Neue Wohnungen braucht das Land – und nicht nur Bestandserhalt

14. März 2019


In Politik und Öffentlichkeit herrscht breiter Konsens darüber, dass Deutschland einen wachsenden Wohnungsbedarf hat und mehr bauen muss. Laut einer Studie der Empira Gruppe, die den Wohnungsneubau in Deutschland in Beziehung zu sozio- und makroökonomischen Faktoren setzt, konzentriert sich die Wohnungsnot sehr stark auf einzelne Großstädte und ist nicht allein auf das Bevölkerungswachstum, sondern auch auf gesellschaftliche Entwicklungen und ein verändertes Nutzungsverhalten zurückzuführen.

Von Prof. Dr. Steffen Metzner

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In der breiten Fläche ist dagegen kaum von einer Not zu sprechen, teilweise gibt es sogar Leerstände. Die Bedarfseinschätzung ist sehr komplex und nur regional fokussiert zu leisten. Um ein volkswirtschaftlich wie ökologisch problematisches Überangebot zu vermeiden, ist es daher entscheidend, dass auf die Lokalkenntnis von Ländern und Kommunen gesetzt und der Neubau nicht von Berlin aus nach dem „Gießkannenprinzip“ geplant wird.

Ein Blick auf die Entwicklung der Wohneinheiten pro 100 Einwohner zeigt: Die Wohnraumversorgung in Deutschland ist derzeit im historischen Vergleich besser als selten zuvor. Der Wohnungsbestand stieg über viele Jahre überproportional zum Bevölkerungswachstum, dies hat sich erst in den letzten Jahren geändert. Doch die reine Anzahl der Wohnungen ist in diesem Kontext irreführend, weil sich zugleich die Struktur der Haushalte verschiebt. Die Anzahl der Singlehaushalte steigt, und weniger Bewohner pro Haushalt bedeuten einen Mehrbedarf an Wohneinheiten pro Kopf. Auch die benötigte Gesamtwohnfläche steigt dadurch, denn Küche und Badezimmer gibt es in jeder Wohnung – unabhängig davon, wie viele Personen darin leben.

Eine Quantifizierung des konkreten Neubaubedarfs ist schwierig und erfordert spezifische Annahmen. Die Folge: Zahlreiche Experten veröffentlichen teils sehr unterschiedliche Einschätzungen. In der Tendenz sind sich fast alle einig: In Deutschland wird zu wenig gebaut, um den steigenden Bedarf und die zunehmende Alterung der Bestände langfristig auszugleichen. Die Wohnungsbauleistungen sind zwar erheblich, werden aber laut Strukturdaten des Baugewerbes zu rund zwei Dritteln in schon bestehenden Wohnungen verrichtet, ohne dass dabei neue Wohnungen entstehen.

Ausgehend von einem derzeitigen Gesamtbestand von 42 Millionen Wohnungen und einer Lebensdauer von jeweils 100 Jahren pro Wohnung müssten allein zur Bestandserhaltung jährlich etwa ein Prozent, das sind circa 420.000 Wohnungen, neu gebaut oder umfassend saniert werden. Kann die durchschnittliche Lebensdauer verlängert werden, beispielsweise durch hohe Qualität oder umsichtige Instandhaltung, so verringert dies natürlich den Ersatzbedarf. Doch selbst bei intensiven Bestandsmaßnahmen bis hin zu Komplettmodernisierungen würde sicher noch ein Neubau von wenigstens einem Drittel beziehungsweise 0,33 Prozent des Bestandes verbleiben, was rechnerisch immer noch 140.000 neue Wohnungen pro Jahr erfordern würde – allein um den Bestand zu erhalten.

Es bleibt die Frage, wo genau der Neubau stattfinden soll. Eine Planung auf Bundesebene erscheint jedenfalls nicht zielführend. Beurteilungs- und Abstimmungsprobleme, konjunkturelle Zyklen sowie Planungsvorläufe würden zu erheblichen Effizienzverlusten führen. Hinzu kommt der qualitative Aspekt: Welche Größen, Ausstattungen und Preissegmente werden zu welcher Zeit an welchem Standort benötigt? Bei einer bundesweiten verteilungsbezogenen Neubaufestlegung würden sich mitunter erhebliche Lücken zwischen Angebot und Nachfrage ergeben. Den Wohnungsneubau lokal und regional zu planen, ist daher unumgänglich.

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