistens werden auch noch Dienstleister wie z. B. Banken, Energieberater oder Gutachter benötigt. So können schnell 5-6 Empfehlungen zustande kommen.

Warum ist die Kooperation von Handwerkern und Maklern so wichtig?

Gerade mit Handwerkern ergeben sich interessante Empfehlungschancen, weil diese über viele persönliche Kontakte verfügen und schnell mitbekommen, wenn eine Immobilie zum Verkauf steht. Außerdem bekommen wir als Tippgeber im Erfolgsfalle eine umsatzabhängige Tipp-Provision. Hier schlummert also noch ein riesiges Potenzial.

Wieso gibt es die Maklerbörse Weser Ems?

Ich wollte immer unabhängig bleiben: von größeren Zuträgern, Banken, Zeitungsverlagen, Immobilienportalen. Ich habe schnell gemerkt, dass dies nur funktionieren kann, wenn wir Makler uns zusammenschließen. Viele Marktbegleiter haben schon heute keine Alternative, weil sie sich zu früh in eine kritische Abhängigkeit begeben haben. Gerade bei kleineren Anbietern kann dies zu bedrohlichen Kostenbelastungen führen, da die großen Immobilienportale ihre Marktdominanz zu willkürlichen Preiserhöhungen nutzen.

Wie kam das Netzwerk zustande?

Ich habe vor ca. 5 Jahren von Maklerbörsen aus Nordrhein-Westfalen erfahren und war von dem Gemeinschaftskonzept überzeugt. Im Norden gab es solche Netzwerke noch nicht, daher musste ich zunächst als Pionier viel Überzeugungsarbeit leisten. Leider musste ich feststellen, dass viele die Idee zwar gut fanden, aber nicht bereit waren den „ersten Schritt“ zu gehen. Zudem kam schnell Neid auf sowie die Angst, dass die kleineren von den größeren profitieren könnten. Letztendlich habe ich dann zwei kleinere Unternehmen gefunden. Wir verstanden uns auf Anhieb gut und konnten somit „von unten“ aufbauen. Jetzt wachsen wir mit Qualität und können uns die Unternehmen sogar selber aussuchen.

Sind Sie auch als Einkaufsgemeinschaft tätig? Wie gehen Sie da vor?

Ja, wir schließen Rahmenvereinbarung und sparen Kosten durch gemeinsames Marketing. Es ist aber alles freiwillig. Jeder kann, keiner muss. Zum Beispiel haben wir eine interessante Kooperation mit eBay Kleinanzeigen oder onOffice. Hier hat man allein durch eine Börsenteilnahme den Mitgliedsbeitrag wieder raus. Je mehr bei uns mitmachen, desto größer ist natürlich der Einspareffekt. Hier kommt der Vorteil durch Masse zum Tragen.

Wie viel günstiger lässt sich einkaufen?

Das hängt vom Produkt ab. Bei den Marketingkosten können und müssen wir Makler noch viel einsparen. Diese sind in Vergleich zu anderen Branchen (z. B. Ärzten oder Rechtsanwälten) viel zu hoch und auf Dauer werden wir diese wohl nicht halten können, da die Schere zwischen Kosten und Ertrag immer weiter auseinander gehen wird. Außerdem verdienen einfach zu viele an uns mit. Wenn wir es also schaffen gemeinsam unsere Kosten zu senken, so bleibt am Jahresende auch mehr für uns Makler übrig.

Akquirieren Sie gemeinsam? Wenn ja wie?

Letztendlich ist natürlich jeder für seine Objektakquise selber verantwortlich. Wir haben über unser Börsennetzwerk aber auch schon einzelne größere Bauträgerprojekte gewinnen können, weil die Investoren von unseren überregionalen Vermarktungsmöglichkeiten überzeugt waren.

Bei so vielen Teilnehmern, ist da nicht Streit vorprogrammiert?

Nein, wir sehen uns vielmehr als große Familie. Geheimnisse gibt es bei uns nicht und wir können offen über alles reden. Letztendlich wollen wir alle in die gleiche Richtung und da spielt die Größe keine Rolle. Wenn jemand bereit ist bei unserem Netzwerk mitzumachen, dann weiß er, dass persönliche Interessen für ein höheres Ziel hintenan gestellt werden müssen.

Warum sollten sich Makler zu Börsen zusammenschließen?

Weil sie gemeinsam einfach viel stärker sind. Durch eine Vernetzung können wir Makler etwas bewegen und nachhaltig etwas verändern. Außerdem können wir zusammen der steigenden Abhängigkeit von großen Immobilienportalen wie auch den Herausforderungen der Digitalisierung viel besser entgegenwirken. Kooperation 2.0: Hier ist die Chance!