Gestern Hennes & Mauritz, heute Dean & David

9. Dezember 2019


In vielen Städten stoßen Gastronomen die Textilunternehmen als größte Mietergruppe vom Thron. Zudem zieht es Lebensmittelläden häufiger vom Stadtrand in zentrale Lagen. Warum dieser Branchenmix den Innenstädten gut tut und auch klassische Einzelhändler profitieren.

Von Susanne Trösser

In den zurückliegenden 20 Jahren waren Modeunternehmen als Mietergruppe eine sichere Bank. Internationale Unternehmen wie Hennes & Mauritz, Mango, Zara und so weiter öffneten in deutschen Einkaufs­straßen viele Filialen. Denn der hiesige Markt zählt zu den umsatzstärksten in Europa. Viele gründeten zudem Ableger im hochwertigen Bereich oder eröffneten eigene Läden für Männermode, Accessoires oder Wohnungseinrichtung. Neue Anbieter wie Primark, Reserved oder TK Maxx sorgten für wachsende Konkurrenz, hohe Nachfrage und steigende Mieten. Außerdem eröffneten viele Modelabels eigene Flagship-Stores.

Nun zeichnet sich eine Trendwende ab. Weltmarken wie H&M stellen ihr Filialnetz auf den Prüfstand und schließen Geschäfte. Andere Modeketten ziehen nach. Denn mittlerweile wird jedes vierte Kleidungsstück nicht mehr im Laden, sondern online gekauft. Dies wirkt sich dauerhaft auf die Geschäftsstraßen aus.

Entsprechend stellten in den ersten sechs Monaten dieses Jahres nicht mehr Modehändler die größte Mietergruppe dar. Sie wurden überholt von Gastronomen und Lebensmittelgeschäften. Viele Lebensmittelläden haben innerstädtische Konzepte entwickelt, die mit weniger Flächen auskommen und einen Schwerpunkt bei Take-Away-Produkten haben wie abgepackten Salaten, Sandwiches sowie kalten und heißen Getränken. Laut einer Analyse des Makler­unternehmens JLL entfielen im ersten Halbjahr demnach auf den Modebereich 23 Prozent der Flächenumsätze, während Gastro und Lebensmittel insgesamt 25 Prozent ausmachten. Rechnet man die aktuellen Flächengesuche hinzu, dann verfestigt sich dieses Bild.

Im Gastronomie-Bereich herrscht derzeit Goldgräberstimmung. Neue Läden, häufig im Franchise-System, erobern gute Nebenlagen sowie immer mehr Top-Einkaufsstraßen, darunter L’Osteria, Dean & David, Vapiano und verschiedene Steak- und Burger-Griller wie „Hans im Glück“, „Five Guys“ oder „The Ash“.

Der Flächenhunger der Food-Konzepte beschränkt sich nicht auf Einkaufsstraßen, sondern erfasst auch Shoppingcenter: Auch hier fallen Textil- und Schuhhändler häufiger als Rückgrat und Ankermieter weg. Letztlich leiden auch die bundesweit 483 Einkaufszentren unter dem Onlinehandel und setzen verstärkt auf Essen und Trinken, integrieren Kinos und Fitnessstudios, um den Indoor-Restaurants auch nach Geschäftsschluss Umsatzmöglichkeiten zu bieten. Lag in den Malls der Anteil der Gastronomie vor zehn Jahren bei etwa zehn Prozent, so ist er mittlerweile in modernisierten Centern auf 30 Prozent geklettert.

In den Toplagen könnten die Ladenmieten leicht sinken, weil Lebensmittelläden und Discounter weniger Miete bezahlen, nicht zuletzt wegen ihrer geringeren Margen. Andererseits erfahren dank dieser Entwicklung gute Nebenlagen eine Stabilisierung der Mieten. In der Summe sollten die Innenstädte also profitieren.

Weitere Vorzüge können ins Feld geführt werden. Wenn erstens die Verbraucher beim Shoppen zwischendurch sitzen und was essen können, bleiben sie länger in der City und kaufen gegebenenfalls mehr ein. Bislang fand man in Einkaufslagen vor allem Möglichkeiten, an kleinen Verkaufstheken Essen auf der Hand zu erwerben. Hinsetzten konnte man sich selten.

Zweitens galten Gastronomen bei Vermietern lange Zeit als unbeliebte Mietergruppe. Ihr Einzug ist meistens mit umfangreichen Umbauten und Genehmigungen verbunden. Außerdem scheitern viele. Aber die Mehrzahl der aktuellen Gastro-­Mieter ist erfahren und hat einen Franchise­geber im Hintergrund. Dieser verfügt über betriebswirtschaftliches Know-how und stichhaltige Marktanalysen, die zeigen, wo es sich lohnt ein Restaurant zu eröffnen und wo nicht. Dies gibt Vermietern mehr Sicherheit.

Drittens führen mehr Supermärkte und Restaurants zu einem breiteren Branchenmix in der City. Die Überraschung war groß, als vor einigen Jahren Aldi auf der Düsseldorfer Königsallee einen Laden eröffnete. Aber im Umfeld der Luxusmeile arbeiten viele Menschen, die in der Mittagspause oder nach Feierabend Lebensmittel einkaufen wollen. Kurz: Restaurants und Lebensmittelläden gehen dahin, wo ihre Kunden sind. Das sollte langfristig eine profitable Entscheidung sein.

 

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