Investitionen in 60-Jahre-Wohnhäuser

22. Juni 2017


Aus Schutt und Geröll wurden sie nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut – schnell musste es gehen und wenig Geld kosten. Die Nachkriegsbauten der Sechzigerjahre sind aus der Not heraus entstanden, vielen Menschen möglichst zeitnah ein Dach über dem Kopf zu geben. Von Patrick Herzog-Smethurst

Die architektonischen Ansprüche der jungen Bundesrepublik waren geprägt von einer antibourgeoisen Sachlichkeit um jeden Preis. Vielleicht ist das einer der Gründe, weshalb Bauten der Sechzigerjahre noch heute verpönt sind. Doch sollten unterbewusste Schönheitsvorstellungen als Ausschlusskriterium gelten dürfen, wenn man eine Immobilie als Anlage betrachtet? Ich meine: nein.

Die Nachfrage nach Wohnraum von Metropole bis B-Stadt ist ungebrochen und es entstehen bei Weitem nicht hinreichend neue Wohnungen. In dieser Zeit versprühen die Sechzigerjahre einen besonderen Charme: den Charme der unterbewerteten Assetklasse. Die Anschaffungskosten sind meist niedriger als bei Altbauten aus der Gründerzeit oder Neubauten in ähnlicher Lage, und die Investitionskosten sind vergleichbar. Deshalb können die Renditen entsprechend höher ausfallen und Gebäude aus den Sechzigerjahren zu einer lukrativen Investition werden. Für eine erfolgreiche Wertschöpfung sind indes Geduld und Obacht nötig, denn es gelten Regeln, die gelernt und beachtet sein wollen.

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Immer wieder verfallen Investoren der Idee, einen Aufzug in einem Sechzigerjahre-Bau erneuern zu wollen. Davon ist abzuraten, denn die Gebäude sind ein Abbild ihrer Zeit: Geld und Baumaterialien waren nur begrenzt vorhanden, gleichzeitig war die Wohnungsnot enorm. Es wurde an allen Ecken und Enden gespart. Die Folge ist, dass viele Aufzugsschächte krumm und schief sind. Moderne Aufzüge lassen sich nur mit erheblichem Mehraufwand und zusätzlichen Kosten einbauen. Es empfiehlt sich daher, einen bestehenden Aufzug zu modernisieren oder bei Bedarf instand zu setzen. Ähnliches gilt für den Dachausbau. Die Sechzigerjahre-Bauten mit ihren Flachdächern verführen zu einer Erhöhung der Geschossflächenzahl im Penthouse-Stil. Doch lassen Sie Vorsicht walten, denn die schwache Bausubstanz zahlreicher Nachkriegsbauten lässt eine klassische Aufstockung schwerlich zu. Möglich ist oft nur ein Holzständewerk mit einem weit zurückgestellten Staffelgeschoss. Denken Sie dabei positiv: Ihr Penthouse hat jetzt einen Rundum-Galerie-Balkon.

Bei Investitionen in Neubauten kann man sich sicher sein, dass das Gebäude sämtlichen zeitgemäßen Standards entspricht – das gilt auch für den Schallschutz. Dieser war in den Sechzigerjahren kein großes Thema, die Wände wurden dünn gebaut. Machen Sie sich keine Illusionen: Selbst wenn Sie isolieren und neue Fenster einbauen, werden Sie den Standard eines Neubaus nur schwer erreichen können. Die eigentliche Frage lautet: Ist absoluter Schallschutz notwendig? Wer in der Großstadt wohnt, ist einen höheren Geräuschpegel gewohnt. Viele jüngere Menschen ziehen in die Städte, weil sie den Trubel und das agile Leben der Metropolen suchen. Da gehören Straßengeräusche dazu.

In der Nachkriegszeit wurde nicht nur dünn gebaut, auch die Baumaterialien waren nicht besonders hochwertig. Lange Zeit galt Asbest als hervorragender, isolierender Baustoff, die Gesundheitsgefahren waren damals nicht bekannt oder wurden ignoriert. Viele Flachdächer wurden deshalb mit Asbest gebaut – sowohl Wohngebäude als auch Garagen. Bei einer übereifrigen Sanierung der Dächer kann es zu Staubentwicklungen und unerwarteten, kostspieligen Komplikationen kommen. Allerdings haben auch Asbestdächer ihre Berechtigung, denn was viele nicht wissen: Solange Asbest nicht austrocknet oder Asbeststaub freigesetzt wird, geht von ihm keine Gefahr aus.

Mein Fazit: Wer die Herausforderung nicht scheut und unsere Städte auch historisch vielschichtig erhalten will, der kann mit Gebäuden aus den Sechzigerjahren kluge Akzente setzen – sei es durch gerundete Schaufenster, Kachelmosaiken, Messingläufe oder alte Leuchtreklamen. Mit etwas Umsicht und Geduld können Sie eine lohnende Investition mit ansprechender Rendite erwerben. Wichtig ist, dass Sie Partner finden, die sich auf das Segment der Sechzigerjahre spezialisiert haben.