Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer von Gebäuden

17. Mai 2023


Von Hans-Joachim Beck

In § 7 Abs. 4 EStG sind für Wohngebäude im Betriebs- oder Privatvermögen typisierte AfA-Sätze vorgegeben (siehe Tabelle).

Diese Prozentsätze gehen von einer entsprechenden Restnutzungsdauer des Gebäudes aus. Kann der Eigentümer nachweisen, dass die tatsächliche Restnutzungsdauer kürzer ist, darf er gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG eine entsprechend höhere AfA als Werbungskosten geltend machen.

Das Urteil des BFH vom 28. Juli 2021

Mit Urteil vom 28. Juli 2021 – IX R 25/19 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Steuerpflichtige sich hierzu jeder Darlegungsmethode bedienen darf. Die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens ist nicht erforderlich.

Die Sachverständigengutachten

Viele Eigentümer haben daraufhin ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben und bei ihrem Finanzamt die Berücksichtigung einer höheren AfA beantragt.

Die Gutachten, die mir dazu vorgelegt wurden, beschränkten sich auf eine Berechnung, wie sie für Verkehrswertgutachten nach der ImmoWertV vorgenommen wird.

Die Gutachter sind von einer Gesamtnutzungsdauer nach der Anlage 1 zur ImmowertV von 80 (für Wohngebäude) Jahren ausgegangen und haben davon das Lebensalter abgezogen. Anschließend haben sie geprüft, ob Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, und gegebenenfalls unter Anwendung der Anlage 2 zur ImmowertV eine verlängerte Nutzungsdauer errechnet. Dies hielten sie für ausreichend, weil der BFH in dem Urteil vom 28. Juli 2021 ein entsprechendes Gutachten anerkannt hatte.

Das BMF-Schreiben vom 22. Februar 2023

Nach Ansicht der Finanzverwaltung reicht ein derartiges Gutachten jedoch nicht aus. Denn die Gesamtnutzungsdauer und die Restnutzungsdauer nach der ImmoWertV entsprechen nicht der tatsächlichen Gesamt- beziehungsweise Restnutzungsdauer eines Gebäudes, sondern sind Modellansätze, die nur im Kontext einer Verkehrswertermittlung zu sachgerechten Ergebnissen führen. Eine isolierte Verwendung der Modellansätze der ImmoWertV zum Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer im inne des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht sachgerecht. Durch das Gutachten muss vielmehr konkret dargelegt werden, dass der Verschleiß der Tragstruktur des Gebäudes dazu führt, dass die restliche Nutzungsdauer kürzer ist, als sie dem AfA-Satz zugrunde liegt.

Ausgangspunkt für die Beurteilung des technischen Verschleißes ist die Nutzungsdauer der Tragstruktur des Gebäudes (Dachkonstruktion, tragende Innen- und Außenwände, Geschossdecken und Fundament). Für die Annahme einer kürzeren technischen Nutzungsdauer genügt es nicht, dass lediglich einzelne Teile des Gebäudes erneuert oder ersetzt werden müssen.

Dies genügt auch dann nicht, wenn der hierfür erforderliche Aufwand zu einer wesentlichen Verbesserung des Gebäudes führt und deshalb steuerlich als Herstellungskosten zu behandeln ist.

Erforderlich ist vielmehr, dass durch den technischen Verschleiß der Tragstruktur des Bauwerks dessen Nutzungsfähigkeit beeinträchtigt ist.

Nachweis

Der Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer im Sinne des § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG ist durch Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken oder von Personen, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken nach entsprechener Norm zertifiziert worden sind, zu erbringen.

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