Luxus und Freiheit auf vier Rädern

16. Juli 2018


Der Markt für Reisemobile boomt. Ferien im eigenen Campingwagen werden immer beliebter. Die Verkaufszahlen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Horst Spiertz, Inhaber des Reisemobilhändlers Auto & Freizeit, erklärt im AIZ-Interview, woher die Faszination für den Urlaub auf Rädern kommt und was das mit der aktuellen politschen Lage zu tun hat.

Interview von Johanna Böhnke

Was fasziniert Menschen an Reisemobilen?

Sie geben ein Stück Freiheit.  Der Urlaub wird zum kleinen Abenteuer: Die Leute können ihren Urlaub frei gestalten und das vor allem auch vom Zeitpunkt. Ein Hamburger etwa kann am Freitag spontan entscheiden, am Wochenende an die See zu fahren. Das Reisemobil steht vor der Tür, er muss nur schnell packen und kann losfahren.

Wie hat sich die Nachfrage nach Wohnmobilen in den letzten Jahren entwickelt?

Die hat sich sehr gut entwickelt, was sicherlich auch an der politischen Lage in ganz Europa liegt. Denn die Leute machen heute anders Urlaub. Früher sind viele in Gebiete wie Ägypten oder die Türkei gefahren und haben dort Pauschalurlaub gebucht. Das wird immer weniger. Stattdessen haben viele in den letzten drei bis vier Jahren den Campingurlaub für sich entdeckt. Deshalb spricht man momentan davon, dass der Markt boomt. In den letzten zwei Jahren alleine gab es Zuwachsraten im deutlichen zweistelligen Bereich.

Gibt es auch eine Verknüpfung zwischen dem knapper werdenden Wohnraum und der Beliebtheit von Wohnmobilen?

Das gibt es weniger, was die Wohnmobile betrifft, die ja immer noch Fahrzeuge sind. Aber dennoch sieht man eine Entwicklung zu den sogenannten Dauercampern gerade im Bereich Hamburg und Umgebung. Die verlegen ihren Wohnsitz dann auf den Campingplatz in einen Wohnwagen, also in die Anhänger-Variante ohne eigenen Motor. Ich glaube, dass das in der Tat mit dem mangelnden Wohnraum zusammenhängt.

Worauf legen die Kunden besonders wert?

Besonders wichtig ist es, ein komplett ausgestattetes Fahrzeug zu haben. Das hat sich in den letzten Jahren so entwickelt: Heute muss das Fahrzeug schon mehrere Features haben, damit der Kunde es überhaupt kauft. Es muss alles dabei sein vom Kochbereich bis zur Wellnessdusche. Außerdem sollten der Dusch- und Toilettenbereich getrennt sein und auch auf den Schlafkomfort wird viel Wert gelegt.

Wie sieht es mit alten Modellen aus, die diesen Standards nicht mehr entsprechen? Lassen die sich nicht mehr verkaufen?

Wir nehmen auch noch Modelle in Zahlung, die diesen Standards nicht entsprechen. Da wächst dann gerade die junge Generation so um die Mitte zwanzig ran. Die kaufen dann solche Mobile als Einstiegsmodell und bauen die sich dann entweder selbst weiter aus oder nutzen sie einfach beim Surfen.

Die Bedürfnisse variieren sicherlich von Kunde zu Kunde: Ist das nicht wahnsinnig beratungsintensiv und individuell?

Es ist sehr wichtig Personal zu haben, das die Bedürfnisse der Kunden erkennt. Man muss schon im Erstgespräch mit dem Kunden sehen, welches Modell für ihn in Frage kommt. Da ist so ein Reisemobil natürlich beratungsintensiv. Gerade auch, wenn es darum geht, die Ausstattung zu individualisieren. Wenn Sie nicht erkennen, welche Bedürfnisse der Kunde hat, haben Sie ihn auch schnell falsch beraten und er steht in einem Jahr wieder da, weil er unzufrieden ist.

Die Ausstattung der Wohnmobile geht bis in den Luxusbereich. Sind sie mittlerweile auch für Leute, die keinen klassischen Campingurlaub wollen eine Alternative zur Ferienwohnung?

