In zwei Welten arbeiten

15. Mai 2023


Home-Office ist gekommen, um zu bleiben. Während der Lockdowns haben sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch Chefinnen und Chefs die Vorzüge des mobilen Arbeitens erkannt. Aber es gibt noch weitere Lehren, die aus der neuen Wahlfreiheit des Arbeitsplatzes zu ziehen sind.

Von Sebastian E. Hucz

Laut einer Allensbach-Studie von Anfang 2023 glauben gerade mal sechs Prozent der Spitzenkräfte, dass Telearbeit ein vorübergehender Trend ist. Nicht nur gegenwärtig Beschäftigte schätzen flexibles Arbeiten, auch beim Recruiting ist es wichtig, neuen Mitarbeitern flexible Arbeitszeiten und -orte anzubieten. So gibt es fast keine Stellenanzeige, in denen ein entsprechender Hinweis fehlt.

Nun könnte man meinen, dass mobiles Arbeiten für Unternehmen ein Freibrief ist, Büroflächen einzusparen. Das gilt aber nur bedingt. Vielmehr müssen sie die bestehenden Flächen aufwerten. Denn Büros kommt die Bedeutung zu, mehr als früher Orte des sozialen Austauschs zu sein, für Projektbesprechungen, Meetings oder um einfach mit Kollegen an der Kaffeemaschine ins Gespräch zu kommen. Denn die allerwenigsten Arbeitnehmer wollen permanent zuhause arbeiten. Die meisten wünschen sich einen Mix aus Präsenz und Home-Office.

Für eine produktive Arbeit im Büro müssen die Flächen umgebaut werden. Die Anzahl der Bürofläche pro Mitarbeiter steigt in zeigemäßen Flächen eher, als dass sie zurückgeht: Statt von zwölf bis 14 Quadratmetern geht man eher von 20 Quadratmetern pro Angestellten aus. Unter dem Strich wird sich nur in manchen Fällen ein Flächen-Einsparpotenzial ergeben. Umbauten sind nötig für mehr Konferenz- und Gemeinschaftsräume, offene Begegnungsflächen, aber auch Freizeitangebote wie Yoga- oder Fitnesskurse

Büropräsenz fördert Loyalität zum Arbeitgeber

Attraktive Büroflächen sind zudem entscheidend, um Mitarbeiter zu halten. Die Verbindung zu ihnen lässt sich vor allem während der Präsenz im Office pflegen. Ein Beschäftigter, der permanent mobil arbeitet, Kolleginnen und Führungskräfte nur aus Videocalls kennt, entwickelt kaum eine Verbindung zu seinem Arbeitgeber und wird bei sich bietender Gelegenheit den Job wechseln.

Dieses Wissen scheint bei Büromietern angekommen zu sein: Laut einer Umfrage planen 43 Prozent der Unternehmen, bis 2025 Investitionen in flexiblere und modernere Arbeitsbereiche. Diese Erkenntnisse führen dazu, dass die Büronachfrage weiterhin hoch ist und die Durchschnitts- und Spitzenmieten häufig gestiegen sind. Das gilt vor allem für moderne Flächen. In Berlin stieg beispielsweise die Spitzenmiete zwischen Ende 2021 und Anfang 2023 um 6,4 Prozent, die Durchschnittsmiete um 2,1 Prozent. In Köln kletterte in diesem Zeitraum die Spitzenmiete gar um 14,6 Prozent, die Durchschnittsmiete um 3,1 Prozent (Quelle: Colliers, eigene Recherchen).

Ähnlich sind auch die Entwicklungen in guten B-Städten, wie in Aachen oder Bonn. Auch die Leerstandsquote ist in nahezu allen Top-7-Bürostandorten kaum gestiegen. In fünf von sieben Großstädten liegt sie zwischen 2,5 und 5,4 Prozent. Lediglich in Frankfurt und Düsseldorf liegt die Rate darüber: bei 7,3 Prozent in Düsseldorf und 9 Prozent in Frankfurt (Quelle: Colliers, eigene Recherchen).

Kriterien für ESG-konforme Flächen werden wichtiger

Unzeitgemäße Flächen hatten es bereits vor der Pandemie schwer. Dabei wird eine weitere Entwicklung wichtiger: Immer mehr Mieter fordern ESG-konforme Flächen, unter anderem einen energetisch zeitgemäßen Standard. Diese Kriterien können nur jüngere beziehungsweise sanierte Bürogebäude erfüllen. Unternehmen sind ungebrochen bereit, für eine moderne Ausstattung mehr zu zahlen.

Auch in den kommenden Monaten ist weiterhin mit einer guten Nachfrage zu rechnen. Selbst wenn die ein oder andere Firma Flächen einspart, egal ob wegen ihrer wirtschaftlichen Lage oder verstärktem Home-Office, so wird dies vom Markt aufgesaugt. Die Zahl der Bürobeschäftigten wird weiter steigen. Außerdem ist die Pipeline neuer Bauprojekte leerer als vor einigen Jahren.

Hohe Zinsen und gestiegene Baukosten sorgen dafür, dass weniger Büroneubauten auf den Markt kommen, die mit Bestandsobjekten konkurrieren. Schwerer haben es betagte Gebäude in kaum nachgefragten Lagen: Hier sollten Vermieter prüfen, ihre Büroimmobilien in Wohnraum umzubauen.

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