Grundlegende Umgestaltungen der Wohnungsanlage im Rahmen baulicher Veränderungen

29. März 2023


Der nachfolgende Beitrag der Serie zur neuen WEG-Rechtsprechung bespricht das Urteil des Landgerichts Köln vom 26. Januar 2023 – 29 S 136/22. Die Berufungsentscheidung befasst sich mit der Frage, bis zu welcher Grenze die Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen beschließen können.

Von Rechtsanwalt und FAMuW / Dr. jur. Marco Tyarks, Hamburg

Grenzen baulicher Veränderungen

Bauliche Veränderungen sind Maßnahmen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der WEG-Reform 2020 die Vorschriften zu den baulichen Veränderungen einschneidend reformiert. Die Wohnungseigentümer können nun sowohl selbst bauliche Veränderungen beschließen als auch einzelnen Wohnungseigentümern durch Beschluss die Ausführungen baulicher Veränderungen gestatten. Hierzu genügt eine einfache Stimmenmehrheit, sofern in der Gemeinschaftsordnung keine abweichenden Regelungen getroffen worden sind. Die Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung über eine bauliche Veränderung soll lediglich unter den Voraussetzungen der so genannten Veränderungssperre entfallen, wobei Beschlüsse, die hiergegen verstoßen, keinesfalls nichtig, sondern lediglich anfechtbar sind. Das Gesetz führt hierzu unter § 20 Abs. 4 WEG wie folgt aus: „Bauliche Veränderungen, die die Wohnungsanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nicht beschlossen oder gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden.“ Das LG Köln hatte sich in seiner Entscheidung näher mit der Frage zu befassen, was unter einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnungsanlage, der ersten Alternative der Veränderungssperre, zu verstehen ist.

Sachverhalt und Entscheidung des Gerichts

Die dem Berufungsurteil des Landgerichts zugrundeliegende Wohnanlage besteht aus drei Häusern mit jeweils vier Wohnungen. Jeweils zwei Wohnungen befinden sich im Hochparterre und zwei weitere Wohnungen im ersten Obergeschoss. Auf der hinteren Grundstücksseite befinden sich Gärten. Die Wohnungen im Hochparterre verfügen über Loggias. Die Wohnungseigentümer besitzen ferner Sondernutzungsbereiche an der Gartenfläche. Vier der sechs Wohnungen im Hochparterre haben vor der Loggia eine gepflasterte Terrasse. Nur die beiden Eckwohnungen besitzen eine solche gepflasterte Terrasse nicht. Alle sechs Wohnungen im Hochparterre verfügen über eine kleine Treppe, bestehend aus vier Stufen, die von der Loggia auf die Terrasse bzw. in den Garten führt. Auf einer Eigentümerversammlung fassten die Wohnungseigentümer auf Antrag der Eigentümerin einer Eckwohnung einen Beschluss, nach dem dieser die Errichtung einer auf 65 cm aufgeschütteten Terrasse, die Ersetzung des Doppelfensters im Wohnzimmer durch eine verschließbare Tür und die Erstellung einer Rampe gestattet wurde. Dadurch soll ein behindertengerechter Zugang zur Terrasse gewährleistet sein. Der Beschluss wurde von einer Wohnungseigentümerin angefochten – mit Erfolg. Bereits das Amtsgericht Bonn kam als Vorinstanz zu dem Ergebnis, dass das Herausbrechen der Fensterfront nebst Einbau einer Türanlage mit einer auf einem Podest errichteten Terrasse und Zuwegung eine erhebliche optische und funktionale Umgestaltung darstelle und der Wohnungslage ein neues Gepräge gebe. Es handele sich daher um eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage, die nicht zulässig sei. Das Landgericht Köln schloss sich als Berufungsgericht den Ausführungen des Amtsgerichts Bonn im Wesentlichen an. Die Grenze der grundlegenden Umgestaltung werde durch die gestattete Baumaßnahme überschritten. Durch die gestattete Maßnahme werde – so das Landgericht – nicht nur die einheitlich und symmetrisch über beide Geschosse gestaltete rückwärtige Fassade des Objekts, die für das Aussehen der Wohnanlage im rückwärtigen Bereich prägend ist, erheblich verändert. Eine zusätzliche und unmittelbar von der Wohnung aus zu begehende, aufgeschüttete Terrasse gebe der gesamten Anlage ein neues, erheblich moderneres und luxuriöseres Gepräge, das zu der übrigen Gestaltung im vorderen und rückwärtigen Bereich des Objekts nicht passe. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnungen keinerlei Möglichkeit haben, ihre Wohnungen durch ähnliche Maßnahmen, wie der hier streitigen, aufzuwerten. Demnach würden die Häuser unterschiedliche Wohnstandards aufweisen, je nachdem in welchem Geschoss eine Wohnung liegt. Auch dies gäbe – so das Landgericht – der Anlage ein neues Gepräge. Die beabsichtigte Veränderung sei von weitem sichtbar. Die Berufung der Wohnungseigentümerin, die die Baumaßnahme realisieren wollte, blieb also ohne Erfolg.

Rechtlicher Kontext und Bewertung der Entscheidung

Es war bereits unmittelbar nach der WEG-Reform 2020 abzusehen, dass der Begriff der grundlegenden Umgestaltung in der Rechtspraxis nur schwer zu fassen sein wird. Der Gesetzgeber hatte den Rechtsanwendern in der Gesetzesbegründung hierzu noch mit auf den Weg gegeben, dass die Frage, ob eine bauliche Veränderung der Wohnanlage grundlegend umgestaltet, nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden könne und Bezugspunkt dabei die Anlage als Ganzes sei. Eine grundlegende Umgestaltung solle deshalb nur im Ausnahmefall und bei den in § 20 Abs. 2 WEG genannten privilegierten Maßnahmen (bspw. bauliche Veränderungen, die den Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient) zumindest typischerweise gar nicht anzunehmen sein. Insbesondere führe nicht jede bauliche Veränderung, die die Eigenart der Wohnanlage ändert, auch zu einer grundlegenden Umgestaltung. Durch die Rechtsänderungen sollten die baulichen Veränderungen von Wohnungseigentums-anlagen erleichtert werden. Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens, der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kam, kann bezweifelt werden, ob sich das Amtsgericht Bonn und das Landgericht Köln mit ihren Entscheidungen auf den richtigen Weg begeben haben. Der Gesetzgeber wollte, dass die Veränderungssperre eng ausgelegt wird und daher nur solche baulichen Veränderungen unter die grundlegende Umgestaltung fassen, die die baulichen Begebenheiten der Wohnanlage quasi auf den Kopf stellen. Dies ist beispielsweise bei einer Aufstockung und der Neuerrichtung eines Gebäudes der Fall, nach Ansicht des Verfassers aber grundsätzlich nicht bei einer punktuellen, wenn auch umfangreichen, baulichen Veränderung.

Auswirkungen auf die Praxis

Das Landgericht Köln hat in seiner Entscheidung die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Es war sich bewusst, dass es eine Grenzfrage zu beurteilen hatte. Ob die Wohnungseigentümerin die Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt hat, ist unbekannt. Es bleibt daher abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof die Gelegenheit erhält, Licht ins Dunkel zu bringen. Sollte dies nicht der Fall sein, bleibt es bei den bestehenden Rechtsunsicherheiten bei der Beurteilung der Frage, ob eine bauliche Veränderung zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führt. Die Wohnungseigentümer werden mit Fall-zu-Fall-Entscheidungen leben müssen.

Foto: sasun_buxdaryan/depositphotos