Ich würde sagen, ja. Wir vertreiben zwar nicht den absoluten Luxusbereich von 250.000 Euro aufwärts, sondern enden bei einer Preisklasse um die 150.000 Euro, aber schon in diesem Segment sind die Fahrzeuge bis zu neun Meter lang und so aufgebaut, dass sich das Gefühl ergibt, einen Rückzugsort zu haben.

Was war das außergewöhnlichste Wohnmobil, das sie bisher gesehen haben?

Was mich immer wieder fasziniert sind die Mobilie von Vario. Das ist ein Ausbauer im Luxusbereich, bei dem der Kunde sein Fahrzeug bis ins kleinste Detail individuell ausstatten kann. Die Modelle werden auf einem LKW-Gestell gebaut. Da ist dann unten noch eine Garage für das Cabrio drin. Mich beeindruckt daran, dass diese Fahrzeuge teilweise acht- oder neunhunderttausend Euro kosten und man es trotzdem schafft, sie zu vermarkten.

Sie selbst verkaufen Mobile in einem Segment bis zu 150.000 Euro. Was kann man für diesen Preis erwarten? Geht das auch schon in den Luxusbereich?

Ja, absolut. Das zählt bereits zum Luxusbereich. Sowohl  von der Größe als auch von der Austattung. Aber der Unterschied ist, dass wir Fahrzeuge vertreiben, die in Serie gefertigt werden. Ein paar Dinge können wir sicherlich individuell für den Kunden umbauen, aber letztendlich muss er mit dem Grundriss leben, mit dem das Fahrzeug gefertigt wird. Da kann er nicht sagen: Ich möchte mein Bett lieber auf der anderen Seite stehen haben.

Sie sind auch im Ausland aktiv. Inwieweit unterscheidet sich der Markt für Wohnmobile in Ländern wie Norwegen oder Korea von dem in Deutschland?

Korea ist ein ganz junger Markt. Da gibt es dieses Camping-Konzept noch gar nicht so lange. Wir sind jetzt seit fünf Jahren dort und zu der Zeit hat man tatsächlich gerade erst mit der Entwicklung von Campingplätzen begonnen. Dort gibt es außerdem keine Reisemobile, sondern nur Wohnwagen. Denn von Deutschland können wir momentan kein Mobil nach Korea einführen, weil die Abgasnorm eine andere ist. Die sind da tatsächlich schon viel weiter. Norwegen ist wiederum ein ganz anderer Markt. Es ist ein sehr reiches Land, deshalb gehen da fast nur Fahrzeuge mit einer Highend-Ausstattung. Der Norweger legt sehr viel Wert auf Luxus und gehobene Qualität.

Wie sieht die Wertentwicklung von Wohnmobilen aus? Lohnt es sich eher ein neues oder ein bereits gebrauchtes Mobil zu kaufen?

Die Wertentwicklung ist bei Reisemobilen zum Glück anders als bei Autos. Das liegt auch an der individuellen Austattung. Wenn Sie ein Wohnmobil nach einem Jahr wieder abgeben wollen, ist der Wertverlust da nicht so dramatisch und das wird mit den Jahren noch deutlich weniger. Wenn Sie nach fünf Jahren ein Wohnmobil zurückgeben wollen oder sich ein neues kaufen, dann stellen Sie fest, dass der Wertverfall total gering ist. Das hat natürlich auch mit dem Markt zu tun. Der Gebrauchtwagenmarkt ist wie leer gefegt und dadurch ist der Wert auch ziemlich stabil. Da lohnt es sich schon, in einen Neuwagen zu investieren.

Wohnen Sie selbst lieber im Wohnmobil oder in der Ferienwohnung?

Ich mache beides. Wenn ich mit meinen Kindern im Wohnmobil verreise, bin ich aber nicht der typische Campingplatzurlauber. Ich liebe das Individuelle daran. Gerade, wenn wir zum Beispiel in Schweden unterwegs sind. In den skandinavischen Ländern dürfen Sie noch überall stehen bleiben. Da kommen Sie an einem Fjord vorbei und dürfen dort auch mit Ihrem Wohnmobil halten. Das ist in Deutschland ein bisschen anders. Aber ich bin auch für anderen Urlaub offen und fahre  auch gerne mal in ein Ferienhaus.

Foto: © Auto & Freizeit