Mitarbeitergespräche: Lästige Pflicht oder Gewinn für alle?

31. Januar 2019


Im Oktober letzten Jahres las ich einen Artikel mit der Überschrift „Rette sich wer kann: Mitarbeitergespräch! — Worauf können sich Mitarbeiter und Chefs sofort einigen? Richtig — beide hassen Mitarbeitergespräche“ (Spiegel Online, 17.09.18). Im Artikel sind viele Beispiele geschildert, was man so alles falsch machen kann in einem solchen Gespräch. Es läse sich recht humurös, wenn es nicht alles wahre Begebenheiten wären.

Von Imke Maria Dirks

Doch wie macht man es nun — auch angesichts des Fachkräftemangels in der Branche — besser oder richtig gut? Wie schaffe ich es, meine guten Mitarbeiter zu halten und zu binden? Was kann das Mitarbeitergespräch hier als Führungsinstrument leisten? Hierzu habe ich im Laufe meines Vortrags auf dem Personalmanagement-Tag folgende Antworten gegeben, die sich im Laufe der Jahre in meiner Arbeit mit Menschen in Unternehmen herauskristallisiert haben.
Ich muss Lust darauf haben

Daher stelle ich den Führungskräften in Schulungen zum Thema meist die folgenden drei Fragen:

  1. Wie „verführe“ ich meine Mitarbeiter zu einem guten Gespräch?
  2. Und wie bekomme ich selbst Lust darauf?
  3. Was sind hierfür gute Bedingungen?

Rein äußerlich zumindest kann ich bei der Wahl des Raumes, eines guten Kaffes oder Tees und leckeren Lebkuchen beginnen.

Ziel und Sinn von Mitarbeitergesprächen kennen

Nun stellt sich die Frage: Worauf soll ich denn genau Lust haben? Was ist denn Ziel und Sinn solcher jährlichen Gespräche?

1. Beziehungspflege: Im Alltag wird oft viel miteinander gesprochen. Doch wann geht es mal tiefer ans Eingemachte? Wann werden die Dinge angesprochen, die mich Überwindung kosten, aber wichtig wären, gesagt zu werden?

2. Problemlösung: Wenn ich eine gute Atmosphäre schaffe, dem Anderen Raum lasse und zwischen den Zeilen höre, kann so manches Problem schon an der Wurzel behoben werden.

3. Prävention: Ein solches Gespräch eignet sich gut um Themen wie Burnout oder Depression zu bemerken und auch anzusprechen.

4. Wertschätzung/Anteilnahme: Wir alle brauchen Wertschätzung, beruflich wie privat. Und ein Mitarbeitergespräch ist ein guter Ort, um diese ausführlich zu vermitteln.

5. Zielvereinbarung: Zahlen, Daten, Fakten.

6. (Leistungs-) Rückmeldung: Nicht nur von der Führungskraft, sondern auch vom Mitarbeiter zur Führungskraft. Die meisten Führungskräfte bekommen viel zu wenig kritisches Feedback von ihren Mitarbeitern und benötigen es dringend, um sich auch weiter entwickeln zu können.

Ein passender Leitfaden/Fragebogen

In meinen Schulungen zu Mitarbeitergesprächen, lasse ich die Kunden den Leitfaden für das Gespräch komplett selbst entwickeln. Am besten mit einer gemischten Gruppe aus Führungskräften und Mitarbeitern. Durch diesen kreativen Prozess sind die Teilnehmer hinterher so sehr mit dem Thema identifiziert und auch stolz auf das Ergebnis, dass sie dies auch ins Unternehmen ausstrahlen und gute Multiplikatoren für das Thema sind. Mein Job ist es dann vor allem, mich inhaltlich herauszuhalten und die Teilnehmer einen Leitfaden entwerfen zu lassen, der zum Unternehmen und zu ihnen passt. Durch die Diskussion zu Themen wie: „Benutzen wir die Du- oder Sie-Form?“ oder klingt „Meine Beziehung zur Führungskraft“ doch zu persönlich, ist der Leitfaden hinterher wirklich die ganz eigene Schöpfung. Und die Akzeptanz ist nicht vergleichbar mit einem Leitfaden, den der Geschäftsführer mal von einem Kollegen bekommen, die Personalabteilung entwickelt oder ein externer Berater aus dem Internet gezogen hat. Selbst wenn er keinen wissenschaftlichen Standards entspricht, steckt alles drin, was genau diese Menschen in genau diesem Unternehmen bewegt.

