Größer heißt nicht unbedingt besser

1. Januar 2020


40 Quadratmeter. Diese Wohnfläche hat ein Einwohner Berlins durchschnittlich für sich alleine zur Verfügung. Dieser Umstand ist zunächst einmal eine angenehme Folge des gewachsenen Wohlstands – denn in der Bundesrepublik von 1960 war die Pro-Kopf-Wohnfläche gerade einmal halb so groß. Doch es ist mehr als fraglich, ob sich der Trend einer stetigen Vergrößerung des individuellen Wohnraums fortsetzen wird.

Von Dr. Michael Dinkel

Mindestens zwei große gesellschaftliche Trends sprechen dagegen, dass die Wohnfläche pro Einwohner weiter wachsen wird: die zunehmende Zahl der Ein-Personen-Haushalte und die anhaltende Urbanisierung. Studien und Prognosen zeigen, dass sich diese beiden Prozesse im 21. Jahrhunderts weiter verstärken werden. Mit deutlichen Konsequenzen für die Immobilienmärkte.

Schon heute spitzt sich die Wohnraumsituation in den größten deutschen Städten zu, weil immer mehr Menschen nach München, Köln oder Hamburg ziehen. Sie treffen auf ein Wohnungsangebot, das ihre Bedürfnissen oft nicht oder nur unzureichend erfüllt: Die wenigsten „Digital Natives“ wünschen sich eine Bleibe am Stadtrand, ebenso wenig wie Rentner, junge Berufstätige und Wochenendpendler, die auf eine gute Infrastruktur und kurze Wege angewiesen sind. Wer in die Metropolen strebt, tun dies in der Regel gerade aufgrund des kulturellen Angebots, der zahllosen Freizeitmöglichkeiten und der täglichen Abwechslung. Und will das städtische Treiben buchstäblich vor der Haustür haben.

Der Trend zu mehr Single-Haushalten verstärkt die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt indes zusätzlich. In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich ihre Zahl fast veranderthalbfacht. Historisch war die Quote nie so hoch wie heutzutage – vor allem in Deutschlands größten Städten: In Berlin und München etwa lebt mehr als die Hälfte aller Menschen inzwischen allein. Während die Städte kontinuierlich wachsen, erhöht sich folglich die Zahl der benötigten Wohnungen, was mit dazu beiträgt, dass die Miet- und Kaufpreise in Deutschlands Metropolen steigen. Dies wiederum führt zu einem Dilemma, das sich auf dem bisherigen Weg – also mit einem Fokus auf Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen im Neubau – nicht wird lösen lassen. Die drei sich gegenseitig verstärkenden Entwicklungen lassen im Gegenteil nur einen Schluss zu: Die Wohnfläche pro Person wird in Zukunft wieder sinken müssen, da auf gleichbleibendem Raum immer mehr Menschen leben.

Ein wesentlicher Baustein dazu sind clever gestaltete Ein-Zimmer-Wohnungen. Denn es wäre vollkommen unzeitgemäß und ein gesellschaftlicher Rückschritt, wenn mit geringeren Wohnflächen auch deutlich geringerer Komfort einherginge. Doch glücklicherweise leben wir nicht mehr in den 1960er Jahren: Moderne technische Lösungen, intelligente Grundrisse und durchdachte Innenarchitektur erlauben es beispielsweise, eine vollwertige Küche und ein komfortables Bad in ein Apartment zu integrieren, das weniger als 30 Quadratmeter misst. So erleben die Bewohner weder Abstriche im häuslichen Alltag, noch müssen sie auf den großstädtischen Trubel in der direkten Nachbarschaft verzichten.

Auch ökonomisch und sozial liegen die Vorteile kleinerer Wohnungen klar auf der Hand. Dass sich mehr einzelne Wohnungen auf einem Grundstück realisieren lassen, nimmt den gestiegenen Grundstückspreisen ihre negative Wirkung, da sich die Anschaffungskosten auf mehr Wohneinheiten verteilen – wovon sowohl Mieter als auch Investoren profitieren. Entspannend wirkt ein solches Konzept ebenso auf die Wohnungsmärkte: Ein die hohe Nachfrage befriedigendes Angebot verringert etwa die Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche, denen beispielsweise junge Familien ausgesetzt sind, die bislang mit Singles um die wenigen freien Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen konkurrieren.

Und bei noch einer weiteren drängenden gesellschaftlichen Herausforderung, dem Klimawandel, können klug geplante Ein-Zimmer-Wohnungen ein Teil der Lösung sein. Da kleinere Wohnflächen auch weniger umbauten Raum bedeuten, verringern sie sowohl den Material- als auch den Primärenergiebedarf beim Bau. Darüber hinaus ist auch der Energie- und Wasserbedarf durch die Bewohner nachweislich geringer– insbesondere, wenn sie nach Niedrigenergie-Standards errichtet werden:
beispielsweise dadurch, dass weniger nicht unbedingt benötigter Raum geheizt werden muss. Kommen all die oben genannten Faktoren zusammen, leisten clevere Konzepte für Ein-Zimmer-Wohnungen damit einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zu einer lebenswerten Zukunft unserer Großstädte. Größer heißt in diesem Fall eben nicht besser.

 

 

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