Mangel an Handwerkern und Fachkräften ist größtes Hindernis beim Wohnungsbau

13. April 2022


Seit mehr als 15 Jahren bereits engagiert sich Sandra Weeser politisch – für die FDP auf Orts-, Kreis- oder Landesebene und seit 2017 auch im Bundestag. Im September 2021 zog sie erneut in den Bundestag ein und wurde zur Vorsitzenden des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen gewählt. Die AIZ sprach mit ihr über die ersten 100 Tage der Bundesregierung und ihre politischen Ziele.

Interview von Heiko Senebald

AIZ: Die Bundesregierung ist seit 100 Tagen im Amt und damit auch die neue Bauministerin Klara Geywitz. Wie beurteilen Sie die ersten 100 Tage in Sachen Bau- und Wohnungspolitik?

Sandra Weeser: Baupolitik ist ein sehr dickes Brett, Erfolge von guter Politik sieht man hier erst nach fünf bis zehn Jahren. In den letzten Jahren ist die Bau- und Wohnungspolitik als Anhängsel von Herrn Seehofers Heimatministerium leider völlig vernachlässigt worden. Vor diesem Hintergrund ist die erste große Aufgabe von Ministerin Geywitz, nun überhaupt ein arbeitsfähiges Haus aufzubauen — als Grundlage für eine stärkere Baupolitik in der Zukunft.

Doch auch wenn der Aufbau des Ministeriums noch ein laufender Prozess ist — die Zusammenarbeit in der Ampel funktioniert gut. So arbeitet beispielsweise Frau Geywitz bei der Frage, wie man bürokratische Planungsverfahren vereinfachen kann, sehr gut mit Justizminister Buschmann und Verkehrsminister Wissing zusammen.

Ganz aktuell haben wir in der Koalition kürzlich beschlossen, einen unbürokratischen und gezielten Heizkostenzuschuss an Wohngeld- und Bafög-Empfänger auszuzahlen, davon profitieren über zwei Millionen Menschen.

In Deutschland hat eine breite Debatte über die Koordinierung und Verteilung der aus der Ukraine geflüchteten Menschen eingesetzt. Derzeit konzentriert sich die Aufnahme der Geflüchteten auf die Metropolen und Großstädte, die ohnehin schon einen angespannten Wohnungsmarkt haben. Was ist zu tun?

Für die Aufnahme und Unterbringung der Menschen muss einiges getan werden, das unter normalen Umständen für unmöglich gehalten wurde. So nutzen wir jetzt auch Notfall-Paragraphen, etwa für die Umnutzung von Büros und Einzelhandelsflächen. Ich sage aber auch ganz offen: Die zuständigen Landesbehörden werden das Problem nicht alleine lösen können.

Wir brauchen hier die Hilfe und praktische Zusammenarbeit von allen: Freiwilligen Helfern, Vereinen, Unternehmen und Kommunalverwaltungen. Auch der Bund unterstützt selbstverständlich mit Geld, Personal und Infrastruktur.

Hier mein Appell an alle Immobilienbesitzer und Verwalter: Prüfen Sie, welche Räume und Flächen genutzt werden könnten und kommunizieren Sie das an die Kommunen und Verbände. Wir werden unbürokratische Hilfen möglich machen, wo es geht.

Welche Maßnahmen sind prioritär, um beim Wohnungsbau voranzukommen und der Zielmarke von 400.000 Wohnungen pro Jahr nahe zu kommen?

Für den Bau von Wohnungen braucht es drei Dinge: Fachkräfte, Material und Bauraum. Es ist offensichtlich, dass wir von allen drei Zutaten zu wenig haben. Daher müssen wir als Regierung an allen Stellschrauben drehen, die hier die Produktionskapazitäten vergrößern.

Von der Baupolitik ist davon direkt nur der Bereich Bauraum adressierbar — wobei das eine grüne Wiese, ein altes Fabrikgelände oder der Raum über bestehenden Gebäuden sein kann. Hier gelten die Gesetze zur Planung und Genehmigung und hier werden die Behörden direkt aktiv.

Das größte Hindernis ist aber der Mangel an Handwerkern und Fachkräften, Stichwort Bauüberhang. Selbst wenn Sie doppelt so viel Geld bereitstellen, werden Sie nicht doppelt so viele Wohnungen bauen und sanieren können, wenn die Leute dafür fehlen. Der Schlüssel für Wohnraum und Wärmewende liegt deshalb darin, die Berufsausbildung zu stärken und mehr junge Menschen für Bauberufe zu gewinnen.

Welche weiteren Themen sind Ihnen als Vorsitzende des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen wichtig?

