Kommunales Vorkaufsrecht setzt falsche Priorität

24. Februar 2023


Das Bundesbauministerium möchte das kommunale Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten neu regeln, weil das Bundesverwaltungsgericht die bisherige Ausübung des Vorkaufsrechts gekippt hatte. Bislang scheitert die Neuregelung am Widerstand der FDP.

Von Jürgen Michael Schick, IVD-Präsident

So manche politische Debatte ist ein Selbstläufer. Man muss nur ein paar bestimmte Knöpfe drücken, ein populistisches Thema wählen, und schon ist sie in vollem Gange. Besonders gut funktioniert das, wenn die Schlagworte „Immobilie“, „Investoren“ und „Mieter“ eingestreut werden – fertig ist die Melange für den vorhersehbaren Schlagabtausch.

So zu beobachten auch in einer Debatte, die seit Jahren zum kommunalen Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten geführt wird — eine Praxis, der durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts am 9. November 2021 — von Schrottimmobilien abgesehen — die Grundlage entzogen worden war.

Anders sieht man dies im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Dort kursiert ein Gesetzentwurf, mit dem die alte Praxis sogar erweitert würde. Städten und Gemeinden soll in Milieuschutzgebieten ein bedingungsloses Vorkaufsrecht zustehen. Noch stellt sich in der Regierungskoalition die FDP dagegen.

Worum geht es? Als Vorkaufsrecht wird das Recht bezeichnet, in einen wirksam abgeschlossenen Kaufvertrag anstelle des Käufers einzutreten. Hier geht es um Immobilien in Milieuschutzgebieten, zumeist Mehrfamilienhäuser. Warum ein privater Vermieter schlechter als ein kommunaler sein soll, können wir beim IVD nicht erkennen. Denn für jeden Vermieter gilt dasselbe Wohnraummietrecht. Dieses stellt sich stark vor die Mieter und lässt kaum Mieterhöhungspotenziale zu.  Apropos Mieterhöhungspotenziale: Einerseits sind diese in Milieuschutzgebieten durch ein weitgehendes Modernisierungsverbot ohnehin kaum vorhanden. Andererseits gilt: Kauft die öffentliche Hand, heißt es nicht, dass Mieterhöhungspotenziale nicht genutzt werden. Das geplante Vorkaufsrecht ist ein Fremdkörper im Baugesetzbuch, das der Einhaltung der Bauleitplanung dienen soll. Es kann den Einzelnen gar nicht vor Verdrängung schützen. Das ist Aufgabe des sozialen Mietrechts. Im Klartext: Die Notwendigkeit eines Vorkaufsrechts ist fraglich, da unklar ist, ob es überhaupt die gewünschte Wirkung entfalten kann.

Die Befürworter des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten liebäugeln noch mit einer weiteren Änderung, die es noch nicht in den Gesetzentwurf geschafft hat. Sie betrifft das Rücktrittsrecht des Verkäufers, das er ausüben kann, wenn die Kommune nur zum vielleicht gegenüber dem Verkaufspreis geringeren Verkehrswert kaufen will. Es soll nach den Hardlinern gestrichen werden, was letztlich zu einem staatlich regulierten Markt für Mehrfamilienhäuser führen würde.

Zu kurz kommt in der Diskussion: Auch ohne Wegfall des Rücktrittsrechtes führt die Möglichkeit zum Verkehrswert zu kaufen zu einer für den Verkäufer misslichen Situation. Das Mehrfamilienhaus wird faktisch unverkäuflich, weil der Verkäufer immer wieder die Ausübung des Vorkaufsrechts fürchten muss.

Wer versucht, das kommunale Vorkaufsrecht auszuweiten, setzt eine falsche Priorität. Denn die für die Ausübung not-
wendigen Gelder werden für den Wohnungsbau gebraucht. Hier liegt die wahre sozialpolitische Herausforderung, denn mittlerweile fehlen in Deutschland 700.000 Mietwohnungen. Das ist das größte Wohnungsdefizit seit zwei Jahrzehnten.

Deshalb mein Appell: Statt einer Spiegelfechterei um das kommunale Vorkaufsrecht sollten wir uns alle — und nicht zuletzt die Bundesregierung — um die wichtigste Aufgabe kümmern: den Bau neuer Wohnungen. Zudem muss es möglich sein, in Milieuschutzgebieten mehr energetisch zu sanieren. Dort gibt es enorme Potentiale für den Klimaschutz, auf die derzeit sehenden Auges verzichtet wird.

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