Mit Steuererhöhungen ist zu rechnen

10. Januar 2020


Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr 2018 geurteilt hatte, dass die Politik bis Ende 2019 eine Reform der Berechnung der Grundsteuer vorzulegen hat, ist kurz vor Toresschluss tatsächlich das entsprechende Gesetz beschlossen worden. Der gefundene Kompromiss findet jedoch auch viele Kritiker.

Am 8. November 2019 hat der Deutsche Bundesrat einem der wichtigsten steuerpolitischen Projekte dieses Jahres, dem Gesetz zur Reform der Grundsteuer und des Bewertungsgesetzes, zugestimmt. Damit fand ein Abstimmungsprozess sein Ende, der seit anderthalb Jahren andauerte. Erst wenige Wochen vorher, am 18. Oktober 2019, hatte der Deutsche Bundestag das von der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen eingebrachte Gesetzespaket zur Reform der Grundsteuer beschlossen. Nach dem Gesetzentwurf soll für die Erhebung der Steuer bei Wohngrundstücken zukünftig der Ertragswert maßgeblich sein. Für die Bundesländer ist eine Öffnungsklausel vorgesehen, damit sie die Grundsteuer nach anderen, wertunabhängigen Bewertungsverfahren erheben können. Die neuen Regeln werden ab 2025 angewandt.

Die Reform der Grundsteuer war nötig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht mit Urteil am 10. April 2018 die bisherige Berechnung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Einheitswerte für Grundstücke beruhen aktuell auf den Wertverhältnissen zum 01.01.1964 in den alten Bundesländern und zum 01.01.1935 in den neuen Bundesländern. Da die Entwicklung der Werteverhältnisse der vergangenen über 50 Jahre darin keine Berücksichtigung finden, befand das Gericht, dass die Einheitswerte überholt seien und zu „gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen“ führen. Der Gesetzgeber war beauftragt worden, bis Ende 2019 neue Regeln für die Berechnungsgrundlage zu entwerfen.

Mit Inkrafttreten der Neuregelung wird die Bewertung grundsätzlich nach dem wertabhängigen Modell erfolgen. Für die Bestimmung des Grundstückswerts ist in Zukunft der Wert, der durch unabhängige Gutachterausschüsse ermittelt wird, maßgeblich. Für unbebaute Grundstücke ist dies die einzige Wertbestimmung. Für bebaute Grundstücke werden bei der Berechnung außerdem Erträge wie Mieten berücksichtigt. Zur Vereinfachung der Werterhebung wird für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietgrundstücke und Wohneigentum ein vorgegebener durchschnittlicher Sollertrag in Form einer Nettokaltmiete je Quadratmeter in Abhängigkeit der Lage des Grundstücks angenommen.

In der Debatte um die Reform der Grundsteuer war neben dem nun beschlossenen wertabhängigen Modell auch ein wertunabhängiges Modell im Gespräch. Dieses sieht vor, dass sich die Bemessung der Grundsteuer in erster Linie an der Grund- und Wohnfläche orientiert; als Argument dafür diente beispielsweise eine einfachere Berechnung mit weniger Bürokratie. Unter anderem das Bundesland Bayern hat sich für diese Reformvariante eingesetzt. Als Kompromiss zwischen Bund und Ländern sieht die Reform eine Öffnungsklausel vor, das heißt, dass die Bundesländer frei in der Entscheidung sind, statt des wertabhängigen das wertunabhängige Modell zu verwenden. Etwaige Steuermindereinnahmen infolge des alternativen Modells dürfen jedoch nicht beim Länderfinanzausgleich geltend gemacht werden. „Wir würden es begrüßen, wenn sich die Länder auf ein einfaches Flächen­modell einigen, das dann überall in Deutschland eingeführt wird“, kommentierte Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbandes IVD. Welche Länder davon Gebrauch machen werden, steht noch nicht fest. In den Ländern wird noch berechnet, wie sich die Reform auswirken würde.

Kritisiert wird die Grundsteuerreform unter anderem dafür, dass es eher nicht gelungen ist, das Berechnungsmodell — wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert — grundlegend zu vereinfachen. Darüber hinaus wird befürchtet, dass sich die Steuerbelastung für Mieter und Eigentümer erhöhen wird. „Über die Höhe der Steuer entscheiden allein die Gemeinden, die den Hebesatz selbständig festsetzen dürfen. Finanzklamme Gemeinden werden ihren Hebesatz keineswegs so weit herabsetzen, dass der Anstieg der Grundstückswerte ausgeglichen wird“, sagte Schick. (ivd)