Der Bereich Fachkräfte und Ausbildung ist der Dreh- und Angelpunkt für alle Ziele im Wohn- und Baubereich. Wir brauchen Bauarbeiter und Planer, um günstigen Wohnraum zu schaffen. Wir brauchen Handwerker, um alte Ölheizungen durch neue Wärmepumpen zu ersetzen. Wir brauchen Fachkräfte in der Industrie, um preiswertes und weniger von fossilen Energien abhängiges Baumaterial zu produzieren.

Mein persönliches Herzensthema ist daher die Stärkung der Berufsausbildung. Ein Meisterbrief muss so unterstützt werden wie ein Masterabschluss, Berufsschulen sollen finanziell so gut und modern ausgestattet werden wie Hochschulen. Wir planen zusätzliche Beratungsangebote an Schulen, auch an Gymnasien. Und nicht zuletzt müssen wir das Ausländerrecht ändern, wenn es darum geht, Einwanderer und Geflüchtete in Ausbildung und Arbeit zu bringen.

Mir ist am Ende wichtig zu zeigen: Hinter jeder Wohnung stecken Menschen, ob im Bau, im Handwerk oder in der Verwaltung. Wenn wir diesen Menschen ihre Arbeit einfacher machen, werden sie uns mit mehr und besserem Wohnraum versorgen können.

 

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Eule

Der KfW-Förderstopp hat für viel Unruhe gesorgt. Die Immobilienwirtschaft vermisst eine verlässliche Förderkulisse. Welche Botschaft richten Sie an diese Immobilienunternehmen?

Ich verstehe den Ärger, wenn mit Geld geplant wird und dann ist der Topf leer. Aber zur Ehrlichkeit gehört auch: Es war Minister Altmaier, der hier mehr versprochen hat, als er Geld bereit gestellt hat. Er hat zudem das Förderende angekündigt, das dann zum Run geführt hat. Uns als neue Regierung blieb dann erst einmal nichts anderes übrig, als die Scherben aufzusammeln und den Schaden zu begrenzen, indem durch eine Verdoppelung der Haushaltsmittel immerhin bestehende Anträge abgearbeitet werden können.

Gegenüber den Unternehmen möchte ich ehrlich sein: Haushaltsmittel sind begrenzt, erst recht jetzt angesichts von Krieg und Energiekostenexplosion. In der Priorität steht die Förderung von energetischer Sanierung im Bestand dabei nun vor staatlicher Neubauförderung. Das ist schmerzhaft, aber es ist Teil der Auswirkung von Putins zerstörerischem Krieg.

Die FDP macht sich seit jeher für die Förderung von Wohneigentum stark. Das wohl wichtigste Thema ist dabei die Grunderwerbsteuer. Im Koalitionsvertrag steht, dass den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer zum Beispiel durch einen Freibetrag ermöglicht werden soll. Doch kaum ein Bundesland wird aufgrund der zu erwartenden Steuermindereinnahmen davon Gebrauch machen. Zudem wäre eine Grundgesetzänderung notwendig. Müsste hier nicht der Bund selbst einen Freibetrag schaffen? Wie könnte eine Lösung aussehen?

Seit Jahren zeigen die Länder auf den Bund, dass er den rechtlichen Weg für den Freibetrag frei machen muss — jetzt hat die FDP das im Koalitionsvertrag durchgesetzt und wir werden das auch machen. Ich bin eigentlich recht zuversichtlich, dass die Union sich einer Grundgesetzänderung hier nicht in den Weg stellt. Und die FDP wird sich auch auf Landesebene dafür einsetzen, dass die Freibeträge zustande kommen. Es ist nun mal eine Landes-Steuer, da können die Ministerpräsidenten sich keinen schlanken Fuß machen.

Halten Sie die ehrgeizigen Klimaschutzziele mit der Wohnungspolitik für kompatibel?

Manche Rechnungen, die mal eben die jährliche Sanierungsquote verdreifachen wollen, ohne zu sagen, wo die Handwerker dafür herkommen sollen, sind schon reichlich weltfremd. Auch werden es sich ältere Menschen nicht immer leisten können oder wollen, ihre alten Häuser zu sanieren. Ich denke, bei den aktuellen Energiepreisen braucht auch niemand einen klimapolitischen Anreiz, um zu sanieren und Heizsysteme zu modernisieren. Das ist jetzt einfach eine wirtschaftliche Frage.

Anstatt mit abstrakten Jahreszielen beschäftige ich mich daher mit konkreten Lösungsschritten: Wie entlasten wir Kommunen und Handwerksbetriebe von Ausschreibungs-Bürokratie? Wie stärken wir Berufsausbildung und gewinnen auch junge Frauen für handwerkliche Berufe? Wie reduzieren wir bürokratische Hürden, damit Geflüchtete und Zuwanderer direkt bei einem Unternehmen anheuern und mit anpacken können, um moderne Heizsysteme zu produzieren und installieren? Jeder zusätzliche Handwerker bringt dem Klimaschutz mehr als ein Papier mit abstrakten Zielen.

 

Foto: © Sandra Weeser