Großer Reformbedarf beim Wohnungseigentumsrecht

6. November 2018


Eine länderoffene Arbeitsgruppe der Justizminister befasst sich derzeit mit der Novellierung des Wohnungseigentumsrechtes. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz den Vorsitz der Arbeitsgruppe übernommen. Ziel ist es zunächst, den Reformbedarf des WEG praxisnah und ergebnisoffen zu ermitteln.

Zur Vorbereitung der Arbeiten hat das BMJV einen Diskussionsentwurf zu einem „Gesetz zur Förderung von Barrierefreiheit und Elektromobilität im Miet- und Wohnungseigentumsrecht“ erarbeitet. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat ebenfalls einen Diskussionsentwurf für ein „Gesetz für zukunftsfähiges Wohnen im Wohneigentum“ erarbeitet. Zu beiden Entwürfen haben die Verbände der Immobilienwirtschaft Stellung bezogen.

Der Immobilienverband IVD plädiert dafür, den Entwurf des Bayrischen Staatsministeriums der Justiz als Vorlage für das weitere Gesetzgebungsverfahren aufzunehmen. „Der Landesentwurf geht über den Entwurf des BMJV weit hinaus, denn er sieht vor, die Handlungsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft prinzipiell zu stärken“, sagt Annett Engel-Lindner, Rechtsanwältin und Fachreferentin des IVD für den Verwalterbereich. Der IVD teile dieses Ziel. „Über unsere Mitglieder wissen wir, dass Eigentümergemeinschaften in der Praxis vor einer Reihe wiederkehrender, ja typischer Probleme stehen, die häufig an der Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung oder fehlender Beschlusskompetenzen hängen. Es ist im Interesse der Eigentümer, der Verwalter und auch der Regierung, die sich die Förderung von Wohneigentum auf die Fahnen geschrieben hat, diesen Zustand zu ändern“, so Engel-Lindner.

Hier sieht der IVD im Rahmen der WEG-Reform Handlungs- und Regelungsbedarf:

Barrierefreiheit und Elektromobilität

Bisher war für bauliche Maßnahmen in diesen Bereichen die Zustimmung aller Eigentümer einer Gemeinschaft notwendig. Der IVD schlägt vor, entsprechende Maßnahmen als Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung zu kodifizieren und einzelnen Eigentümern einen Duldungsanspruch gegenüber anderen Eigentümern zu vermitteln. Auch sollen Instandsetzungs- und Folgekosten gesetzlich geregelt werden, unter anderem soll dies durch eine doppelt qualifizierte Mehrheit möglich sein.

Quorum zur Beschlussfähigkeit

Gemeinsame Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft sind bislang an die Bedingung geknüpft, dass mehr als die Hälfte der stimmberechtigten Eigentümer und der Miteigentumsanteile anwesend sind. Der IVD schlägt vor, die Absenkung des für Beschlussfassungen notwendigen Quorums zur Disposition der Gemeinschaft zu stellen.
Generelle Beschlusskompetenz für Änderung der Kostenverteilung

Das Gesetz sieht derzeit lediglich die Möglichkeit vor, dass die Kostenverteilung bei Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen nur für den Einzelfall mit einer Mehrheit von drei Vierteln aller stimmberechtigten Eigentümer und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen werden kann. Soll hingegen eine generelle Änderung des Verteilungsmaßstabes (zum Beispiel Sanierung aller Fenster) erfolgen, müssen alle Eigentümer zustimmen. Dies erschwert die Durchsetzung genereller Maßnahmen an bestimmten Gebäudeteilen. Der IVD schlägt vor, den Begriff „Einzelfall“ im Gesetz zu streichen. Bislang müssen alle Eigentümer zustimmen, wenn eine generelle Änderung des Verteilungsmaßstabes erfolgen soll. Der IVD schlägt vor, solche Beschlüsse bereits mit einfacher Mehrheit fällen zu können.

Umlaufbeschluss

Beschlüsse, die im schriftlichen Verfahren, dem sogenannten Umlaufverfahren, erfolgen, müssen bisher von allen Eigentümern getragen werden. In der Praxis scheitern derartige Beschlussfassungen häufig an der Zustimmung aller Eigentümer, sodass unter Umständen notwendige Maßnahmen nicht zeitnah umgesetzt werden können. Der IVD schlägt vor, diese Bedingung auf eine doppelt qualifizierte Mehrheit abzusenken, um die Gemeinschaft auch unabhängig von Eigentümerversammlungen handlungsfähiger zu machen.

Anzahl Beiratsmitglieder

Bislang umfasst der Verwaltungsbeirat laut Gesetz drei Mitglieder, sofern die Teilungserklärung keine Abweichung vorsieht. Der IVD schlägt vor, im Interesse größerer Flexibilität, der Eigentümergemeinschaft das Recht einzuräumen, die Anzahl der Beiratsmitglieder selber bestimmen zu können.

Ermächtigung des Verwalters für Inkassovorgänge

Derzeit hat der von einer Eigentümergemeinschaft bestellte Verwalter keine originäre Befugnis, säumiges Hausgeld gerichtlich oder außergerichtlich einzutreiben. Nur die Eigentümergemeinschaft kann ihm diese Befugnis im Einzelfall erteilen. Außerdem gibt es bislang keine gesetzliche Regelung zur Fälligkeit des Hausgeldes. Der IVD schlägt daher vor, den Verwalter per Generalklausel im Gesetz zu ermächtigen, selbst Inkassomaßnahmen zu veranlassen. Darüber hinaus soll eine Fälligkeitsregel für Wohngeldzahlungen gesetzlich geregelt werden.

Ermächtigung des Verwalters für kleine Instandsetzung- und Instandhaltungsmaßnahmen
Bislang müssen die Eigentümer dem Verwalter für sämtliche Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßmaßnahmen eine gesonderte Befugnis erteilen. Der IVD schlägt vor, eine Generalklausel zu schaffen, die dem Verwalter erlaubt, aus eigener Kompetenz derartige Maßnahmen zu ergreifen. Die Summe, über die Verwalter hier verfügen darf, soll auf 8% bis 10% der im Wirtschaftsplan festgesetzten Instandsetzungskosten begrenzt werden.

Offene Fremdgeldkonten

Bisher gibt es keine klare gesetzliche Regelung zur Art der Kontenführung in Eigentümergemeinschaften. In der Praxis durchaus üblich sind immer noch Treuhandkonten, die auf den Namen des Verwalters laufen. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung und zum Schutze des Gemeinschaftsvermögen vor Privatinsolvenz des Verwalters und Drittgläubigerzugriffen schlägt der IVD vor, dem Verwalter die gesetzliche Verpflichtung aufzuerlegen, eingenommene Gelder von seinem Vermögen gesondert zu halten und offene Fremdgeldkonten zu führen. (ivd)