Neuer Nachbar mit exotischem Namen

15. März 2018


Seit ihrer Fertigstellung Anfang der Neunzigerjahre hat sich in der City Nord, Hamburgs Bürostadt im
Grünen, viel getan. Zahlreiche der Unternehmenszentralen wurden saniert, einige durch Neubauten ersetzt, neue Nutzer entdecken den Standort. Von Michaela Wiedl

An die Stelle der alten Oberpostdirektion tritt nun das Neubauprojekt Ipanema, und mit diesem exotischen Namen entsteht erstmalig ein Gebäudeensemble mit einer gemischten Nutzung aus Wohnen, Büro und weiteren ergänzenden gewerblichen Flächen. Es bringt mit einem Anteil von mehr als 500 Wohnungen neues Veränderungspotenzial in das Gebiet. Doch bevor das Neue Formen annehmen kann,  muss das Alte weichen.

Die Oberpostdirektion, die sich bereits im Rückbau befindet, wurde zwischen 1974 und 1977 nach den Plänen der Architekten Gerhard Weber und Georg Küttinger gebaut. Der Entwurf mit seinen beträchtlichen Ausmaßen — 170 m Länge und 145 m Breite — sowie den abgetreppten Giebelseiten wurde damals in der Öffentlichkeit durchaus kontrovers diskutiert. Der vorangegangene Architektenwettbewerb hatte keinen wirklich überzeugenden Entwurf und damit keinen ersten Preisrang erbracht, dafür zwei zweite Preise, von denen schließlich die Konzeption von Weber und Küttinger die Grundlage für das neue Gebäude bildete. Der Gebäudegrundriss basiert auf einem strengen geometrischen polygonalen Grundmuster und erhielt durch die geschossweisen Abtreppungen nach oben seine unverwechselbare pyramidenartige Kubatur. Gebaut wurde mit Betonfertigteilen. Die Vorfertigung der Bauteile fern der Baustelle — typisch für die Siebzigerjahre — war effizient und kostensparend, das strenge Produktionsraster schmälerte jedoch den Gestaltungsspielraum. Der fertige Bau zählte schließlich – trotz unterschiedlicher Meinungen hinsichtlich der architektonischen Qualität – zu den markantesten Gebäuden des zweiten Bauabschnitts in der City Nord. Freunde des Architekturstils Brutalismus, des „beton brut“, hätten es gern erhalten. Doch nach dem endgültigen Auszug der Post nach der Jahrtausendwende stellte sich die Frage nach der Zukunftstauglichkeit des Gebäudes. Mangelhafter Brandschutz und Asbestbelastung hätten eine Sanierung für jeden Investor teuer und unwirtschaftlich gemacht. 2006 verkaufte die Deutsche Post ihren Unternehmenssitz. Ende 2015 erfolgte ein weiterer Verkauf des „Betonriesen außer Dienst“ an ein Joint Venture aus Otto Wulff, der Christmann Gruppe und Hamburg Team. Derzeit läuft ein B-Plan-Verfahren zur Schaffung des für die Neubauten erforderlichen Baurechts. Mit dem aufwendigen Abbruch wurde in 2017 begonnen.

Neues wellenförmiges
Gebäudeensemble

Auf die strenge lineare Architektur der Oberpostdirektion folgt mit Ipanema nun ein geschwungenes Gebäudeensemble, das sich in einer mäandernden Form in drei Baukörpern über das Grundstück erstreckt. Der Entwurf stammt vom Hamburger Büro KBNK Architekten GmbH, das 2015 als Sieger aus dem Architektenwettbewerb für dieses Grundstück hervorgegangen war. Wellenförmige Strukturen für Gebäude und Freiraumanlagen, inspiriert durch die Arbeiten des brasilianischen Landschaftsarchitekten Roberto Burle Marx, geben der durchaus hohen Dichte an Wohn- und Büroraum, die dort entsteht, etwas Leichtes. Über 500 neue Wohnungen sind geplant, Mietwohnungen — zum Teil auch als geförderte Mietwohnungen — sowie Eigentumswohnungen. Ein Büroturm direkt am Überseering erweitert das Mietflächenangebot der City Nord um etwa 17.000 m². Die Planung sieht weitere ergänzende Gewerbeflächen für Einzelhandels- bzw. Nahversorgungsnutzung sowie die Integration einer Kita vor. Um die 460 Parkplätze finden in einer Tiefgarage Platz. Ipanema ist ein komplexes Projekt, das das Gesicht der City Nord am nordwestlichen Rand deutlich verändern und durch die Schaffung von neuen Wohnbauflächen den derzeitigen Schwerpunkt des Bürostandortes City Nord in Richtung einer zunehmenden Nutzungsmischung verlagern wird.

Die städtebauliche Lage zur Integration dieses neuen Bausteins in der City Nord ist günstig. Im Westen und Norden schließt Ipanema an die bereits existierende Wohnbebauung am Wesselyring und nördlich der Sydneystraße an. Künftig werden die bestehenden 247 Wohnungen, die seinerzeit als einziger Wohnungsbaustein in der City Nord im Rahmen der „Zentralen Zone“ entstanden sind, keine Einzelerscheinung mehr sein. Der Bau eines neuen Hotels am Kapstadtring 2 sowie die Umnutzung des damals ersten Bürogebäudes, das am Kapstadtring 1 bezogen wurde, zu Serviced Apartments haben das Wohnangebot in der City Nord zusätzlich erweitert. Und schließlich wird in Kürze östlich der Bürostadt das neue Pergolenviertel mit etwa 1.400 Wohnungen Gestalt annehmen. Das Thema Wohnen rückt also von allen Seiten näher, die ausgedehnten Grünanlagen des City-Nord-Parks im Zentrum bekommen eine neue Attraktivität und werden sich künftig auch jenseits normaler Büroarbeitszeiten mit Leben füllen.
Foto: © bloomimages