Förderliche Rahmenbedingungen für gelungene Mitarbeitergespräche

1. Zeitpunkt: Das Mitarbeitergespräch findet typischerweise einmal jährlich im ersten Quartal statt. Dabei ist auf einen möglichst großen Abstand zur leistungsorientierten Bezahlung (LOB) zu achten. Denn das tiefe inhaltliche Gespräch sollte nicht mit dem monetären Thema verknüpft sein.

2. Einladung: Laden Sie die Mitarbeiter mindestens 14 Tage vorher zum Mitarbeitergespräch ein. Sei es per Email oder persönlich, Hauptsache der Leitfaden wird dabei ausgehändigt, sodass der Mitarbeiter Zeit hat, diesen vorher in Ruhe auszufüllen.

3. Protokoll: Entscheiden Sie, ob es ein Protokoll gibt, wer dies schreibt und wo es abgelegt wird. Kommt es in die Personalakte oder nicht?

4. Gesprächsführung: Das Wesentliche ist hier folgendes: Alles, was passiert, ist okay. Pausen sind okay, Emotionen, Tränen, Ärger, Konflikte sind okay. Wenn es nicht läuft wie geplant, ist es okay. Es wird nicht perfekt laufen, denn es geht hier um zwei Menschen, da ist es nie perfekt.

5. Nachfassen/Nachbearbeiten: Ich empfehle mindestens einen Nachfasstermin, z. B. nach 3 Monaten. Wenn die Themen ein Jahr ruhen, wird sich wahrscheinlich nicht viel ändern. Dort kann dann anhand des Protokolls geschaut werden, wo wir schon weiter gekommen sind und welche Themen bisher in Vergessenheit geraten sind.

Redet miteinander!

Ich habe oft den Geschäftsführer und die Führungskraft der zweiten Ebene beide im Einzel-Coaching. Und immer wieder passiert es, dass beide ein gemeinsames Thema miteinander, das sie bei mir im Coaching ansprechen. Wenn ich dann beide „Geschichten“ gehört habe, muss ich immer sehr schmunzeln, wie schwierig das Thema Kommunikation doch oft in der Praxis ist. Wenn beide wüssten, was der Andere wirklich denkt, wäre die Welt so viel leichter und angenehmer. Da ich ja der Schweigepflicht unterliege, ermuntere ich dann beide, ehrlich mit dem Anderen zu sprechen. Oft klärt sich dadurch ein vermeintlich verfahrenes Thema angenehm auf.

Abschließend fällt mir noch das Beispiel einer engagierten Führungskraft ein, nennen wir sie Herrn Baum. Dieser war im Job und privat sehr gefordert und war daher dabei, sich nach anderen Arbeitgebern umzuschauen. Bis zum Mitarbeitergespräch, das zum Glück im Unternehmen ernst genommen wurde. Dort schaffte sein Chef es, eine so offene Atmosphäre zu erzeugen, dass Herr Baum sich traute von seinem Alltag mit einer chronischen kranken Frau und zwei kleinen Kindern zu Hause zu erzählen. Der Chef war sehr froh, das zu wissen und einordnen zu können. Nach diesem Gespräch war das Vertrauensverhältnis der beiden gestärkt und Herr Baum war sich sicher, bei dem Arbeitgeber bleiben zu wollen.

Durch viele Beispiele aus der Praxis, sowie den Fachkräftemangel und steigende Zahlen bei Themen wie Burnout und Depression, gewinnt das Thema Mitarbeitergespräch immer mehr an Bedeutung. In den „Alltagsgesprächen“ habe ich als Führungskraft die Gelegenheit eine so gute Beziehung zu meinem Mitarbeitern aufzubauen, dass die jährlichen Mitarbeitergespräch dann optimal genutzt werden- mit einen Gewinn für alle Beteiligten.

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